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»Ein Geschenk für den König, denn er ist der Herr der Bienen.«

Der Mann stammte aus dem Delta, und somit war die Biene nicht nur seine Existenz, sondern auch das Symbol seiner Region. Wilder Honig ist wertvoll, viel wertvoller als die Sorte, die in den Tonwaben der Stadtgärten gezüchtet wird. Es heißt, der Geschmack sei so intensiv wie die Tränen des Re, denn die Bienen sammeln den Nektar seltener Wüstenblumen, die früher als alle anderen erblühen. Diese Männer brachten ihr Leben damit zu, den Wüstenrand abzulaufen und den Jahreszeiten und der kurzlebigen Blütezeit zu folgen. Ich war geneigt, sie für ungefährlich zu halten – sie waren so dürr wie ihre Gehstöcke, die Abnutzung und Alter dunkel gefärbt hatten. Was konnten sie schon gegen die Macht unserer zahllosen Waffen ausrichten? Ich befahl, dass man ihnen Wasser und etwas zu essen gab, und verdeutlichte ihnen, dass sie weiter ihres Weges ziehen dürften. Sie verneigten sich respektvoll und entfernten sich.

Ich wog den Honigkrug in meinen Händen. Das raue Gefäß war mit Bienenwachs versiegelt. Zunächst überlegte ich, es zu öffnen, entschied mich dann aber dagegen.

»Was sollen wir damit machen?«, fragte ich Simut.

Er zuckte mit den Schultern.

»Vielleicht solltest du es dem König zeigen«, meinte er. »Er ist bekannt dafür, schrecklich gern Süßes zu essen …«

Ich lief zum Zelt des Königs, und man meldete ihm mein Kommen. Ich trat ein. Das helle Licht der Wüste fiel herein, erstrahlte auf den Mustern der Leinentücher, die an den Wänden hingen. Um auch für die kurze Zeit eine gewisse Palastatmosphäre zu schaffen, hatte man die königlichen Requisiten aufgestellt und ausgelegt: Liegen, Stühle, wertvolle Gegenstände, Matten und so weiter und so fort. Es war warm hier drinnen. Diskret hinter dem König stand ein Fächerträger. Er tat so, als sehe und höre er nichts, wedelte nur immerzu durch die stickige Luft. Der König aß gerade. Als ich mich verneigte und ihm den Krug zeigte, sah ich meinen eigenen Schatten an der Zeltwand, der aussah wie eine Tempelskulptur, die dem Gott eine heilige Opfergabe darbietet.

»Was ist das?«, fragte er fröhlich, wusch sich die Finger in einem Schüsselchen und hielt sie dann einem Diener hin, damit der sie trocken tupfte.

»Das ist wilder Honig von Wüstenblumen. Das Geschenk einiger Sammler.«

Er nahm den Krug in seine eleganten Hände und sah ihn sich genauer an.

»Ein Geschenk der Götter«, meinte er lächelnd.

»Ich schlage vor, dass wir ihn einlagern, und wenn wir wieder in Theben sind, wird er Euch an diesen Jagdausflug erinnern.«

»Ja. Eine gute Idee.«

Er klatschte in die Hände, und sofort kam ein Diener und brachte den Krug weg.

Ich verneigte mich und bewegte mich rückwärts Richtung Ausgang, doch er bestand darauf, dass ich bei ihm blieb. Er bot mir einen Platz auf der Liege an, die gegenüber von ihm stand. Er wirkte erheblich unbeschwerter als bisher, und ich fing an zu glauben, dass diese Reise die richtige Entscheidung gewesen war. Fern zu sein vom Palast der Schatten und seinen Gefahren schien seine Lebensgeister zu beflügeln.

Wir tranken ein wenig Wein, und man servierte uns weitere Schüsseln mit Fleisch.

»Werden wir heute Abend jagen?«, fragte er.

»Die Fährtenleser sind zuversichtlich, dass sie etwas finden werden. Nicht weit von hier ist eine Wasserstelle. Wenn wir uns der gegen den Wind und lautlos nähern, werden dort bei Sonnenuntergang viele verschiedene Tiere sein. Die Fährtenleser haben mir allerdings auch erzählt, dass es inzwischen nur noch sehr wenige Löwen gibt.«

Enttäuscht nickte er.

»Wir haben sie so häufig gejagt, dass sie fast ausgestorben sind. In ihrer Weisheit haben sie sich tiefer in ihre Reviere zurückgezogen. Aber vielleicht folgt ja einer von ihnen meinem Ruf.«

Schweigend aßen wir eine Weile.

»Ich stelle fest, dass ich die Wüste liebe«, meinte er dann auf einmal. »Warum verdammen wir etwas so Reines und Schlichtes und nennen es einen Ort der Barbarei und der Furcht?«

»Menschen fürchten sich vor dem Unbekannten«, erwiderte ich. »Deshalb müssen sie ihm vielleicht einen Namen geben, der den Eindruck erweckt, sie hätten Kontrolle darüber. Nur sind Worte nicht, was sie zu sein scheinen.«

»Was meinst du damit?«

»Ich meine, dass sie glatt sind. Worte können von einer Sekunde zur anderen eine andere Bedeutung annehmen.«

»Das entspricht nicht dem, was die Priester uns erzählen. Die behaupten, die heiligen Worte seien die größte Macht der Welt. Sie sind die Geheimsprache der Schöpfung. Der Gott sprach, und die Welt entstand. Ist es nicht so?«

Er sah mich an, als forderte er mich heraus, ihm zu widersprechen.

»Aber was, wenn Worte von Menschen und nicht von Göttern geschaffen werden?«

Einen Moment wirkte er beunruhigt, aber dann lächelte er.

»Du bist ein merkwürdiger Mensch und ein ungewöhnlicher Medjai. Man könnte meinen, du bist der Ansicht, selbst die Götter seien unsere Erfindung.«

Ich zögerte, darauf zu antworten. Das fiel ihm auf.

»Nimm dich in Acht, Rahotep. Solche Gedanken sind Blasphemie.«

Ich neigte den Kopf. Er bedachte mich mit einem langen, aber keineswegs feindseligen Blick.

»Ich werde mich jetzt ein wenig ausruhen.«

Und so war meine königliche Audienz zu Ende.

Ich trat aus dem Zelt. Die Sonne hatte den Zenit wieder verlassen, und es war still im Lager, denn außer den Wachsoldaten, die unter Sonnenschirmen um unsere kleine Zeltstadt herum postiert standen, hatten sich alle zurückgezogen, um der erdrückenden Nachmittagshitze zu entgehen. Ich verspürte nicht das Bedürfnis, weiter über Götter, Menschen und Worte nachzudenken. Ich war ihrer müde, sowohl der Worte wie auch der Menschen und Götter. Ich lauschte dem grandiosen Schweigen der Wüste, und es klang wie die schönste Melodie, die ich seit Langem gehört hatte.

29

Der Jagdmeister, der in Begleitung seines obersten Fährtenlesers war, winkte mich zu sich. So leise wie möglich kletterte ich über den mit Buschwerk bewachsenen Boden auf die niedrige Anhöhe, von der sie die Wasserstelle beobachteten. Vorsichtig lugte ich über den Rand des verwitterten Felsvorsprungs und schaute nach unten. Es bot sich mir ein außerordentliches Bild. Im Licht der späten Abendsonne schoben sich lautlos Herden von Gazellen und Antilopen und ein paar wilde Rinder an der Wasserstelle vorbei. Nacheinander tranken sie, und danach blickten sie entweder aufmerksam in die Ferne der nunmehr goldenen Savanne oder senkten ihre eleganten Häupter, um zu grasen. Die Fährtenleser hatten die Wasserstelle ein paar Stunden zuvor gegraben, um so viele Tiere wie möglich anzulocken. Einige schnüffelten voller Unbehagen an dem dunklen Boden, witterten die Nähe von Menschen, doch ihr Bedürfnis zu trinken war stärker.

»Das mit dem Wasser hat geklappt«, flüsterte der Jagdmeister. »Jetzt lässt sich hier gut jagen.«

»Es ist nur weit und breit kein Löwe zu sehen.«

»Die kommen über lange Zeiträume hinweg ohne Wasser aus. Und sie sind rar geworden. Es gab mal sehr viele, wie es auch mal viele Leoparden gab, die ich selbst noch nie gesehen habe.«

»Und wie machen wir das jetzt? Jagen wir, was da ist, oder warten wir erst noch ab?«

Er ließ sich die Möglichkeiten durch den Kopf gehen.

»Wir könnten eine Antilope töten, sie liegen lassen und warten, ob der Löwe kommt und sie frisst.«

»Als Köder?«

Er nickte.

»Aber selbst wenn wir das Glück haben, auf einen zu stoßen, bedarf es enormer Fähigkeiten, großen Mutes und vieler Jahre Übung, um einen wilden Löwen zu jagen und zu töten.«

»Dann trifft es sich gut, dass wir in unserer Gruppe ein paar fähige Jäger haben, die dem König im Augenblick seines Triumphs zur Seite stehen können.«