Wir einigten uns, das Lager abzubauen und alles an die Stelle zu schaffen, an der die Fährte gefunden worden war. War das Lager dort neu aufgebaut, konnten wir den Löwen in Ruhe aufspüren und den richtigen Moment abpassen, um ihn zu jagen. Vorräte an Lebensmitteln und Wasser hatten wir genug, sie reichten noch für mindestens eine Woche. Und falls der Löwe sich noch tiefer in die Wüste verzog, konnten wir erneut weiterziehen und uns notfalls in den entlegenen Oasen Nachschub an Lebensmitteln und Wasser besorgen.
Ich sah dabei zu, wie unsere temporäre Zeltstadt wieder abgebaut wurde. Die goldenen Möbel, die Küchengeräte und die in Käfigen gehaltenen Tiere wurden auf Karren geladen. Die Ziegen wurden aneinandergebunden. Die Gabeln, Messer und riesigen Kessel des Kochs wurden auf die Esel verfrachtet. Und schließlich wurde das Zelt des Königs demontiert, die Mittelstange herausgezogen, die goldene Kugel heruntergenommen, die langen Stoffbahnen zusammengefaltet und weggepackt. Mit einem Schlag sah es aus, als seien wir niemals hier gewesen – so flüchtig war der Eindruck, den wir in der gewaltigen Weite der Wüste hinterlassen hatten. Das Einzige, was noch an uns erinnerte, waren das wilde Durcheinander unserer Fußspuren auf dem Boden und der Ring aus schwarzer Asche, der die Stelle unserer Feuerschale markierte und den die sachte Nordbrise bereits verwehte. Ich stampfte mit den Füßen auf das noch glühende Holz und musste dabei an den schwarzen Kreis im Innendeckel der kleinen Kiste im Palast der Schatten denken. Zeichen hatte es viele gegeben, aber dieses hatte mich von Anfang an am meisten beschäftigt. Ich wusste immer noch nicht, was es bedeutete.
Die Sonne hatte ihren Zenit bereits überschritten, als wir aufbrachen, um tiefer ins Rote Land vorzudringen. Die Luft flirrte über der trostlosen und unfruchtbaren Landschaft. Wir kamen nur langsam voran, liefen durch ein breites, leeres, flaches Bett aus Schiefer und Schotter, durch das vielleicht irgendwann in alter Zeit ein großer Fluss geströmt war – denn es ist bekannt, dass der Wind die Sanddünen von einer Stelle an die andere bläst, sodass gelegentlich die Knochen seltsamer Meereskreaturen gefunden werden. Nur hier sah es aus, als sei irgendeine Katastrophe passiert – verursacht von der Zeit und den Göttern –, die alles in dieser Welt in dieses graue und rote Felsgestein und in diesen Staub verwandelt hatte, die vom Ofen der Sonne gebacken wurden. Die großen Sandmeere, von denen jene erzählten, die sie bereist hatten, mussten sehr viel weiter im Westen liegen.
Ich fuhr neben Simut.
»Vielleicht ist das Glück uns endlich hold«, sagte er leise – denn die stille Luft trug jeden einzelnen Laut weiter.
»Wir brauchen jetzt nur noch den Löwen aufzuspüren.«
»Und dann müssen wir alles tun, um dem König zu seinem Triumph zu verhelfen«, antwortete er.
»Er ist wild entschlossen, das Tier selbst zu töten. Allerdings ist es eine Sache, einen Strauß inmitten einer Herde panischer Tiere zu erlegen, und eine ganz andere, es mit einem Wüstenlöwen aufzunehmen und ihn zu töten«, sagte ich.
»Ganz meine Meinung. Wir werden unsere besten Jäger um ihn herum gruppieren müssen. Wenn die den Löwen vorab kampfunfähig machen, wird der König sich vielleicht damit zufriedengeben, ihm den Todesstoß zu versetzen. Dann hätte er das Tier immer noch selbst getötet.«
»Ich hoffe es.«
Eine Weile fuhren wir weiter, ohne etwas zu sagen.
»Vom Tod seines Äffchens scheint er sich gut erholt zu haben.«
»Wenn das überhaupt etwas bewirkt hat, dann hat es ihn nur noch in seiner Entschlossenheit bestärkt.«
»Ich habe dieses mickrige Tierchen nie leiden können. Ich hätte dem schon vor langer Zeit den Hals umgedreht …«
Wir lachten leise.
»Es tut mir leid, dass das Kleine leiden musste, aber am Ende war es doch noch zu was nutze.«
»Aufgrund seiner Gier fand der Vorkoster ein tragisches Ende«, erwiderte Simut mit einem sarkastischen Grinsen, was er sich nur selten erlaubte. »Wie ein Fabelwesen. Das ist die Moral von der Geschicht.«
Nachdem wir uns stundenlang durch den von den Göttern verlassenen Ozean aus grauem Kies und Staub gequält hatten, gelangten wir endlich in eine andere, seltsame und wilde Landschaft, in der die Kunstfertigkeit des Windes das blasse Felsgestein in fantastische Formen verwandelt hatte, die jetzt von der Pracht des Sonnenuntergangs in Gelb- und Rottöne getaucht wurden. Das Feuer war schnell entfacht, die Zelte waren rasch wieder aufgebaut, und bald wehten köstliche Essensdüfte durch die klare Luft.
Der König trat in den Eingang zu seinem Zelt.
»Komm, Rahotep, lass uns ein paar Schritte gehen, bevor es dunkel wird.«
Und so spazierten wir an den bizarr geformten Felsen entlang und genossen es, dass die Luft allmählich kühler wurde.
»Das ist eine andere Welt«, sagte er. »Wie viele dieser Welten, die vielleicht noch sonderbarer sind, liegen da noch im Roten Land verborgen?«
»Vielleicht ist die Welt viel größer, als wir glauben, Majestät. Vielleicht ist das Rote Land nicht das einzige Land der Lebenden. Es gibt Geschichten über Länder, die aus Schnee sind, und über Länder, in denen immer alles grün ist«, erwiderte ich.
»Ich möchte der König sein, der fremde Länder und neue Völker entdeckt und ihnen neue Wege weist. Ich träume davon, dass der Ruhm unseres Reiches dereinst in unbekannten Welten und in der fernen Zukunft weiterlebt. Wer weiß, aber vielleicht überdauert ja das, was wir heute in unserer Welt tun, sogar die Zeiten! Warum nicht? Wir sind ein großartiges Volk, das Gold und Macht besitzt. Unser Bestes ist wunderschön und wahrhaftig. Rahotep, ich bin froh, dass wir hergekommen sind. Ich habe mit dem Befehl die richtige Entscheidung getroffen. Weg vom Palast, weg von diesen Mauern und Schatten. Ich fühle mich wieder lebendig. Ich habe mich so lange nicht mehr lebendig gefühlt. Das ist gut. Und das Glück wird mir jetzt hold sein. Ich kann die Zukunft körperlich spüren, zum Greifen nah, kann spüren, dass sie gut wird, und hören, wie sie mir zuruft, ich soll sie Wirklichkeit werden lassen …«
»Das ist eine großartige Bestimmung, Majestät.«
»Das stimmt. Ich spüre es, tief in meinem Herzen. Das ist mein Schicksal als König. Die Götter warten darauf, dass ich es erfülle.«
Während wir uns unterhalten hatten, waren die strahlenden Sterne am großen Ozean der Nacht aufgegangen, in all ihrer geheimnisvollen Pracht. Wir beide standen unter ihnen und blickten empor.
32
Am nächsten Tag brachen wir bei Sonnenuntergang mit unseren Streitwagen auf, anständig bewaffnet und gut mit Proviant versorgt. Die Fährtenleser hatten das Gelände erkundet und weitere Spuren gefunden. Das Herzstück des Reviers des Löwen schien sich etwas abseits vom Lager auf den niedrigen, schattenspendenden Klippen zu befinden. Die waren zweifellos ein sicherer Hafen vor allem, was an diesem harschen Ort überleben konnte. Um ihn anzulocken, führten wir den Kadaver einer frisch geschlachteten Ziege mit. Nachdem wir unsere Streitwagen in Fächerformation aufgestellt hatten, beobachteten wir aus sicherer Entfernung, wie einer der Fährtenleser mit dem toten Tier durch die graue Landschaft ritt, es dort ablegte und dann zu uns zurückkehrte.
Der Mann bezog neben mir Stellung.
»Er wird sehr hungrig sein, denn Beute gibt es hier draußen nur wenig für ihn, und wir haben ihm ein Festmahl serviert. Ich hoffe, er wird sich damit ködern lassen, bevor es dunkel wird.«
»Und wenn nicht?«
»Müssen wir es morgen wieder versuchen. Es wäre unklug, sich ihm in der Dunkelheit zu nähern.«