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Bei diesen unheilverheißenden Worten schaute ich zu Khay hinüber.

»Nur fürchte ich, dass mein Gemahl mich nie so geliebt hat, wie ich ihn geliebt habe, und dass er das auch niemals tun wird. Weißt du: Er hat kein Herz. Und vielleicht sehnt er meinen Tod jetzt sogar herbei, denn den einen Zweck habe ich erfüllt, und den anderen kann ich jetzt nicht mehr erfüllen, da habe ich versagt. Menschen haben keinerlei Bedeutung für ihn.«

»In welcher Hinsicht habt Ihr versagt?«, fragte ich.

Unverwandt sah sie mich an.

»Ich bin unfruchtbar. Ich habe ihm keinen Erben geschenkt. Das ist der Fluch, der auf unserer Dynastie lastet. Und schau, was er getan hat, um mich dafür zu bestrafen.«

Sie schlang die Hände um ihren kahlrasierten Schädel. »Er hat mich geisteskrank gemacht. Er hat Dämonen in mein Hirn gesperrt. Eines Tages werde ich so lange mit dem Kopf gegen die Wand rennen, bis mir das Gehirn aus dem Schädel läuft, und dann wird es endlich vorbei sein.«

Ich griff nach Mutnedjmets Händen und hielt sie fest in meinen. Die Ärmel ihres Gewands rutschten ein wenig hoch, und ich sah Narben an ihren Handgelenken, die inzwischen verheilt waren. Sie wollte, dass ich sie sah.

»Ich werde jetzt gehen. Wenn der Doktor das nächste Mal kommt, solltet Ihr vielleicht besser nicht erwähnen, dass ich Euch besucht habe. Ich möchte nicht, dass er Euch keine Geschenke mehr bringt.«

Sie nickte, aufrichtig und zugleich in höchstem Maße verunsichert.

»Besuch mich bitte, bitte, bitte wieder«, sagte sie. »Wenn du wiederkommst, erinnere ich mich vielleicht noch an mehr Dinge, die ich dir erzählen kann.«

»Ich verspreche, dass ich es versuchen werde.«

Damit schien sie sich zufriedenzugeben.

Sie bestand darauf, mich zur Tür zu begleiten. Die Zwerge tauchten wieder auf und umschwirrten sie wie heimtückische Haustiere. Immer und immer wieder sagte sie »Auf Wiedersehen, Auf Wiedersehen«. Immer und immer wieder, bis ich hinter uns die Tür schloss. Ich wusste, dass sie auf der anderen Seite stand und lauschte, wie die Seile wieder verknotet wurden. Die Seile über dem Sarg, in dem sie lebendig begraben war.

Schweigend begaben wir uns auf den Rückweg. Khay machte inzwischen einen ziemlich nüchternen Eindruck.

»Ich habe das Gefühl, ich schulde Euch eine Entschuldigung«, sagte er nach einer Weile.

»Akzeptiert«, erwiderte ich.

Wir verneigten uns voreinander.

»Ihr müsst den Namen dieses Doktors kennen«, sagte ich.

Sein Gesicht ging in Enttäuschung über.

»Ich wünschte, es wäre so. Ich wusste natürlich, dass sie hier war und warum. Ich bin für den praktischen Teil ihrer Versorgung verantwortlich. Befohlen wurde das Ganze aber von Eje, möglicherweise nach Absprache mit Haremhab. Dieser ›Doktor‹ benötigte also lediglich einen Passierschein für die königlichen Gemächer, und den hätte man heimlich ausstellen können. Es ist alles schon so lange her, und ihr Benehmen war so entsetzlich peinlich. Ich schätze, wir haben sie alle einfach vergessen und uns mit Dingen befasst, die uns wesentlich wichtiger erschienen. Sie war das schmutzige Familiengeheimnis, und jeder war froh, sie los zu sein.«

»Seid Ihr denn sicher, dass Eje für ihre Lebensumstände verantwortlich ist?«

»Ja. Zu Anfang war er das zumindest.«

Ich dachte darüber nach.

»Hat sie recht mit dem, was sie über Haremhab sagt?«, fragte ich.

Er nickte.

»Haremhab hat sie aus Machtgründen geheiratet. Er hat sie nach allen Regeln der Kunst verführt, aber das Einzige, was er wollte, war der Eintritt in die königliche Familie. Er wusste, dass es außer ihm niemanden gab, der sie haben wollte, und somit war es eine Art Handel.«

»Was meint Ihr damit?«

»Sie war so etwas wie eine beschädigte Ware. Sie war immer schon etwas seltsam. Bereits in ihrer Kindheit hatte sie Depressionen und hysterische Anfälle. Es war also leicht, an sie heranzukommen. Die Familie war erpicht darauf, sie irgendwie einsetzen zu können, und die Allianz mit einem aufsteigenden Stern der Militärwelt schien damals kostbar. Es war abzusehen, dass er Karriere machen würde. Warum also nicht die Armee in die Familie einbinden? Und im Gegenzug wurde ihm eine bemerkenswerte Beförderung zuteil. Zu dem Handel gehörte aber auch, dass er als Mitglied der Familie verpflichtet war, sich zu benehmen; ihr in der Öffentlichkeit zumindest dem Anschein nach den Status einer verheirateten Frau zu geben und die Armee dazu einzusetzen, die strategisch wichtigen Ziele und internationalen Interessen der Familie zu verfolgen. Und angesichts des Handels war das letzten Endes auch in Haremhabs ureigenem Interesse.«

»Und ist das der Grund, warum Mutnedjmet immer noch im Malqata-Palast eingesperrt ist? Warum schickt man sie nicht zu ihrem Gemahl?«

»Sie müssen da ein Arrangement getroffen haben, das beiden Seiten zum Nutzen gereichte. Sie hatte den Verstand verloren. Sie stellte für beide Parteien eine Belastung dar; sie ist der Preis, den er für seinen Ehrgeiz gezahlt hat. Sie liebt ihn, aber er findet sie abstoßend. Er will sie loswerden. Für Eje war sie auch ein Problem, denn sie gehört zwar zur königlichen Familie, war in der Öffentlichkeit aber zu nichts zu gebrauchen. Deshalb war es im Interesse beider Parteien, dass sie aus dem Leben verschwand, ohne real zu sterben, und eine Art Unperson wurde. Für den Moment wird sie am Leben gehalten. Und wie Ihr gesehen habt, ist das arme Ding ziemlich irre.«

»Und Haremhab?«

»Das skrupellose Jungkrokodil wurde rasch zu groß für seinen Teich. Er wuchs und wuchs und wuchs. Und schon bald waren ihm die feinen Speisen und die kostbaren Juwelen nicht mehr genug. Er wird sich ihrer entledigen, sobald es ihm zupasskommt, das zu tun. Er hat uns seit Langem im Visier: Eje, Tutanchamun, Anchesenamun, uns alle. Und ich fürchte, nach dem katastrophalen Tod des Königs ist seine große Stunde jetzt gekommen.«

Seine Worte schienen ihn nun endgültig ausgenüchtert zu haben. Er ließ seinen Blick über den blanken und kalten Luxus schweifen und schien den Palast für einen kurzen Moment als das zu erkennen, was er in Wahrheit war: ein Grabmal.

»Aber eines ist jetzt klar«, sagte ich.

»Und was ist das?«

»Sowohl Eje als auch Haremhab machen mit dem Doktor gemeinsame Sache. Eje hat ihre Versorgung arrangiert. Haremhab weiß, wie seine Frau gefangen gehalten wird. Nur bleibt die Frage: Wer hat den Doktor angeheuert zu tun, was er getan hat? Hat Haremhab dem Doktor befohlen, seine Gemahlin opiumsüchtig zu machen? Oder ist der Doktor selbst auf diese Idee gekommen? Und hat der Doktor eigene Ziele damit verfolgt, den König zu terrorisieren, oder hat er das auf Weisung von jemand anderem getan? Haremhabs vielleicht?«

»Oder Ejes«, erwiderte Khay.

»Kann sein. Denn der wollte nicht, dass der König seine Macht selbst in die Hand nahm, wie er es getan hat. Nur deutet seine Reaktion auf das, was passiert ist, eindeutig darauf hin, dass er nicht wusste, wie die Gegenstände in die Gemächer gekommen sind. Das Ganze fühlt sich auch überhaupt nicht an wie etwas, was Eje tun würde.«

Khay seufzte.

»Keine der Möglichkeiten stimmt erwartungsfroh. Wie auch immer, jetzt, da der König tot ist, dürfen wir sicher sein, dass Haremhab bald hier eintreffen wird. Er hat Wichtiges zu erledigen. Die Zukunft steht ihm weit offen. Er braucht nur Eje und die Königin zu erobern, und die Beiden Länder gehören ihm. Und diesen Tag fürchte ich aus tiefster Seele.«

***

Es war schon sehr spät. Wir standen wieder vor den großen Flügeltüren, die in die Privatgemächer der Königin führten. Davor hatte man Nachtwachen postiert. Ich bat Khay, allein weiterzugehen, damit ich unter vier Augen mit der Königin sprechen konnte. Er nickte, drehte sich dann aber noch einmal zu mir um und zögerte einen Moment, als wollte er mich etwas Vertrauliches fragen.

»Macht Euch keine Sorgen«, sagte ich. »Euer Geheimnis ist bei mir sicher.«