Выбрать главу

Sie drehte den Kopf zu mir.

»Wie sehe ich aus?«

»Ihr seht aus wie die Königin der Beiden Länder.«

Sie lächelte zufrieden. Dann schaute sie auf den glitzernden Schal, der um ihre Schultern geschlungen war.

»Er hat meiner Mutter gehört. Ich hoffe, dass mich ein Hauch von ihrem großartigen Geist beschützen wird.«

Im nächsten Moment fiel ihr auf, welch düsterer Stimmung ich war, und sie sah mich wieder an.

»Es ist etwas passiert, nicht wahr?«, fragte sie plötzlich.

Ich nickte. Sie verstand und schickte ihre Zofen hinaus. Als wir allein waren, überbrachte ich ihr die Nachricht vom Tode Mutnedjmets. Ganz ruhig saß sie da, und die Tränen rannen ihr über die Wangen und verschmierten das Make-up aus Kajal und Malachit, das man gerade erst so sorgfältig aufgetragen hatte. Immer und immer wieder schüttelte sie den Kopf.

»Ich habe sie im Stich gelassen. Wie konnte das passieren? Hier im Palast? Während ich hier geschlafen habe?«

»Sobek ist sehr klug.«

»Aber Eje und Haremhab sind genauso für ihren Tod verantwortlich wie dieser bösartige, abscheuliche Mann. Sie haben sie eingesperrt und in den Wahnsinn getrieben. Und sie war die Letzte meiner Familie. Jetzt bin ich ganz allein. Schau mich an.«

Sie blickte auf ihre königlichen Gewänder.

»Ich bin nichts weiter als eine Puppe, der man diese Gewänder anzieht.«

»Nein, Ihr seid wesentlich mehr. Ihr seid die Hoffnung der Beiden Länder. Ihr seid unsere einzige Hoffnung. Ohne Euch ist die Zukunft düster. Haltet Euch das immer vor Augen.«

Tausend Menschen verstummten und verneigten sich tief, als die Königin den Saal betrat. Die Empfangshalle des Palastes war für Haremhabs Besuch üppig geschmückt worden. In kupfernen Schalen brannte Weihrauch. Überall standen Vasen mit riesigen und aufwendigen Blumenbouquets. Die Palastwachen säumten den Weg zum Thron. Mir fiel auf, dass Eje nicht anwesend war. Die Königin erklomm das Podest, sah zu ihren Ministern und setzte sich. Und dann warteten wir, in einer Stille, die wir länger erdulden mussten, als irgendeiner von uns erwartet hatte. Der General verspätete sich. Die Tropflaute der Wasseruhr maßen nicht nur die Zeit, die verging, sondern auch die Demütigung, die durch sein Nichterscheinen immer größer wurde. Ich blickte auf die Königin. Sie kannte dieses Spielchen und bewahrte die Fassung. Und dann, endlich, hörten wir seine Militärfanfare, und bereits im nächsten Augenblick durchquerte er, gefolgt von seinen Offizieren, mit großen Schritten die Halle. Vor dem Thron blieb er stehen und starrte die Königin überheblich an. Erst dann neigte er den Kopf. Sie blieb sitzen. Das Podest schenkte ihr einen Höhenvorteil über den General.

»Schaut auf«, erklärte sie ruhig.

Er tat es. Sie wartete darauf, dass er sprach.

»Leben, Wohlstand und Gesundheit. Jeder in den Beiden Ländern weiß um meine Loyalität. Ich lege sie zusammen mit meinem Leben zu Euren königlichen Füßen.«

Seine Worte schallten durch die Halle, in der eintausend vornehme Ohrenpaare auf jede Nuance lauschten.

»Wir vertrauen schon lange auf Eure Loyalität. Sie bedeutet uns mehr als Gold.«

»Es ist meine Loyalität, die mir heute den Mut gibt«, erwiderte er ominös.

»Dann sprecht, General.«

Er sah sie an, und im nächsten Moment richtete er das Wort an alle, die sich in der Halle versammelt hatten.

»Was ich sagen möchte, ist ausschließlich für die Ohren der Königin bestimmt und ließe sich in einem intimeren Umfeld besser zur Sprache bringen.«

Sie neigte den Kopf.

»Unsere Minister sind ein Teil von uns. Was könnte es zu besprechen geben, was sie nicht hören dürfen?«

Er lächelte.

»Angelegenheiten, die nicht mit dem Staat, sondern mit dem Menschen zu tun haben.«

Eindringlich sah sie ihn an. Dann erhob sie sich und forderte ihn auf, sie in einen angrenzenden Vorraum zu begleiten. Er folgte ihr, und das Gleiche tat ich. Er wollte mich erbost angehen, aber sie erklärte mit fester Stimme:

»Rahotep ist meine persönliche Leibwache. Er begleitet mich immer und überall. Und ich verbürge mich für seine Integrität und seine Verschwiegenheit.«

So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

Ich stand wie ein Wachsoldat neben der Tür. Sie saßen einander gegenüber auf Liegen. In dieser eher häuslichen Umgebung wirkte er auf nahezu drollige Weise wie ein Fremdkörper, ganz so, als würden Wände und Kissen nicht zu ihm passen. Es wurde Wein eingeschenkt, und dann entfernten sich die Diener. Sie spielte das Spiel des Schweigens und wartete darauf, dass er den ersten Zug machte.

»Ich weiß, dass der König tot ist. Ich spreche Euch mein aufrichtiges Beileid aus.«

Er beobachtete aufmerksam, wie sie auf seine Worte reagierte.

»Wir danken Euch für Euer Beileid. Wie wir Euch auch für Eure Loyalität danken. Und wir sprechen Euch unsererseits unser Beileid aus zum entsetzlichen und viel zu frühen Tod Eurer Gemahlin, meiner Tante.«

Er reagierte weder erstaunt noch traurig auf diese Neuigkeit, sondern nickte nur.

»Diese Nachricht erfüllt mich mit Trauer«, erwiderte er und fügte, wie es sich gehörte, allerdings mit einer gehörigen Portion Ironie, hinzu: »Doch möge ihr Name auf ewig weiterleben.« Anchesenamun war dermaßen angewidert von seiner Eitelkeit und Verderbtheit, dass sie den Kopf abwandte.

»Gab es da noch etwas, was der General gern sagen wollte?«

Er verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln.

»Ich habe einen simplen Vorschlag zu unterbreiten, und da es sich dabei um eine delikate Angelegenheit handelt, hielt ich es für richtiger, das persönlich und in einem privaten Umfeld zu tun. Um mehr Zartgefühl zu beweisen. Immerhin seid Ihr die trauernde Witwe eines großen Königs.«

»Sein Tod hat uns alle eines großen Mannes beraubt«, antwortete sie.

»Nichtsdestotrotz muss unsere persönliche Trauer hinter dringenderen Erwägungen zurückstehen.«

»Seht Ihr das so?«

»Es steht jetzt viel auf dem Spiel, Madame. Ich bin überzeugt, dass Ihr Euch dessen bewusst seid.«

Seine Augen funkelten. Ich sah, welch großes Vergnügen es ihm bereitete, sich wie ein bewaffneter Jäger an sein ahnungsloses Opfer heranzuschleichen.

»Ich bin mir der komplexen Gefahren, der die Beiden Länder in diesem Augenblick des Wandels ausgesetzt sind, vollauf bewusst.«

Er lächelte und hob die Hände, als wolle er ihr etwas offerieren.

»Dann können wir uns offen unterhalten. Ich bin überzeugt, dass uns beiden das Wohl der Beiden Länder am Herzen liegt. Und deshalb bin ich hier: um Euch ein Angebot zu machen. Oder vielleicht besser gesagt, um Euch einen Vorschlag zu unterbreiten.«