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Und dann eines Abends, kurz nach Sonnenuntergang, hörte ich jemanden klopfen. Als ich das Tor öffnete, sah ich draußen einen Streitwagen stehen und einen Begleitschutz, der gleich aus mehreren Palastwachen bestand, was auf meiner chaotischen Straße wie eine Fata Morgana wirkte. Entsprechend verwundert und zugleich verschreckt streckten die Leute rechts und links die Köpfe aus den Häusern und begafften die Erscheinung. Irgendwie rechnete ich damit, dass Khays knochiges Gesicht zum Vorschein kommen und er mich mit trübsinniger Miene begrüßen würde. Aber die Augen, die mich zaghaft ansahen, waren die Anchesenamuns. Sie hatte sich verkleidet und trug ein schlichtes Leinengewand.

»Ich sehe, ich habe dich überrascht. Darf ich hereinkommen?«, fragte sie in einem Ton, der darauf schließen ließ, dass ihr nicht wohl war bei der Frage.

Ich hatte mir vorgenommen, mich nie wieder auf einen dieser Menschen einzulassen oder in ihre Palastintrigen hineinziehen zu lassen, mich einfach zu verweigern. Nur stellte ich jetzt fest, dass ich ihr die Tür nicht vor der Nase zuschlagen konnte. Ich nickte, und vorsichtig entstieg sie ihrem Gefährt in ihren qualitativ hervorragenden goldenen Sandalen – die waren viel zu gut für diese Straße – und betrat im Schutz eines Sonnenschirms mein bescheidenes Heim.

Tanefert war in der Küche. Als wir hindurchliefen, um in den Wohnraum zu gelangen, in dem wir fast nie sitzen, sah sie, wer da gekommen war, und schien in eine Art Trance zu verfallen. Aber bereits im nächsten Moment erinnerte sie sich, was sich in einem solchen Fall geziemte, und verneigte sich tief.

»Mögen Euer Majestät Leben, Wohlstand und Gesundheit beschieden sein«, sagte sie leise.

»Ich hoffe, du wirst mir diesen unerwarteten Besuch verzeihen«, erwiderte die Königin. »Es ist ungehörig von mir, uneingeladen herzukommen.«

Tanefert war dermaßen verblüfft, dass sie nickte. In aller Ruhe nahmen die beiden Frauen einander in Augenschein.

»Geht bitte durch in den Empfangsraum. Ich werde Erfrischungen bringen«, sagte Tanefert.

Wir nahmen auf den Bänken Platz, und peinliches Schweigen machte sich breit. Anchesenamun ließ ihren Blick durch den einfachen Raum schweifen.

»Ich habe dir nie gedankt für all das, was du für mich getan hast«, sagte sie. »Ich weiß, dass du für deine Treue einen hohen Preis zahlen musstest. Am Ende war er viel zu hoch. Vielleicht bist du bereit, das hier als eine Art Entschädigung anzunehmen, so unzulänglich sie auch ist.«

Sie reichte mir einen Lederbeutel. Ich öffnete ihn und zog eine goldene Ehrenkette heraus. Es war ein wunderschönes und kostbares Stück von erstklassiger Qualität und Fertigung, und von dem, was es wert war, konnte ich meine Familie jahrelang ernähren. Ich nickte und ließ sie zurück in den Beutel gleiten, empfand nichts von dem, was ich eigentlich angesichts der Tatsache, dass man mir eine derartige Kostbarkeit schenkte, hätte empfinden müssen.

»Vielen Dank.«

Es folgte Schweigen. Aus der Küche konnte ich hören, wie Tanefert das Tablett vorbereitete.

»Das Geschenk ist nur ein Vorwand. Die Wahrheit ist, dass ich dich jeden Tag sehen wollte, mich aber gezwungen habe, nicht nach dir zu schicken. Ich konnte mich nicht dazu überwinden«, behauptete sie. »Mir wurde bewusst, wie sehr ich mich daran gewöhnt hatte, mich auf dich zu verlassen.«

»Und trotzdem seid Ihr jetzt hier«, erwiderte ich, vielleicht etwas zu harsch.

»Ja. Jetzt bin ich hier. Ich habe mir oft vorgestellt, wie du lebst, wie dein Haus aussieht und deine Familie. Ich würde sie gern kennenlernen. Wäre das möglich?«

Die Mädchen bekamen immer sofort mit, wenn wir Besucher hatten, und waren jedes Mal darauf aus, sie persönlich kennenzulernen. Ich hörte, dass sie sich bereits in der Küche versammelt hatten und in eindringlichem Ton auf ihre Mutter einredeten, sie sicher bedrängten, um herauszufinden, wer die fremde Frau war. Ich holte sie ins Zimmer. Und es ist ihnen zugutezuhalten, dass sie zwar einen Moment große Augen machten, dann aber auf die Knie sanken und sich perfekt verneigten.

Anchesenamun dankte ihnen und bat sie, sich zu erheben und sich vorzustellen. Dann kam mein Vater herein. Er war dermaßen verwundert über diesen außerordentlichen Gast, dass er mit der Unbeholfenheit eines alten Elefanten auf seine schmerzenden Knie sank. Tanefert gesellte sich ebenfalls zu uns und trug Amenmose auf dem Arm.

Er war müde und rieb sich die Augen.

»Darf ich ihn mal halten?«, fragte Anchesenamun.

Meine Frau reichte ihr das Kind, und die Königin der Beiden Länder nahm ihn vorsichtig auf ihren Schoß und blickte mit sanfter Miene in seine Augen, die zweifelnd zu ihr emporblickten. Sie lachte über seinen skeptischen Gesichtsausdruck.

»Er weiß nicht so recht, was er von mir halten soll«, sagte sie.

Doch genau in diesem Moment reagierte der Junge auf ihr Lachen, erwiderte es mit einem breiten Grinsen, und ihre Züge hellten sich auf und spiegelten das Entzücken, das sie in diesem Augenblick empfand.

»Kinder sind ein großes Geschenk«, sagte sie leise und hielt ihn noch eine ganze Weile, bis sie ihn widerwillig seiner Mutter zurückgab.

Ich redete den Mädchen gut zu, uns allein zu lassen, und sie taten es, indem sie sich daran ergötzten, sich immer und immer wieder zu verbeugen und zeitgleich rückwärts aus dem Zimmer zu laufen, sodass sie schließlich vor lauter Begeisterung ineinanderprallten. Dann waren wir wieder unter uns.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr nur hergekommen seid, um mich zu bezahlen und die Bekanntschaft meiner Kinder zu machen.«

»Nein. Ich habe eine Art Einladung für dich. Sie ist zugleich aber auch ein Appell.«

»Und um was handelt es sich dabei?«

Sie atmete tief durch und seufzte.

»Die Tage der Reinigung sind beendet. Es ist an der Zeit, den König zu bestatten. Nur habe ich ein Problem.«

»Haremhab?«

Sie nickte.

»Ich muss mich dringend entscheiden, welche Richtung ich einschlagen will. Ich habe ihn vorsichtig an einer langen Leine gehalten und glaube, dass er sich ziemlich sicher ist, dass ich seinen Heiratsantrag annehmen werde. Und Eje glaubt, dass ich einsehen werde, wie klug und weise sein Vorschlag ist.«

»In dem Moment, in dem Ihr Eure Entscheidung bekanntgebt, wird es also gefährlich werden«, sagte ich.

»Jawohl. Und ich muss es tun, sobald der König bestattet wurde. Also bin ich zu dem Schluss gelangt, dass ich sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt beide brauche, wenn ich die Doppelkrone für mich beanspruchen und meine Dynastie fortführen will. Eje hat sich erboten, mich in meiner Rolle als Königin zu unterstützen, vorausgesetzt, er behält weiterhin die Kontrolle über die Ministerien und politischen Entscheidungen. Ich würde hinnehmen müssen, dass er den Thron besteigt und König wird –«

Sie sah meinen bestürzten Gesichtsausdruck, sprach aber weiter. »Zum Ausgleich behalte ich aber meinen Rang, bewahre mir meine Unabhängigkeit und baue mir innerhalb der Regierungsstellen eigene Kontakte und Beziehungen auf. Durch mich bekommt seine Macht die Legitimität, die er braucht. Eje ist alt und hat keine Kinder, seine Regierungszeit als König dürfte nur noch wenige Jahre dauern. Danach wird er alle Macht und allen Einfluss mir übertragen und kann in Ruhe sterben. So haben wir es miteinander abgesprochen. Habe ich damit den für mich günstigsten Weg gewählt?«

»Und Haremhab?«

»Das ist schwieriger. Trotz des Abscheus, den ich für ihn empfinde, muss ich jede Möglichkeit in Betracht ziehen, jede Option, die sich mir bietet. Ihm steht eine gewaltige Streitmacht zur Seite. Insgesamt unterstehen mehr als dreißigtausend Soldaten seinem Befehl. Seine Generation sind alles andere Männer, und die neue Armee bietet ihnen eine Aussicht auf Macht und Erfolg, die sie ansonsten nicht hätten. Stell dir vor, was die anrichten könnten! Wenn er den Thron bestiege, hätte das jedoch einen direkten Konflikt mit Eje und den Ministerien zur Folge, und ich glaube, das würde die Beiden Länder ebenso destabilisieren wie ein Bürgerkrieg. Die zwei Männer sind sich dessen bewusst, und sie erkennen beide, dass das keinem von ihnen einen klaren Vorteil verschafft. Ein Bürgerkrieg käme zu diesem Zeitpunkt niemandem zugute. Außerdem ist das Gros von Haremhabs Divisionen nach wie vor weit weg und kämpft in den Hethiter-Kriegen; selbst wenn man dort einen Waffenstillstand aushandeln könnte, würden bis zu ihrer Rückkehr Monate vergehen, und das würde als massive Niederlage des Generals gewertet. Trotzdem ist er sehr gefährlich.