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Dank dir habe ich die Informationen über den Schlafmohnhandel und könnte sie verwenden, um seinen Ruf im Hinblick auf sein vermeintlich unantastbares Ethos und seine Moral zu schädigen. Nur wird das Ganze sehr schwer zu beweisen sein, und ich halte es für nahezu unmöglich, ihn als den Drahtzieher dieses Handels zu überführen. Außerdem bin ich zu dem Schluss gelangt, dass sich eine derartige Kontroverse zu diesem Zeitpunkt, da alles für eine neue Einheit getan werden muss, allzu schädlich auswirken könnte. Also muss ich ihn weiterhin wie einen Löwen im Käfig in Schach halten, und das auf eine Weise, die sicherstellt, dass die Armee mehr oder weniger freiwillig mit uns kollaboriert. Und um das zu erreichen, muss ich ihn in der wirklichen Welt der Männer und ihres Ehrgeizes mit etwas locken, was er haben will. Also werde ich ihm die Aussicht auf eine Heirat bieten, allerdings unter der Bedingung, dass wir warten, bis Eje tot ist. Und wenn das Glück mir hold ist, bietet sich mir vorher ja vielleicht eine bessere Alternative, denn die Wahrheit ist, dass ich niemals mit diesem Mann das Bett würde teilen können. Er hat das Herz einer Ratte.«

Eine Weile saßen wir schweigend da.

»Ihr habt gesagt, Ihr habt eine Bitte«, erinnerte ich sie schließlich.

»Ich habe gesagt, dass es sich dabei um einen ›Appell‹ handelt und um eine Einladung«, berichtigte sie mich.

»Was ist es?«

Nervös stockte sie.

»Wirst du mich zum Begräbnis des Königs begleiten? Es soll morgen Nacht stattfinden.«

52

So kam es, dass ich den Beisetzungsfeierlichkeiten beiwohnte, um Tutanchamun, dem einstigen Herrn der Beiden Länder und Lebenden Abbild des Amun, das letzte Geleit zu geben, worum er selbst mich in den letzten Stunden seines Lebens gebeten hatte. Eingewickelt in weißes Leinen lag der Leichnam im Innersten der Särge in seinem Schlafgemach im Palast. Er sah sauber und ordentlich aus, wie eine große, gut gearbeitete Puppe, die man mit Goldfäden umwickelt und mit Amuletten geschmückt hatte.

Wie es sich gehörte, legte Anchesenamun einen Kranz aus frischen blauen, weißen und grünen Blumen um seinen Hals. Er trug auch einen goldenen Halsschmuck mit einem Geier, darunter ein Pektorale mit einem Skarabäus, und auf seiner Brust einen goldenen Falken. Seine Arme waren gekreuzt, und Hände aus Gold hielten die königlichen Insignien Krummstab und Geißel. Ich musste daran denken, dass ich der letzte Mensch gewesen war, der die echte Hand des Königs gehalten hatte, als das Leben ihn verließ. Den Kopf des Leichnams schmückte ein Gegenstand, der von unfassbarer Schönheit war: eine Totenmaske, die ein ungemein fähiger Handwerker aus purem Gold gefertigt hatte, damit sie das stolze Antlitz des Gottes Osiris schauen konnte. Der Künstler hatte aber auch die Augen des Tutanchamun akkurat dargestellt, den gescheiten, wachen, brillanten Blick unter den dunkel geschwungenen Brauen aus Lapislazuli. Sie waren aus Quartz und Obsidian und blickten voller Zuversicht in die Ewigkeit. Auf seiner Stirn erhoben sich schützend der Geier und die Kobra. Ich konnte mir vorstellen, dass das hier das Gesicht war, mit dem er den Göttern gegenüberzutreten gewünscht hätte.

Feierlich zogen wir in einer Prozession durch den Palast. Man gestattete mir, gleich hinter Anchesenamun zu gehen und neben Simut, der erfreut war, mich zu sehen, und mir zunickte. Eje schritt neben der Königin. Er lutschte auf einer seiner Pastillen aus Gewürznelke und Zimt herum, deren Geruch gelegentlich in meine Richtung wehte. Er hatte also wieder mal Zahnschmerzen. Es war schwer, Mitleid mit ihm zu empfinden. Als wir durch das Westtor nach draußen traten, schlug uns die kühle Nachtluft entgegen, und die Sterne schimmerten hell in den Tiefen des ewigen Ozeans der Nacht. Die Mumie lag in ihrem offenen Sarg auf einem vergoldeten Katafalk, der von einem Kobra-Fries beschützt wurde und mit Girlanden dekoriert war; die übrigen Särge, die man ineinandergestellt hatte, folgten auf einem weiteren Gestell, das wegen seines gewaltigen Gewichts von Ochsen gezogen wurde. Zwölf hohe Beamte, darunter auch Khay und Pentu, trugen weiße Gewänder und weiße Trauerbinden um die Stirn. Auf ein Signal hin stießen sie im Chor einen Ruf aus und zogen dann an den Seilen, um den ersten, leichten Katafalk auf seinen Rollen über die Steine des Prozessionsweges zu ziehen.

Wir nahmen die Hauptstraße, zunächst in westlicher, dann in nördlicher Richtung. In der Ferne zeichneten sich die Umrisse flacher Gebäude vor den im Mondlicht silbern glänzenden Felsen ab: der Totentempel der Hatschepsut. Es war eine anstrengende Prozession, die nur langsam vorankam. An den strategisch wichtigen Stellen der Route hatte Simut Wachposten aufgestellt, die mit Pfeil und Bogen bewaffnet waren. Still ruhte das Land unter den wachsamen Augen des Mondes. Die Nacht warf seltsame Schatten. Irgendwann erreichten wir den Rand des Tals der Könige und liefen in westlicher Richtung weiter, bogen dann nach links ab, kurz darauf wieder nach links und bewegten uns somit in den östlichen, den geheimsten Teil der Nekropole und zwischen den riesigen Schutzwällen aus abgetragenem Fels auf den Eingang der Grabkammer zu.

Als wir endlich dort anlangten, sah ich, dass man bereits Unmengen Gegenstände entladen und mit weißen Leinentüchern abgedeckt hatte – als ziehe ein gewaltiger Haushalt in einen anderen Palast um. Das mussten die Grabbeigaben sein, mit denen man die Gruft möblieren und dekorieren würde, sobald die Rituale vollzogen und die Särge geschlossen waren und man den Sarkophag versiegelt hatte.

Lampen erleuchteten die sechzehn in den Fels geschlagenen Stufen, die hinunter in die Grabkammer führten. Während die anderen alle darauf warteten, dass mit den Ritualen begonnen wurde, stieg ich hinab. Der Anblick, der sich mir im Schein der Lampen bot, war schockierend: Der Eingang zur Grabkammer war noch nicht fertiggestellt, im Gang schien für die Zeremonie noch nicht einmal richtig aufgeräumt worden zu sein. Auf den Stufen standen immer noch Krüge mit Binden und Natron und Wasserschalen der Arbeiter, die man nur hastig zur Seite geschoben hatte. Ich trat durch die in den Fels geschlagene Türöffnung in die Vorkammer.

Auch hier waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Auf dem abschüssigen Fußboden und den nach wie vor unverputzten Wänden waren die roten Markierungen und Linien der Steinmetze zu sehen. Man hatte den Boden noch nicht gefegt, überall lagen Splitter und Bröckchen des Sandsteins. Hie und da glitzerte Gold an den Wänden, und zwar an den Stellen, an denen die Arbeiter beim Transport des königlichen Mobiliars in der Eile mit ihrer Last entlanggeschrammt waren. Die Luft roch verbrannt – nach Kerzenwachs, Ölen, Weihrauch, Binse –, ja selbst die nur grob behauenen Felsen der Wände und der niedrigen Decke schienen vom beißenden Geruch der vielen Meißel durchdrungen zu sein, die sich hier Schlag für Schlag, Stück für Stück durch den Fels gearbeitet hatten.

Ich wendete mich nach rechts und betrat die Sargkammer. Die Wände waren geschmückt, allerdings nur schlicht und unaufdringlich. Für etwas Prachtvolleres und Eleganteres hatte offenbar die Zeit nicht gereicht. Die vielen massiven Einzelteile der insgesamt vier goldenen Schreine hatte man gegen die Wände gelehnt, wo sie darauf warteten, in der dunklen Enge zusammengebaut zu werden, sobald die Särge im Sarkophag verstaut waren. Jedes dieser Teile war aus herrlich vergoldetem Holz gefertigt und auf der nicht vergoldeten Innenseite mit Anweisungen beschriftet, die besagten, welche Außenseite an welche andere Außenseite angrenzte, und so weiter. Den größten Platz nahm bereits jetzt ein riesiger gelber Steinsarkophag in Anspruch. Seine Ecken waren mit aufwendig gearbeiteten Steingravuren dekoriert, die detaillierte Darstellungen der einander überlappenden Flügel der Götter zeigten.