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»Sobald wir merkten, daß es Ärger gibt, haben wir sie hierher geschafft«, sagte Delagard. »Wir haben uns gedacht, du kannst vielleicht was für sie tun. Und ich meinte, wir lassen sie am besten im Wasser, sie müssen unter Wasser bleiben, also haben wir den Behälter da gefüllt und…«

»Sei still!« sagte Lawler.

»Aber ich will dir doch bloß sagen, daß wir keine Mühe gescheut…«

»Halt den Mund! Bitte, halt einfach die Klappe, ja!?«

Lawler streifte den Seelattich-Sarong ab und kletterte in das Becken. Als er sich neben die Taucher zwängte, schwappte Wasser über den Rand. Leider konnte er nicht viel für sie tun. Der in der Mitte war bereits tot. Lawler legte ihm die Hände auf die muskulösen Schultern und erkannte, daß der Rigor mortis bereits einzusetzen begann. Die anderen zwei waren mehr oder weniger noch lebendig — was die Sache für sie nur um so schlimmer machte, denn sie mußten scheußliche Schmerzen haben, sofern sie überhaupt noch bei Bewußtsein waren. Die im Normalzustand glatten torpedoförmigen Körper von etwas mehr als Mannslänge waren von bizarren Buckeln und Knoten bedeckt, jeder Muskel gegen seinen Widerpart gespannt, die golden schimmernde Haut, sonst glatt und seidig, fühlte sich rauh an, voller kleiner Knötchen. Die bernsteingoldnen Augen blickten trübe. Die vorstrebenden Unterkiefer und Kehlsäcke hingen schlaff. Grauer Schleim bedeckte die Schnauzen. Der linke Taucher stöhnte noch immer unablässig alle halbe Minute, und der Laut klang, als risse er sich entsetzlich irgendwie aus den Tiefen seiner Eingeweide los.

»Kannst du sie wieder hinkriegen, irgendwie?« fragte Delagard. »Kannst du was machen? Irgendwas? Ich weiß, du kannst es, Doc. Du kannst es.« Delagards Stimme klang jetzt drängend und schmeichlerisch, wie er sie nie zuvor gehört hatte. Er war es zwar gewohnt, daß Kranke ihm gottähnliche Kräfte unterstellten und von ihrem Arzt ein Wunder verlangten. Doch weshalb bekümmerte das Schicksal dieser Taucher Delagard dermaßen? Was war hier wirklich im Gange? Ganz gewiß doch empfand Delagard keine Schuldgefühle. Doch nicht Delagard!

Also sagte Lawler kalt: »Ich bin kein Spezialist für Taucher. Ich beherrsche nur die Humanmedizin. Und selbst darin könnte ich es durchaus ertragen, noch eine Menge dazuzulernen.«

»Versuch’s doch. Tu was. Bitte!«

»Der eine ist bereits tot, Delagard. Und Auferweckung von Toten hat nicht zu meiner Ausbildung gehört. Wenn du ein Wunder brauchst, dann hol deinen Priesterfreund Quillan.«

»Jesus-Christus!«

»Genau… Wunder sind seine Spezialität, nicht die meinige.«

»Ogottogott!«

Lawler tastete aufmerksam am Hals der Taucher nach Pulsschlägen. Bei beiden schlug das Herz noch, gewissermaßen, langsam und unregelmäßig. Bedeutete das, sie lagen im Sterben? Er wußte es nicht. Verdammt, was war bei einem Taucher ein Normalpuls? Woher sollte er so was wissen? Die einzige Chance, dachte er dann, wäre wohl, die zwei noch lebenden Taucher ins Meer zurückzuschaffen, sie in die frühere Tiefe zu bringen und sie dann wieder heraufzuholen, ganz langsam, damit sie unterwegs den überschüssigen Stickstoff abbauen könnten. Aber es gab keine Möglichkeit, das zu tun. Und außerdem war es wohl sowieso bereits zu spät.

In seiner Bedrängnis strich er ziellos und in einer beinahe mystischen Weise mit den Händen über die verkrümmten Leiber, als könnte er nur durch die Berührung die Stickstoffbläschen austreiben. »Wie tief waren sie drunten?« fragte er, ohne aufzublicken.

»Das wissen wir nicht genau. Vierhundert Meter vielleicht. Vielleicht auch vier-fünfzig. Der Grund war an der Stelle uneben, und die See umtriebig, also haben wir nicht genau mitgekriegt, wieviel Leine wir runtergegeben haben.«

Glatt runter bis auf den Meeresboden. Der pure Wahnsinn!

»Wonach habt ihr da gesucht?«

»Manganknollen«, sagte Delagard. »Außerdem war da drunten angeblich auch noch Molybdän und vielleicht einiges Antimon. Wir haben mit dem Scoop ein ganzes Mineralienkabinett raufgeholt.«

»Dann hättest du eben den Löffel nehmen müssen«, sagte Lawler zornig, »um dein Mangan raufzuholen. Nicht die armen Kerle da!«

Er spürte, wie Wellen den Leib des rechten Tauchers überliefen und wie er konvulsiv zuckte und ihm unter den Händen starb. Der dritte wand sich noch immer, stöhnte noch immer.

Eine eiskalte giftige Wut packte ihn, genährt ebenso stark von Verachtung wie von Zorn. Das hier war Mord… und hirnloser, abgrunddummer Mord überdies. Taucher waren intelligente Tiere — nicht so intelligent wie die Gillies, aber gescheit genug und zweifellos klüger als Hunde, klüger als Pferde, klüger als irgendeines der übrigen Tiere der Alten Erde, von denen Lawler in den Tagen gelesen hatte, als er noch Geschichten las. Die Meere auf Hydros waren voll von Geschöpfen, die man als intelligent ansehen mußte, und das war eine der bestürzenden Erkenntnisse über diese Welt, daß sie nicht nur die Evolution einer einzelnen intelligenten Art erlebt hatte, sondern anscheinend Dutzende von ihnen. Die Taucher besaßen eine Sprache, sie hatten Individualnamen und eine Art Stammesstruktur. Im Gegensatz zu fast allen übrigen intelligenten Spezies auf Hydros allerdings hatten sie leider eine fatale Schwäche: Sie waren gelehrig und Menschen gegenüber sogar freundliche, fröhliche, liebenswürdige Gefährten im Wasser. Sie ließen sich zu Gefälligkeiten verleiten. Und man konnte sie sogar arbeiten lassen…

Bis sie dabei krepierten…

Lawler massierte verzweifelt weiter den Körper des Tauchers, der noch lebte. Er hoffte immer noch — wider besseres Wissen —, es könne ihm gelingen, auf diese Weise den Stickstoff aus dem Körpergewebe zu vertreiben. Für einen kurzen Moment wurden die Augen des Tauchers klar, und er stieß fünf, sechs Worte der kehlig-bellenden Tauchersprache aus. Lawler verstand sie nicht, die se Sprache, doch die Wortinhalte waren nur allzu leicht zu errate: Schmerz, Bekümmerung, Sorge, Deprivation, Verzweiflung, Schmerz. Dann wurden die Bernsteinaugen wieder trübe, und der Taucher verstummte.

Während er sich abmühte, sagte Lawler laut: »Taucher sind an das Leben in großen Meerestiefen angepaßt. Überläßt man sie ihrer körpereigenen Steuerung, sind sie sehr wohl intelligent genug und wissen, wie schnell sie bestenfalls durch die Druckzonen aufsteigen dürfen, damit der Gasaustausch im Körper reibungslos abläuft. Das ›weiß‹ jedes im Meer lebende Geschöpf, und sei es noch so sub- intelligent… ein Schwamm wüßte das, von einem Taucher gar nicht zu reden. Also, wie konnte das passieren, daß diese drei Exemplare dermaßen schnell nach oben kamen?«

»Sie haben sich im Schlepp verfangen«, antwortete Delagard kläglich. »Sie steckten im Netz, und wir haben es nicht bemerkt, bis der Fang aus dem Wasser kam. Gibt es irgendeine Möglichkeit, Doc, irgendeine, wie du sie retten kannst?«

»Der andere da drüben ist auch bereits tot. Und der da hat vielleicht noch fünf Minuten. Das einzige, was ich für ihn tun könnte, wäre, ihm das Genick zu brechen und ihn von seinen Qualen zu erlösen.«

»Oh, Jesus!«

»Genau. Jesus. Was für eine Scheiße!«

Es dauerte nur kurz, ein kurzes Schnappen. Danach stand Lawler eine kleine Weile mit gekrümmten Schultern da, stieß heftig die Luft aus und verspürte selbst so etwas wie Befreiung, als der Taucher tot war. Dann kletterte er aus dem Bassin, schüttelte die Tropfen ab und wickelte sich wieder den Wasserlattich-Sarong um die Hüften. Wonach er sich jetzt sehnte, was er jetzt dringend brauchte, war eine deftige Dosis seiner Betäubungstinktur, diese rosenfarbenen Tropfen, die ihm Frieden spendeten. Einigermaßen. Und ein Bad — nachdem er mit diesen sterbenden Tieren in dem Tank da gesteckt hatte. Aber leider hatte er sein Badewasserquantum für diese Woche bereits verbraucht. Er würde sich also damit begnügen müssen, in der Lagune zu schwimmen, später am Tag. Aber er hatte den Verdacht, daß nach den Erfahrungen dieses Morgens wohl etwas mehr nötig sein werde als ein Bad, bis er sich wieder sauber fühlte.