Выбрать главу

»Was ist dein eigener Entschluß? Um Himmels willen, wovon redest du denn?«

»Vom ›Antlitz‹.«

»Was?«

»Geh mit mir rüber, Val.«

Und das traf, als hätte Kinverson ihn tatsächlich harpuniert.

»Himmel!« Er wich ein paar Schritte vor ihr zurück. »Himmel, Sundira! Was redest du denn?«

»Daß wir gehen sollten.«

Er starrte sie an und hatte das Gefühl, als werde er mehr und mehr zu Stein.

»Es ist falsch, wenn du versuchst, dich dagegen zu wehren«, sagte sie. »Wir hätten es gleich zulassen sollen, uns dem ausliefern sollen, wie alle die anderen. Sie hatten es begriffen. Und wir waren blind.«

»Sundira?«

»Ich hab es gesehen und erkannt, Val. Alles in einem Nu, einem blitzhaften Augenblick. Während du mich vor Gabe zu schützen versucht hast. Wie töricht es doch ist, wenn wir uns mühen, unser kleines individuelles Selbst zu bewahren, all die kleinen Ängste und Eifersüchteleien und erbärmlichen Tricks und Spielchen. Wieviel besser wäre es, das alles einfach abzuwerfen und in die große Harmonie überzugehen, die hier herrscht. Zu den anderen gehören. Dazugehören. Zu Hydros gehören.«

»Nein! Nein!«

»Hier ist unsere einmalige Chance, die ganze Last, die uns so bedrückt, von uns abzuschütteln.«

»Ich kann einfach nicht glauben, daß du so was sagst, Sundira!«

»Aber ich sage es. Ich!«

»Er hat dich hypnotisiert, ja? Er hat dich mit irgendeinem Zauber verhext. Das Ding da drüben hat es getan.«

»Nein«, sagte sie und lächelte. Und dann streckte sie ihm die Hände entgegen. »Du hast mir einmal gesagt, du hast dich auf Hydros nie richtig heimisch gefühlt, obwohl du hier geboren bist. Weißt du noch, Val?«

»Also…«

»Erinnerst du dich noch? Du hast gesagt, Taucher und Speisefisch könnten sich hier zuhause fühlen, aber nicht du, und du hättest es auch nie getan… Du erinnerst dich. Ich seh doch, daß du es tust. Also: Hier bietet sich dir jetzt die Chance, endlich eine Heimat für dich zu finden. Teil des Planeten Hydros zu werden. Die alte ERDE gibt es nicht mehr. Wir sind jetzt Hydraner, und Hydraner gehören nun eben der Insel. Du hast dich lange genug dagegen gesträubt. Ich auch. Aber ich, ich gebe auf. Jetzt. Denn auf einmal sieht das alles ganz anders aus für mich. Willst du mit mir gehen?«

»Nein! Denn es ist Wahnsinn, Sundira. Ich werde dich vielmehr jetzt unter Deck bringen und dich drunten festbinden, bis du wieder zur Vernunft kommst.«

»Rühr mich nicht an«, sagte sie sehr leise. »Ich sag es dir, Val, versuch nicht, mich zu berühren.« Sie ließ die Augen seitwärts zu der Harpunenbatterie gleiten.

»Schön. Ich hab dich verstanden.«

»Ich werde gehen. Was ist mit dir?«

»Du weißt doch meine Antwort.«

»Du hast versprochen, wir würden gemeinsam gehen oder überhaupt nicht.«

»Dann eben überhaupt nicht, so war unsere Abmachung.«

»Aber ich will gehen, Val. Wirklich.«

Plötzlich schoß in ihm kalte Wut hoch und ließ seinen Kampfesmut erstarren. Mit diesem letzten, endgültigen Verrat hatte er nicht gerechnet. Also sagte er bitter: »Na, dann geh doch, wenn du das wirklich so meinst.«

»Und du kommst mit mir?«

»Nein. Nein. NEIN!«

»Du hast es versprochen!«

»Dann nehme ich hiermit mein Versprechen zurück«, sagte Lawler. »Ich hatte niemals vor, so was zu tun. Wenn ich dir tatsächlich versprochen haben sollte, ich würde mit dir gehen, wenn du gehst, dann habe ich dich eben belogen. Ich werde nie da rübergehen!«

»Das tut mir leid, Val.«

»Mir auch.«

Und wieder verspürte er den Drang, sie zu packen, sie unter Deck zu zerren und in seiner Kabine festzubinden, bis das Schiff in sicherer Entfernung draußen auf See war. Doch er wußte, daß er so etwas niemals würde tun können. Er konnte überhaupt nic hts tun. Gar nichts.

»Also, geh schon«, sagte er. »Hör auf, davon zu reden, und tu es endlich. Mein Gott, das Ganze ist ja zum Kotzen!«

»Komm mit mir«, bat sie noch einmal. »Es geht ganz rasch.«

»Niemals!«

»Also gut, Val«, sagte sie traurig. »Du weißt doch, ich liebe dich. Vergiß das nie. Ich bitte dich aus Liebe, und wenn du trotzdem nicht willst, nun, ich werde dich auch danach noch immer lieben. Und ich hoffe, daß auch du mich weiter liebst.«

»Wie könnte ich das?«

»Also, adieu, Val! Aber wir werden uns dann wiedersehen.«

Und Lawler schaute ungläubig zu, als sie die Leiter des Krandecks hinabstieg und übers Hauptdeck an die Reling ging, hinaufstieg und mit einem Sprung ins Wasser tauchte. Dann schwamm sie schnell und mit kräftigen Schlägen durch das dunkle Naß der Küste zu. Er sah ihr nach, wie er es schon einmal getan hatte — vor einer Million von Jahren, als sie durch die Sorve-Bucht geschwommen war. Dann aber wandte er sich ab, er wollte einfach nicht mehr zusehen, als sie noch nicht einmal die halbe Distanz zum Ufer durchschwömmen hatte. Er taumelte unter Deck und in seine Kabine, und dort verriegelte er die Tür hinter sich und saß zusammengekrümmt auf seinem Lager, während die Finsternis immer tiefer wurde. Jetzt wäre der rechte Augenblick gewesen für ein Tröpfchen Taubkraut-Elixier, für eine Kumme voll, für einen ganzen Zuber voll… und runter damit in einem einzigen gewaltigen Zug. Dann wären alle Qual und Schmerzen fortgespült! Aber leider war ja nichts mehr davon übrig. Also blieb ihm nichts, als still dazuhocken und zu warten, wie die Zeit verging. Und sie verging langsam, es schienen Stunden zu sein, Jahre. Dann hörte er droben Delagards Stimme auf Deck. Er gab den Befehl zum Aufbruch.

* * *

Selten war der Himmel ihm so klar erschienen, oder dieses ›Hydros-Kreuz‹ so leuchtend wie in dieser Nacht. Die Luft war vollkommen reglos, die See ruhig. Wie konnte das Schiff in dieser glasklaren See Fahrt machen, in solch einer vollkommen ruhigen Nacht? Und dennoch fuhr es. Wie von Zauberkräften bewegt, glitt es sanft durch die Dunkelheit. Sie waren bereits seit Stunden unterwegs. Das helle Leuchten der Insel war nach und nach schwächer geworden, bis es nur noch ein dunkles rötliches Glühen über dem Horizont war, und dann noch schwächer geworden, und nun konnte man fast gar nichts mehr davon sehen. Bis zum Morgen würden sie tief im Leeren Meer sein.

* * *

Lawler war allein. Er lag auf einem Haufen Schleppnetze am Heck.

Nie zuvor war er sich in seinem Leben so allein und verlassen vorgekommen.

Die anderen glitten stumm übers Deck, hantierten an den Segeln, den Tauen, den Backstagen, den Spieren und dem ganzen übrigen zur Segelung eines Schiffes nötigen nautischen Kram herum, den er nie so recht begriffen und mittlerweile völlig aus seinem Denken verdrängt hatte. Ihn brauchten sie dabei nicht; und er hatte nicht das geringste Verlangen, irgend etwas mit ihnen zu tun zu haben. Sie waren für ihn Maschinen, Teile einer gewaltigen Großmaschine. Tick-tick-Klack.

Kurz nachdem sie aufgebrochen waren, hatte sich Sundira zu ihm gesellt. »Es ist alles in Ordnung«, hatte sie gesagt. »Nichts hat sich geändert.«

Aber ihn überlief ein Schauder, und er wandte sich von ihr ab. Er brachte es nicht über sich, sie anzusehen.

»Du irrst dich«, erwiderte er. »Alles ist anders. Du bist jetzt ein Teil der Maschine. Und du möchtest, daß auch ich da mitspiele wie du. Es macht ›klick‹, und du tanzt dazu.«

»Aber so ist es doch überhaupt nicht, Val. Du selber würdest doch die Maschine sein. Und das, was da ›klick‹ macht, ebenfalls. Und du wärst der Tanz…«

»Das verstehe ich nicht.«

»Selbstverständlich nicht. Wie könntest du das auch?« Sie langte zärtlich nach ihm, und er schreckte zurück, als könnte sie ihn durch ihre Berührung verwandeln. Sie sah ihn bedauernd an. »Na gut«, sagte sie leise. »Wie du willst.«