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»Glaubst du allen Ernstes, daß da irgendwas noch funktionieren wird?«

»Schhhh! So was will ich von dir nicht hören.«

Ein Halbdutzend Gillies (alles Männchen, vermutete Lawler) kam ihnen von der Dorfmitte her entgegen. Als sie bis auf zehn, zwölf Meter herangerückt waren, hielten sie inne und bildeten gegen die zwei Menschen eine gerade Phalanx.

Delagard hob die Hände zu der Geste, die bedeutete: »Wir kommen in Frieden.« Es war die fundamentale globale Grußformel zwischen Gillies und Menschen. Kein Kommunikationsaustausch begann jemals ohne sie.

Nun hätten eigentlich die Gillies mit ihren gruftigen Wimmerlauten antworten müssen, die besagten: »Wir erkennen euch als Friedfertige und wollen eure Botschaft empfangen.« Aber die Gillies sagten gar nichts. Sie standen nur da und blickten ihnen starr entgegen.

»Ich hab kein gutes Gefühl bei der Geschichte. Du etwa?« sagte Lawler leise.

»Warte. So warte doch!«

Delagard vollzog die Friedensgeste noch einmal. Dann gab er die Handsignale, die bedeuteten: »Wir sind eure Freunde und erweisen euch unseren tiefen Respekt.« Einer der Kiemlinge gab einen Laut von sich, der stark an einen Furz erinnerte.

Mit ihren glitzernden gelben Äuglein, die dicht beisammen an der Basis der kleinen Köpfe lagen, betrachteten die Gillies die zwei Menschen in einer Weise, die zugleich irgendwie eisig und gleichgültig wirkte.

»Laß mich’s mal versuchen«, murmelte Lawler.

Er trat einen Schritt vor. Der Wind stand hinter den Gillies und wehte ihm ihren schweren feuchten Moschusduft entgegen, in den sich der schärfere Gestank des verrottenden Seetangs von den Hütten mischte.

Lawler machte das Friedenszeichen. Es bewirkte keine Reaktion, ebensowenig die Geste »Wir sind Freunde…« Nach einer angemessenen Pause vollzog er die Geste, die signalisierte: »Wir ersuchen um Gehör bei den Herrschern.«

Wieder gab einer der Gillies einen Flatulenzton von sich. Lawler überlegte, ob es wohl dieselbe Person sein könne, die ihn am frühen Morgen so bedrohlich angeschnaubt und angeknurrt hatte, als er sich dem Kraftwerk zu nähern versucht hatte.

Delagard entbot die Zeichen »Bitte-um-Vergebung-für- unwillentliches-Eindringen«. Schweigen; und kalte wachsame Augen blickten sie gleichmütig an.

Lawler versuchte es mit »Wie -dürfen-wir-unseren-Fauxpas- gutmachen?«. Er bekam keine Reaktion darauf.

»Die verdammten Bastarde«, murmelte Delagard. »Am liebsten würde ich ihnen einen Speer in ihre feisten Wänste rammen.«

»Das wissen sie«, sagte Lawler. »Und deswegen wollen sie auch mit dir nicht schachern.«

»Ich verzieh mich. Rede du mit ihnen.«

»Wenn du meinst, der Versuch lohnt sich.«

»Du hast bei ihnen nichts auf dem Kerbholz. Erinnere sie daran, wer du bist. Wer dein Vater war, und was er für sie getan hat.«

»Sonst noch Vorschläge?« fragte Lawler.

»Also, schau mal, ich versuch ja bloß zu helfen. Aber nur zu, mach es, wie immer du denkst. Ich bin auf der Werft. Komm doch auf dem Rückweg vorbei und sag mir, wie es läuft.«

Und er glitt in die Dunkelheit davon.

* * *

Lawler Rückte ein paar Schritte näher auf die sechs Gillies zu und begann die ganze Eröffnungsgestikulation von neuem. Danach identifizierte er sich: Valben Lawler, Arzt, Sohn des Bernat-Lawler- Doktors. Des großen Heilers, an den sie sich gewiß erinnerten, des Mannes, der ihren Nachwuchs von der Geißel der Finnenfäule erlöst hatte.

Die bittere Komik entging ihm nicht: Das waren genau die Eröffnungspassagen der Ansprache, die er sich in der verflossenen halben schlaflosen Nacht im Geiste zurechtgedoktert hatte. Nun bekam er ja doch noch Gelegenheit, seinen Sermon loszuwerden. Unter ganz veränderten Umständen allerdings.

Sie blickten ihn reaktionslos an.

Immerhin, diesmal haben sie nicht gefurzt, dachte er. Er signalisierte: »Uns wird befohlen, die Insel zu verlassen. Trifft dies zu?«

Der Gillie an der linken Flanke gab ein dumpfes Rauschen von sich, das eine Bejahung bedeutete.

»Dies bringt uns große Betrübnis. Gibt es einen Weg, wie wir erreichen könnten, daß diese Anordnung zurückgenommen wird?«

Negativ, kam das Röhren des rechten Gillie.

Lawler starrte sie hoffnungslos an. Der Wind war stärker geworden und trieb ihm ihren schweren Körpergeruch eimerweise ins Gesicht, und er mußte ein Gefühl der Übelkeit unterdrücken. Stets waren ihm die Kiemlinge fremdartig und rätselhaft geblieben, und ein wenig abstoßend. Ihm war klar, daß er sie als Gegebenheit akzeptieren sollte, als eben einen Aspekt der Welt, in der er sein Leben lang lebte, genau wie der Ozean oder der Himmel. Aber trotz aller Vertrautheit — für ihn blieben sie einfach Geschöpfe einer anderen Schöpfung. Sternlinge. Aliens: Die und wir, Menschen und Nicht-Menschen… keine Verwandtschaft. Wie kommt das? überlegte er. Ich bin doch genauso ein Kind dieser Welt wie sie.

Aber er gab nicht auf und bedeutete ihnen: »Es war ein unseliger Unfall, daß die Taucher starben. Es steckte keine böse Absicht dahinter.«

Dröhnen. Pfeifen. Zischen. Das hieß: »Uns interessiert nicht, warum es geschah, sondern daß es überhaupt geschah.«

Hinter den sechs Kiemlingen blinkten fahle grünliche Lichter und beleuchteten die seltsamen Gebilde — Statuen, Maschinen, Götterbilder? — in der freien Mitte der Siedlung, diese merkwürdigen Klumpen und Knollen aus Metallen, die so mühsam aus dem Körnergewebe kleiner Meeresbewohner gewonnen wurden und hier zu willkürlich wirkenden, oxydationszerfressenen Schrotthaufen zusammengestellt waren.

»Delagard verspricht, er wird nie wieder Taucher einsetzen«, erklärte er den Gillies nun demütig, in der Hoffnung auf einen Ansatzpunkt.

Pfeifen. Dröhnen. Gleichgültigkeit.

»Wollt ihr uns denn nicht sagen, wie wir das wieder ins reine bringen können? Wir bedauern, was geschah. Bedauern es zutiefst.«

Keine Reaktion. Kalte gelbe Augen, starr und abweisend.

Das Ganze ist idiotisch, dachte Lawler. Als redete man mit dem Wind.

»Aber verdammt, dies hier ist unsere Heimat!« rief er und begleitete seine Worte mit der entsprechenden Gestik. »Seit eh und je!«

Drei kollernde Töne in absteigender Terz.

»Was? Wir sollen uns eine andere Heimat suchen?« fragte Lawler. »Aber wir lieben diese Insel! Ich bin hier geboren. Wir haben euch noch nie vorher Schaden zugefügt, keiner unter uns. Mein Vater — ihr wißt doch, daß mein Vater… er half euch damals, als…«

Erneut das Flatulenzgeräusch. Es klingt genau so, wie es gemeint ist, dachte er.

Es hatte keinen Sinn, es weiter zu versuchen. Er begriff, daß es völlig nutzlos sein würde. Sie verloren allmählich die Geduld mit ihm. Bald würden sie grollen und schnauben und ihm ihre Verärgerung kundtun. Und dann konnte alles mögliche passieren.

Durch eine Wedelbewegung der Flosse bedeutete ihm einer der Gillies, daß die Konferenz beendet sei. Die Entlassung war unübersehbar.

Lawler machte eine Geste der Enttäuschung und signalisierte Trauer, Beklommenheit, Verdruß.

Darauf reagierte überraschend einer der Kiemlinge mit einer hastigen Rouladenphrasierung, die beinahe so etwas wie Mitgefühl hätte ausdrücken können. Oder war es nur ein Produkt von Lawlers optimistischem Wunschdenken? Er wußte es wirklich nicht. Aber dann trat zu seiner Verblüffung die Kreatur aus der Phalanx heraus, kam mit unerwarteter Geschwindigkeit auf ihn zugewatschelt und streckte ihm die stummeligen Flossenarme entgegen. Er war dermaßen überrascht, daß er sich nicht bewegen konnte. Was war denn das? Der Gillie türmte sich vor ihm auf wie eine Mauer. Jetzt passiert’s, dachte er. Der Angriff. Der beiläufige und tödliche Ausbruch verärgerter Gereiztheit. Und er stand wie angewurzelt da. Ein verzweifeltes Zucken seines Selbsterhaltungstriebes schrie in ihm auf, doch er brachte nicht die Willenskraft auf zu fliehen. Der Gillie faßte ihn an einem Arm, zog ihn näher und umschlang ihn in einer heftigen Umarmung, die ihm fast den Atem raubte. Lawler fühlte, wie die scharfengebogenen Krallen ihm sacht ins Fleisch drangen, aber sie hielten ihn mit merkwürdiger, unbegreiflicher Zartheit. Ihm fielen die roten Male ein, die Delagard ihm gezeigt hatte.