Выбрать главу

»Das klingt vernünftig.« Lawler warf einen Blick auf Delagards prallen Bauch. »Und wir wollen doch nicht hungern, da draußen, wie? Na?« Er warf wieder einen Blick auf die Passagierliste. »Und warum Braun? Und Golghoz?«

»Die können fest zupacken und machen keinen Ärger.«

»Und Martello? Ein Dichter?«

»Der ist nicht bloß Dichter. Der kann auf einem Schiff gut zupacken und kennt sich aus. Und überhaupt, wieso eigentlich keinen Dichter? Die Sache wird doch zweifellos so was wie eine Odyssee. Die Auswanderung einer ganzen Insel. Da haben wir gleich einen, der uns unsere Geschichte niederschreibt.«

»Sehr hübscher Einfall«, sagte Lawler. »Man nimmt sich gleich seinen persönlichen Homer mit auf die Reise, damit die liebe Nachwelt nur ja auch alles richtig über die gewaltige Reise erfährt. Also, das gefällt mir.« Wieder überflog er die Liste. »Ich stelle fest, du hast nur vier Frauen vermerkt, bei zehn Männern.«

Delagard lächelte. »Der sexualspezifische Proporz entzieht sich meiner Kontrolle weitgehend. Wir haben auf dieser Insel sechsunddreißig weibliche Wesen, gegen zweiundvierzig männliche. Aber elf der Damen gehören dieser bescheuerten Schwesternschaft an, das darfst du nicht vergessen. Die schick ich auf einem eigenen Schiff ganz für sich alleine los. Sollen sie doch lernen, wie sie es segeln müssen, wenn sie können. Also haben wir eben nur fünfundzwanzig Frauen und Mädchen, aber fünf Schiffe, die Mütter müssen bei ihren kleinen Kindern bleiben undsoweiter, undsoweiter. Ich hab berechnet, daß wir auf unserem Schiff Platz für vier haben.«

»Darunter vor allem Lis, wie ich begreife. Und wie wählst du die übrigen drei Weiber aus?«

»Braun und Golghoz haben bereits für mich gearbeitet, sie hatten auf den Trips nach Velmise und Salimil angeheuert. Und wenn ich schon Weiber an Bord lasse, dann können das ja ebensogut welche sein, die zupacken können und wissen, was getan werden muß.«

»Und Sundira? Ja, schon gut, sie ist erfahren im Ausbessern von Zubehör. Das scheint vernünftig.«

»Genau«, sagte Delagard. »Und außerdem ist sie auch noch Kinversons Partnerin, klar? Wenn sie uns nützlich ist, und die beiden sind auch noch Partner, wozu sollte man sie trennen?«

»Also, soweit ich weiß, sind sie keineswegs feste Partner.«

»Ach, wirklich? Na, mir sieht es aber ganz danach aus. Ich seh sie fast die ganze Zeit nur zusammen«, sagte Delagard. »Jedenfalls ist das die Besatzung für unser Schiff, Doc. Für den Fall, daß die Flotte sich auf See trennen muß, haben wir da ein paar gute Leute, mit deren Hilfe wir es schaffen können. Und jetzt die Belegschaft für Schiff Nummer Zwei, die Sorve Goddess: Da haben wir Brondo Katzin und sein Weib, die ganzen Thalheims, die Tanaminds…«

»Moment mal!« warf Lawler ein. »Ich bin mit der ersten Liste noch nicht fertig. Über Father Quillan fiel bisher kein Wort. Ist der auch eine nützliche Person? Den hast du doch wohl nur gewählt, nehme ich an, um dich mit Gott gut zu stellen?«

Delagard steckte den Hieb unbeeindruckt weg. Er gab ein dröhnendes ›Hoho‹ von sich. »Ja, da soll mich doch! Nein, daran hab ich überhaupt nicht gedacht. Aber es war gar keine schlechte Idee, nein, ehrlich, sich einen Pfaffen mitzunehmen. Denn wenn da einer droben was ausrichten kann, dann der. Nein, der Grund, weshalb ich den Pastor ausgewählt hab, ist ganz einfach: Er macht mir so großen Spaß. Ich finde, er ist ein enorm interessanter Kerl.«

Natürlich, dachte Lawler.

Es erwies sich stets als ein Fehler, wenn man von Delagard erwartete, daß er in irgendeiner Sache konsequent sei.

* * *

In dieser Nacht stellte sich der andere Traum von der ERDE ein. Der Traum, der weh tat, der Traum, vor dem er sich am liebsten jedesmal versteckt hätte. Es war lange her, seitdem er beide Träume in aufeinanderfolgenden Nächten träumte, und darum war er ganz unvorbereitet, denn er hatte angenommen, der Traum der letzten Nacht werde ihm diesen anderen für ein ige Zeit ersparen. Aber nein. Nein, er konnte ihm nicht entkommen. Die ERDE würde ihn stets und immer verfolgen.

Dort hing sie am Himmel über Sorve: ein wundervoller blaugrüner Ball. Und drehte sich langsam und präsentierte ihre schimmernden Meere, ihre grandiosen gelbbraunen Kontinente. Über die Maßen schön war sie, dieses leuchtende Juwel im Himmel. Er sah die Gebirgsketten über die Rücken der Kontinente ragen wie schartige graue Zähne. Über den Spitzen breitete sich rein und weiß Eisschnee. Und Lawler stand auf dem obersten Kamm des hölzernen Dammes seiner kleinen Insel und ließ sich davon—, hinauftreiben in den Himmel, und er stieg weiter, bis er Hydros verlassen hatte und weit draußen im Weltraum über der blaugrünen Kugel schwebte, die einst die ERDE war, und auf sie niederschaute wie ein Gott. Dann sah er die Städte: Haus um Haus, nicht oben zugespitzt wie ein Vaargh, sondern breit und flach, über unermeßliche Weiten eines neben dem anderen, und dazwischen breite Verkehrswege. Und auf denen bewegten sic h Leute, Tausende, viele Tausende, eilig zu Fuß, und manche fuhren in kleinen Kutschen, die aussahen wie über Land fahrende Boote. Über ihnen in der Luft hingen die geflügelten Geschöpfe, die ›Vögel‹ hießen, wie die Gleiter und die anderen Hadros-Fische, die er kannte und die fähig waren, zu kurzen Flügen über die Wasseroberfläche hinaus in die Luft zu stoßen. Aber hier flogen sie die ganze Zeit in der Luft und schwebten großartig dahin und umkreisten den Planeten unermüdlich in unendlichen, weiten Bögen. Und zwischen den Vögeln waren auch Maschinen, die fliegen konnten. Sie waren aus Metall und glatt und glänzend, mit kurzen Flügeln und langen, tubusförmigen Leibern. Lawler sah sie vom Angesicht der ERDE aufsteigen und mit unglaublicher Geschwindigkeit über weite Entfernungen fliegen, wobei sie die Bewohner der ERDE von Insel zu Insel, von Stadt zu Stadt, von Kontinent zu Kontinent trugen, ein so ausgedehnter Verkehr, daß ihm beim Zusehen die Seele zu taumeln und kreisen begann.

Er schwamm durch Dunkelheit, weit über der leuchtenden blau-grünen Welt, und er beobachtete und wartete, und er wußte, was als nächstes geschehen würde, und fragte sich hoffnungsvoll, ob es vielleicht diesmal nicht geschehen werde.

Aber natürlich geschah es. Wie früher. Wie er es so vielmals durchlebt hatte, mit Schweißausbrüchen aus allen Poren und Muskelkrämpfen vor Schrecken und Angst. Und niemals gab es vorher eine Warnung. Es fing einfach an: Die heiße gelbe Sonne schwoll plötzlich an, wurde noch heller und monströs mißgestaltet — und die gezackte Feuerzunge züngelte durch den Himmel…

Und von den Hügeln und aus den Tälern stiegen die Flammen empor, aus den Wäldern und den Häusern. Die kochenden Meere. Die verbrannten Ebenen. Die schwarzen Aschewolken, die den Himmel verfinsterten. Und das geschwärzte Land, das aufbrach. Die nackten häßlichen Berge, die sich auf den zerstörten Feldern türmten. Der Tod, Tod, Tod…

Stets wünschte er sich, er könne aufwachen, ehe es soweit kam. Doch es gelang ihm nie, und er mußte stets alles bis zum Ende sehen, auch die kochenden Meere, auch die zu Asche verbrannten grünen Wälder.

* * *

Der erste Patient am nächsten Morgen war Sidero Volkin, einer von Delagards Schiffszimmermännern. Er hatte sich einen Feuerwurmdorn in der Wade geholt, während er im seic hten Wasser vom Kiel eines der Boote eine zu dick angewachsene Schicht von Pungmuscheln entfernte. Etwa ein Drittel von Lawlers Patienten kam mit Wunden zu ihm zur Behandlung, die sie sich im harmlosen, seichten Wasser der Bucht zugezogen hatten. Diese seichten und sanften Gewässer wurden nämlich nur allzu häufig von Geschöpfen heimgesucht, die es sich angelegen sein ließen, menschliche Wesen zu stechen, zu beißen, zu zersäbeln, zu speeren, in sie einzudringen oder sie auf andere Weise zu plagen.