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Delagard hatte die Fäuste geballt. Der Mann war wirklich ein Kämpfer.

Henders sagte: »Wenn ich mich recht erinnere, warst schließlich du es, der uns in diese Scheiße überhaupt erst reingebracht hat, Nid. Das kam wohl auch aus deiner Seelengröße und Herzensgüte, ja?«

»Halt mal den Rand, Dann!« sagte Lawler. »Ich muß nachdenken.«

Er warf einen Blick zu der jungen Insel hinüber. Sie waren inzwischen so nahe herangekommen, daß er den gelblichen Schimmer in den Augen der Gillies sehen konnte. Sie schienen ihrer Arbeit nachzugehen, ohne sich im geringsten um die näherziehende Flottille der Menschenschiffe zu kümmern.

Und plötzlich begriff Lawler, daß Delagard recht hatte und daß Henders und Tharp sich irrten. So glücklich er gewesen wäre, wenn die Reise hier und jetzt ein Ende hätte finden können, wußte er doch, daß es eine völlig absurde und nicht in Betracht kommende Idee war, daß sie sich hier niederlassen sollten. Die Insel war winzig, ein bloßer Splitter Holz in der See, der sich kaum über die Wellen erhob. Und selbst wenn die Gillies bereit sein sollten, sie aufzunehmen, war da einfach nicht ausreichend Platz für sie.

Ruhig sagte er also. »Gut also, Nid. Ausnahmsweise gebe ich dir recht. Dieses Inselchen ist nicht der rechte Ort für uns.«

»Fein, fein. Sehr gescheit von dir. Man kann sich doch wahrhaftig immer darauf verlassen, daß du den Standpunkt der Vernunft vertrittst, Doc, wie?« Dann legte Delagard die hohle Hand an den Mund und brüllte zu Pilya in der Takelung hinauf: »Scharf in den Wind! Verschwinden wir von hier!«

»Wir hätten trotzdem abstimmen müssen«, brummte Dag Tharp mürrisch und rieb sich den Arm.

»Das laß mal besser«, sagte Lawler zu ihm. »Das hier ist Delagards persönliche Party. Wir sind bloß seine Gäste.«

3

Vom beginn der folgenden Woche an schlug das Wetter von Grund auf um. Der nordwestliche Kurs Richtung Grayvard führte die Flottille immer mehr aus den tropischen Gewässern und der starken Sonne und den klarblauen Himmeln des immerwährenden Sommers heraus, die in diesen mittleren Breiten vorherrschten. Nun waren sie in gemäßigtere Breiten vorgedrungen, und die See war hier kühl, und dumpfkalte Nebeldünste stiegen von ihr auf, wenn die warmen Winde vom Äquator heraufbliesen. Mittags war der Dunst verschwunden, aber das weite Himmelsgewölbe war oft die ganze Zeit häufig von Flockengewölk oder gar einer trüben lastenden Wolkendecke überzogen. Nur eines blieb unverändert: Es regnete noch immer nicht. Das war schon seit der Abfahrt des kleinen Konvois von Sorve so; und allmählich bot dieses Ausbleiben Anlaß zur Besorgnis.

Die See selbst zeigte hier ebenfalls ein anderes Gesicht. Die vertrauten Gewässer der Heimatsee, ihres Mare Nostrum, lagen nun weit hinter ihnen, und sie berühren die Gelbe See, die durch eine scharfe Demarkationslinie von den blauen Wassern im Osten abgegrenzt war. Ein dicker ekliger Schaumteppich von kotzgelben Mikro-Algen mit rötlichen Streifen darin, die aussahen wie koaguliertes Blut, bedeckte das Wasser bis zum Horizont.

Es war häßliches Zeug, aber fruchtbar. Es wimmelte im Wasser von Leben, und die meisten Lebensformen waren ihnen neu und unbekannt. Gewichtige schwerfällige Fische von Manneslänge, mit breiten Köpfen, stumpfblauen Schuppen und schwarzen, blind wirkenden Augen schnüffelten um die Schiffe herum; sie sahen aus wie treibende Balken. Ab und zu tauchte mit bestürzender Schnelligkeit ein wunderschöner samtiger Seeleopard aus den Tiefen herauf und verschlang eins von diesen Tieren als Ganzes. An einem Nachmittag tauchte aus dem Nichts zwischen dem Flaggschiff und dem Bug von Bamber Cadrells Schiff ein untersetztes röhrenförmiges Ding auf, mindestens zwanzig Meter lang und mit Kiefern wie ein Beil, durchkreuzte wuchtig die Heckwellen des Flaggschiffs, hob sich hoch und schlug wild mit dem Kinn aufs Wasser, und nachdem das Monster weitergezogen war, trieben in den gelben Wogen überall Stücke von den breitköpfigen Blaufischen umher. Und dann tauchten kleinere dieser Beilköpfe herauf und begannen zu fressen. Es gab hier auch reichlich Speisefisch, die in wirbelnden Zügen die Flottille umkreisten, wobei die scharfspitzigen Tentakeln wie Messer ins Wasser fuhren; doch sie hielten sich gemeinerweise immer von Kinversons Treibangeln fern.

Ganze Armeen von Millionen kleiner vielbeiniger Geschöpfe mit glitzernden durchsichtigen Leibern fuhren wie Sensen durch den gelben Meeresschaum und schnitten breite Schneisen, die sich hinter ihnen sogleich wieder schlossen. Gharkid holte ein volles Netz von ihnen hoch — sie zappelten und warfen sich heftig gegen die Maschen, wohl von Panik im freien Tageslicht erfaßt, und versuchten zurück ins Meer zu gelangen — und als dann Dag Tharp (keineswegs in vollem Ernst) vorschlug, man solle doch mal herausfinden, ob sie nicht vielleicht gut schmeckten, dünstete Gharkid prompt eine Portion von dem Zeug in ihrem eignen pissegelben Meerwasser und verzehrte sie mit demonstrativer Ungerührtheit.

»Gar nicht so übel«, sagte er. »Probiert doch mal.« Auch zwei Stunden danach schien er noch immer kregel und gesund zu sein. Also riskierten es auch andere. Darunter Lawler. Sie aßen das Getier mitsamt der Beine ganz und gar. Die kleinen Krustentiere waren knackig, schmeckten leicht süßlich und waren offenbar nahrhaft. Bei niemandem zeigten sich negative Reaktionen. Gharkid verbrachte den Tag an seinem Kran und zog die Beinlinge zu Tausenden in seinem Treibnetz herauf, und an diesem Abend feierten sie ein großes Fest.

Aber andere Lebensformen des Gelben Meeres waren weniger befriedigend. Kriechfähige grüne Quallenfische, die zwar harmlos, aber eklig waren, krochen in großer Zahl irgendwie an Deck, wo sie in wenigen Minuten zu verwesen begannen. Man mußte sie alle wieder über Bord fegen, und das beanspruchte beinahe einen vollen Tag. In einem anderen Teil der See ragten die starren schwarzen Fruchttürme einer Riesenalge morgens sieben, acht Meter über die Wasserfläche und explodierten in der mittäglichen Wärme, wobei sie Tausende kleiner harter Körner gegen die Schiffe schleuderten, daß jedermann Deckung suchen mußte. Auch Hexenfische gab es hier. In Trupps von zehn, zwanzig Stück flogen die wurmählichen Dinger zischend und sausend so hundert Meter weit übers Wasser, und ihre scharfkantigen lederartigen Schwingen flatterten mit einer verzweifelten Zielstrebigkeit, bis sie wieder ins Wasser platschten. Manchmal zogen sie so nahe am Schiff vorbei, daß Lawler die scharfen roten Borstenkämme auf ihrem Rücken erkennen konnte, und dann fuhr er sich mit der Hand an die linke Wange, wo immer noch eine rauhe Stelle an seine persönliche Begegnung mit einem der Tiere gemahnte.

»Wieso fliegen die so?« fragte er Kinverson. »Wollen sie etwas aus der Luft fangen?«

»Nee, ist nicht so, daß was in der Luft ist«, sagte Kinverson. »Ist was im Wasser, das sie fangen will. Die sehen hinter sich ein großes Maul aufklappen und versuchen wegzukommen. Ist ’ne ziemlich brauchbare Art der Flucht. Sonst gehen sie bloß in die Luft, wenn sie sich paaren. Die Weibchen fliegen voraus, und die Männchen kommen hinter ihnen her. Und die Kerle, die am schnellsten und längsten fliegen, kriegen sie dann, die Weiber.«

»Kein schlechtes Auswahlsystem. Sofern man Geschwindigkeit und Ausdauer heranzüchten will.«

»Hoffen wir, daß wir das nicht aktuell miterleben müssen. Die scharfen Biester kommen zu Tausenden rauf. So daß wirklich die ganze Luft voll ist von ihnen. Und sie sind ganz und gar verrückt vor Geilheit.«

Lawler deutete auf die Stelle auf seiner Wange. »Ich kann’s mir vorstellen. Letzte Woche hat mich eins ihrer Kleinen genau hier erwischt.«

»Wie klein?« fragte Kinverson ohne besonderes Interesse.

»So um die fünfzehn Zentimeter.«

»Na, da haste ja Glück gehabt, daß es so klein war. Da draußen treiben sich ’ne Menge wirklich gemeiner Dinger rum.«