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* * *

Dann Henders hatte sich den Unterarm an einer Gaffel aufgerissen, als er Kinverson half, einen zappelnden mannslangen Fisch an Bord zu hieven, und da Lawlers Vorrat an Bandagen danach aufgebraucht war, stieg er in den Frachtraum, um Nachschub zu holen. Er fühlte sich nun immer ein wenig unbehaglich, wenn er dort hinabstieg, seit jener Begegnung mit Kinverson und Sundira; er vermutete, die zwei schlichen sich auch weiterhin dort hinunter, und er wünschte ihnen nicht noch einmal zu begegnen.

Doch Kinverson war gerade auf Deck und eifrig damit beschäftigt, seinen Fang auszunehmen. Lawler tastete im Dunkel mittschiffs eine Weile herum, und als er wieder nach oben steigen wollte, stieß er praktisch mit Sundira Thane zusammen, die in dem schmalen, schlecht beleuchteten Gang direkt auf ihn zukam.

Sie schien ebenso erstaunt wie er, und ihre Verblüffung schien echt zu sein. »Val?« Ihre Augen weiteten sich und sie machte hastig einen ungeschickten Schritt nach rückwärts, ehe sie sich berührten.

Und dann schwankte das Schiff heftig, und sie wurde wieder nach vorn geschleudert und ihm direkt in die Arme.

Es war ganz bestimmt Zufall; nie würde sie zu einem derart plumpen Trick greifen. Lawler stemmte sich gegen die Packkisten, ließ seine geschichteten Bandagenstapel fallen und fing sie auf, als sie gegen ihn taumelte. Er hielt sie fest, bis sie wieder festen Stand hatte. Das Schiff setzte zur Gegenbewegung an, und er hielt Sundira weiter fest, damit sie nicht gegen die andere Wand geschleudert werde. Und dann standen sie beide da, Nase an Nase, Aug in Aug, und lachten.

Und dann richtete das Schiff sich wieder auf, und Lawler merkte erst jetzt, daß er sie noch immer in den Armen hielt — und es genoß.

Soweit war das also her mit seinem angeblichen Asketentum. Ach, zum Teufel. Ja, wirklich, zum Teufel damit! Seine Lippen näherten sich den ihren, oder vielleicht kamen auch ihre auf seinen Mund zu, er war danach nie so ganz sicher, wie es gekommen war. Aber es war ein langer, ein aktiver und durchaus interessanter Kuß. Und danach — obwohl das Schiff nun weit weniger schlingerte — hätte es eigentlich nichts gebracht, sie wieder loszulassen. Seine Hände allerdings gerieten in Bewegung, die eine schweifte zu ihrer Taille und auf den Rücken, die andere glitt tiefer zu ihrem festen muskulösen Hinterteil, und er zog sie noch fester an sich. Oder sie ihn?

Lawler trug nichts als ein gelbes Wickeltuch um die Hüften. Sundira hatte nur ein hüftlanges graues Wickelkleidchen an. Es war ganz leicht, beides abzustreifen. Das Ganze ereignete sich ganz schlicht, ganz glatt und in vorhersehbarer Weise, war aber trotz der Vorhersehbarkeit keineswegs etwa langweilig: Vielmehr hatte es die scharfe unausweichliche Klarheit eines Traumes an sich, und die unbegrenzten geheimnisvollen Versprechungen des Traumes ebenfalls. Träumerisch erforschte Lawler Sundiras Haut. Sie war weich und warm. Träumerisch ließ sie ihre Finger in Lawlers Nacken spielen. Träumend führte er die Hand von ihrem Rücken nach vorn und zwischen ihre fest gegeneinander gepreßten Leiber, durch die Grube zwischen ihren Brüsten, wo er — wie ihm jetzt schien — vor mehreren hundert Jahren mit seinem Stethoskop gelauscht hatte — und tiefer hinab, über den flachen Bauch zwischen die Schenkel. Er berührte sie dort. Sie war feucht. Und dann übernahm sie mehr und mehr die Führung, stieß ihn zurück, nicht unsanft, sondern offenbar nur, um ihn zu einer Stelle zwischen den Kisten zu lenken, wo Platz genug war, daß sie sich hinlegen konnten, oder doch beinahe. Und nach einer Weile begriff er ihre Absicht.

Es war ein ziemlich enger Winkel. Und sie waren beide langbeinige Geschöpfe. Doch irgendwie bekamen sie die Sache in den Griff. Beide sprachen sie nicht dabei. Sundira war voller Leben und aktiv und geschickt, und Lawler war voller Stärke und Eifer. Sie brauchten nicht mehr als einen Augenblick, um ihren Rhythmus zu synchronisieren, dann liefen sie unter vollen Segeln glatt im Wind.

Hinterher lagen sie lachend und keuchend da, die Beine ineinander verschlungen. Lawler fühlte, daß jetzt nicht der rechte Augenblick war, etwas zu sagen, das sentimental oder romantisch klingen könnte. Aber irgend etwas mußte er schließlich sagen. Also brach er schließlich das Schweigen und fragte: »Du bist mir doch nicht hier runter nachgegangen?«

Sie schaute ihn mit einer Mischung von Überraschung und Belustigung an.

»Warum hätte ich das tun sollen?«

»Wie kann ich das wissen?«

»Ich kam her, um Werkzeug zum Tauspleißen zu holen. Ich hatte keine Ahnung, daß du hier unten warst.«

»Aber es tut dir nicht leid, oder?«

»Nein, wieso? Tut es dir leid?«

»Aber ganz und gar nicht.«

»Das ist gut«, sagte sie. »Das hätten wir schon vor langer Zeit machen können, weißt du.«

»Hätten wir das?«

»Aber selbstverständlich. Warum hast du so lange damit gewartet?«

Er schaute sie eindringlich im schwachen rauchigen Schimmer der Tranfunzel an. In den kühlen grauen Augen stand ein amüsiertes Funkeln, doch, ja, es war eindeutig Belustigung, aber kein Spott. Dennoch gewann er den Eindruck, daß sie die Sache viel leichter nehme als er.

»Das gleiche könnte ich auch dich fragen«, sagte er.

»Nun«, sagte sie nach einer kurzen Pause, »ich habe dir aber mehrmals Gelegenheit geboten. Du hast dich höchlichst bemüht, sie nicht zu nutzen.«

»Ich weiß.«

»Weshalb?«

»Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte er. »Außerdem eine ziemlich langweilige. Spielt es eine Rolle?«

»Eigentlich nicht.«

»Das ist gut.«

Sie schwiegen, und er dachte, daß es schön wäre, wenn sie sich noch einmal liebten. Er begann wie beiläufig ihren Arm und ihren Schenkel zu streicheln, entdeckte ein erstes schwaches Beben der Reaktion, doch mit bemerkenswerter Beherrschtheit und Takt beendete sie die Sache, bevor das Ganze soweit vorangeschritten war, daß es kein Halten mehr gab, und machte sich sacht aus Lawlers Umklammerung frei.

»Später«, sagte sie freundlich. »Ich hatte nämlich wirklich einen Grund, warum ich herunterkam.«

Sie stand auf, wickelte sich ihr Kleid wieder um, lächelte ihn fröhlich, aber kühl an, kniff ein Auge zu und verschwand im Lagerteil am Heck.

Lawler war bestürzt über ihre Gelassenheit. Gewiß, er hatte nicht das Recht zu erwarten, daß sie von dem Erlebnis gerade ebenso durcheinander sein sollte, wie er es nach seiner langen selbstauferlegten Periode zölibatärer Enthaltsamkeit zwangsläufig war. Ja, sie hatte es gewollt, gern. Und sie hatte es anscheinend auch wirklich genossen. Und dennoch — war es für sie wirklich nichts weiter gewesen als eine nette zufällige Beiläufigkeit? Es sah beinahe so aus.

* * *

Father Quillan beschloß an einem trübträgen Nachmittag, aus Natim Gharkid einen echten Katholiken zu machen. Jedenfalls erweckte das, was er da mit großer Intensität zu tun schien, diesen Eindruck, als Lawler an ihnen vorüberwanderte und von der Brücke hinabschaute. Der Priester sah verschwitzt aus und von innerem Feuer erfüllt und lieferte dem kleinen braunhäutigen Mann eine wortreiche Glaubenssuada. Gharkid lauschte aufmerksam und ungerührt, wie es seine Art war. »GOTTvater, GOTTsohn und GOTTheiligergeist«, sagte Quillan. »Ein einziger Gott, doch in dreifacher Gestalt.« Gharkid nickte feierlich. Lawler, der unsichtbare Lauscher, mußte bei dem ihm unvertrauten Terminus ›Heiliger Geist‹ blinzeln. Was — beim Himmel — mochte das sein? Doch der Priester war schon weiter vorangeschritten. Jetzt erklärte er etwas, das er die Unbefleckte Empfängnis nannte. Lawler verlor das Interesse und schlenderte davon; doch als er eine Viertelstunde später wieder an seinen alten Platz zurückkam, war der Geistliche noch immer in Fahrt und redete jetzt über Freikauf und Erlösung, Erneuerung, über Essenz und Existenz, über den Begriff der ›Sünde‹ und wie diese in einem Lebewesen sein könne, das nach dem Bilde Gottes erschaffen wurde, und wieso es nötig geworden war, einen Heiland und Heilsbringer in die Welt zu entsenden, der durch seinen Tod alle Sünden und Übel der Menschheit auf sich nehmen sollte. Manches erschien Lawler als nicht ganz so unsinnig, anderes kam ihm wie der wildeste aberwitzigste Quatsch vor, aber nach einer Weile fand er den Unsinn dermaßen überwältigend, daß er Quillans feurige Hingabe an einen so absurden Glauben geradezu als eine Beleidigung empfand. Der Priester war doch viel zu intelligent, dachte Lawler, als daß er mit echter Überzeugung eine derart blödsinnige Annahme von einem Gott vertreten konnte, der eine Welt erschaffen haben sollte, die so mit Makeln behaftet war, daß sie in kürzester Zeit aus dem Ruder lief, um dann einen ›Aspekt seines Selbst‹ auf diese Welt zu entsenden, um diese von ihren eingebauten Schwachstellen zu ›erlösen‹, und zwar indem er sich umbringen ließ. Und es erzürnte Lawler ganz besonders, daß der Priester, nachdem er sich mit seinem Glauben so lange recht zurückgehalten hatte, sich nun ausgerechnet den unglücklichen Gharkid als erstes Opfer seiner Bekehrungswut auserkoren hatte.