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»Ach, ich bin das schon gewohnt, Doc.«

»Schlägt er dich denn oft?«

»Oft genug.«

»Lis, heutzutage schlägt kein Mann mehr eine Frau!«

»Das sag mal dem Nid.«

»Möchtest du das? Ich tu’s.«

Panik flammte in ihren Augen auf. »Nein! Um Himmels willen, kein Wort zu ihm, Doc! Er würde mich totschlagen.«

»Du fürchtest dich wirklich vor ihm, Lis?«

»Du nicht?«

Lawler war verblüfft. »Nein. Wieso sollte ich?«

»Na, vielleicht hast du wirklich keine Angst. Aber du bist eben du. Ich denke, ich bin noch ganz gut davongekommen. Ich hab was gemacht, was ihm nicht recht ist, und das hat er rausgekriegt, und er hat es viel, viel übler aufgenommen, als ich mir das je gedacht hätte. Aber ich hab was draus gelernt. Nid ist ein heftiger Mensch. Gestern nacht — ich hab wirklich geglaubt, er bringt mich um.«

»Nächstesmal ruf mich. Oder schlag gegen die Kabinenwand.«

»Es wird kein nächstesmal geben. Von jetzt an werd ich brav sein. Ich mein es ernst.«

»Dermaßen fürchtest du dich vor ihm?«

»Ich liebe ihn, Doc. Kannst du das glauben? Ich liebe diesen Mistkerl. Und wenn er nicht will, daß ich mit anderen herumvögele, dann tu ich es eben nicht. Er ist mir zu wichtig.«

»Obwohl er dich prügelt?«

»Daran erkenne ich, wie wichtig ich für ihn bin.«

»Aber das kannst du doch nicht im Ernst sagen, Lis.«

»Aber ich tu es. Wirklich.«

Er schüttelte den Kopf. »Himmel! Der Kerl schlägt dich grün und blau, und du sagst mir, das tut er, weil er dich so heiß liebt?«

»Von sowas verstehst du nichts, Doc«, sagte Lis. »Das hast du noch nie begriffen. Nie begreifen können.«

Lawler starrte sie verblüfft an. Er versuchte zu begreifen. In diesem Augenblick war ihm diese Menschenfrau so fremd wie ein Gillie.

»Ja, wahrscheinlich stimmt das«, sagte er.

* * *

Nach dem Sturmwind blieb die See weiterhin eine Zeitlang ruhig. Nie völlig glatt, aber auch nicht bedrohlich. Sie gerieten in einen neuen Gürtel mit dichter Meeresflora, allerdings diesmal weniger dicht, und sie gelangten hindurch, ohne Dr. Nikitins tödlic hes geschlechtsstimulierendes Öl einsetzen zu müssen. Ein wenig später stießen sie erneut auf Driften rätselhafter dichtgepackter gelbgrüner Algen. Die quollen über die See herauf, als das Schiff vorbeifuhr, und stießen aus dunklen schwappenden Blasen, die von kurzen stacheligen Stengeln hingen, trübselig pfeifende Fürze aus: Kehrt-umm, schienen sie zu stöhnen, kehrtummm, kehrtummm. Bestürzende, beunruhigende Laute. Ohne Zweifel, hier war ein unheilvoller Ort. Doch es dauerte nicht lang, da lagen diese seltsamen Algenformationen hinter ihnen, doch die Furzgeräusche waren noch eine halbe Tagesreise lang zu hören.

Am darauffolgenden Tag zeigte sich eine weitere unbekannte Lebensform: eine gigantische, in Kolonien schwimmende Spezies, ein Geschöpf, das in sich selbst eine ganze Population umfaßte, Hunderte, vielleicht Tausende von unterschiedlich spezialisierten Organismen, die von einem einzigen riesigen Schwimmer ausgingen, der fast so groß war wie ein Plattformfisch. Der fleischige, durchsichtige Zentralkörper schimmerte aus dem Wasser zu ihnen herauf wie eine kaum untergetauchte Insel; und beim Näherkommen sahen sie dann die unzähligen Bestandteile des Organismus bei ihren jeweiligen Aufgaben sich bebend, windend und kreisend bewegen — hier ruderten Teile des Organismus, dort bildete ein anderer Schleppnetze für den Fischfang, die kleinen flatternden Organe an den Rändern wirkten als Stabilisatoren für den ganzen mächtigen Organismus bei seiner pompösen Fahrt durch die Wasser.

Als die Schiffe in seine Nähe kamen, stülpte das Geschöpf etliche Dutzend helle röhrenähnliche Gebilde einige Meter hoch in die Luft, die aussahen, als ragten schimmernde Kamine über das Wasser auf.

»Was glaubst du, was das ist?« fragte Father Quillan.

»Sehgeräte?« schlug Lawler vor. »Sowas wie Periskope?«

»Nein! Sieh nur, jetzt kommt aus den Dingern etwas heraus…«

»Vorsicht!« brüllte Kinverson aus der Takelung. »Es schießt auf uns!«

Lawler riß den Priester mit sich auf die Decksplanken, gerade noch rechtzeitig, bevor ein Klumpen einer viskosen rötlichen Substanz vorbeizischte. Der Klumpen fiel mitten aufs Deck, nur zwei drei Meter hinter den beiden. Er sah wie ein großer orangefarbener formloser Kotfladen aus und zitterte. Dampf stieg davon auf. Ein halbes Dutzend weiterer ähnlicher Projektile landeten verstreut anderwärts auf Deck, und weitere kamen nach.

»Verdammt! Verdammt! Verdammt!« brüllte Dela -gard und stapfte wütend umher. »Die Scheiße brennt mir das Deck an! Eimer und Schaufeln! Schnell! Los! Los! Felk! Schaff deinen Arsch da raus, verdammt!«

Wo die Geschosse aufgeschlagen waren, zischten und dampften die Deckplanken, in die sich das Zeug hineinfraß. Felk kämpfte verbissen am Ruder, um das Schiff aus der Schußlinie zu manövrieren. Unter seinem krächzenden Kommando schleppte die Deckswache Taue von Seite zu Seite, wuchtete die Rahen herum und setzte die Segel neu. Lawler, der Priester und Lis Nikiaus eilten auf dem Deck umher und schaufelten die weichen ätzenden Geschosse über Bord. Auf dem gelben Holz der Decksplanken blieben dunkle Brandspuren zurück, wo immer die säurehaltigen Klumpen aufgetroffen waren. Die inzwischen fernergerückte Monadenkolonie schleuderte weiter Geschosse gegen das Schiff — in einer Art blinder hirnloser Feindseligkeit —, die allerdings inzwischen harmlos ins Wasser fielen, wo sie kleine Dampfwölkchen hervorriefen, ehe sie kochend in der Tiefe versanken.

Die Brandnarben auf den Decksplanken waren zu tief, als daß man sie hätte wegschleifen können. Lawler vermutete, sie würden sich von Deck zu Deck und schließlich durch den Schiffsrumpf gebrannt haben, wenn man sie nicht sofort über Deck geschafft hätte.

Am folgenden Morgen erblickte Gharkid steuerbord eine graue Wolke sirrender Leiber in der Luft.

»Hexenfische im Paarungstaumel.«

Delagard gab fluchend Order, den Kurs zu ändern.

»Nein«, erklärte Kinverson, »das wird nichts mehr nützen. Wir haben nicht genug Zeit für ein Manöver. Holt die Segel ein.«

»Was?«

»Holt sie runter, oder sie werden wie Netze die Hexenfische auffangen, wenn der Schwarm gegen uns kommt. Und dann stecken wir bis zum Arsch zwischen denen hier an Deck.«

Delagard fluchte noch heftiger und ließ die Segel einholen. Und kurz darauf trieb die Queen of Hydros mit nackten Masten unter einem harten weißen Himmel dahin. Und dann kamen die Hexenfische.

Die abstoßenden stachelrückigen, geflügelten Würmer breiteten sich in rasender Lust millionenfach genau unter dem Wind vor der Flottille aus. Es war eine See von Hexenfischen, man sah kaum das Wasser unter den peitschenden Leibern. Wie aufschäumende Wogen schossen sie in die Luft — die Weibchen voran, unzählige Weibchen, so daß sie fast die Sonne verdunkelten. Wütend schlugen sie mit ihren leuchtenden kantigen kleinen Flügeln; verbissen reckten sie die stumpfnasigen Köpfe nach oben; und immer näher kamen sie , in ganzen breiten Kohorten kamen sie wie vom Wahnsinn gepeitscht heran. Und die Männchen dicht hinter ihnen.

Es störte sie überhaupt nicht, daß da Schiffe ihren Weg kreuzten. Schiffe waren weiter nichts als eine Ablenkung, eine zufällige Störung für diese Fische in ihrer wütenden sexuellen Glut. Ein Gebirge hätte sie vielleicht abgelenkt. Aber sie folgten ihrem genetisch vorgegebenen Programm, und sie folgten ihm blindlings und ohne Zögern. Und wenn dies bedeutete, daß sie kopfüber gegen die Bordwand der Queen of Hydros prallten, nun denn. Wenn es hieß, daß sie dabei ein paar Meter über Deck flogen und dann gegen den Fuß eines Masts oder gegen die Tür zum Niedergang prallten, auch gut. Es spielte keine Rolle. Dann sollte es eben so sein. Es befand sich nie mand von der Besatzung mehr auf dem Oberdeck, als die fliegende Armada der Hexenfische dort ankam. Lawler hatte ja bereits seine Erfahrung gemacht, was es bedeutete, von einem noch unreifen Exemplar getroffen zu werden. Ein voll ausgewachsenes Tier in der Hitze der Begattungszwänge würde wahrscheinlich zehnmal schneller fliegen als das Jungtier, das ihn getroffen hatte — und ein derartiger Zusammenstoß wäre wohl höchstwahrscheinlich gravierend gewesen. Die streifende Berührung einer dieser Flügelspitzen konnte das Fleisch bis auf den Knochen aufschlitzen. Die scharfen Dornstacheln konnten blutige Wunden hinterlassen.