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»Aber — in die Leere See, Bamber!«

»Richtig. Ich hab dich gut gehört.«

»Aber wir sollten doch nach Grayvard segeln!«

»Auch das ist mir bekannt, Doc.«

»Und für dich ist das ganz in Ordnung, daß wir in die falsche Richtung fahren?«

»Ich nehme an, Delagard weiß schon, was er tut.«

»Du nimmst es an?«

»Es sind seine Schiffe. Ich arbeite nur für ihn. Als wir nach Süden ausscherten, nahm ich an, es gibt im Norden irgendwelchen Ärger, vielleicht einen Sturm, irgendwas Übles, das er vermeiden möchte. Er besitzt sämtliche brauchbaren Seekarten, Doc. Wir folgen einfach seiner Führung.«

»Mitten in die Leere See hinein?«

»Delagard ist nicht verrückt«, sagte Cadrell. »Über kurz oder lang werden wir wieder nordwärts abdrehen. Daran zweifle ich gar nicht.«

»Und der Gedanke, ihn zu fragen, was der plötzliche Kurswechsel soll, der ist dir nie gekommen?«

»Ich sag dir doch, ich nehme an, das hatte einen guten Grund. Ich nehme an, er weiß schon, was er tut.«

»Du nimmst verdammt viel einfach nur so an«, sagte Lawler.

* * *

Tharp schaute von seiner Funkkonsole auf. Die gewöhnlich tief in runzligen Fleischfalten versteckten Augen funkelten groß vor Verblüffung.

»Das Leere Meer?«

»So sieht es aus.«

»Aber das ist doch Wahnsinn!«

»Ja, nicht wahr? Aber tu bitte so, als wüßtest du von nichts, Dag. Für kurze Zeit, ja? Und jetzt ruf mir Martin Yanez.«

»Nicht Stayvol? Den rufst du doch sonst immer zuerst.«

»Yanez«, sagte Lawler fest und kämpfte gegen die Erinnerung an Joses Gesicht an, das lernbegierig zu ihm heraufgelächelt hatte.

Hantierungen an Knöpfen und Hebelchen, und dann drang die quäkende Stimme des Funkers der Three Moons durch die Statik — es war eins der Hain-Mädchen, Lawler war nicht sicher, welches —, dann, einen Moment später, kam die tiefe ruhige Stimme von Martin Yanez: »Nichts zu berichten, Doc. Gesundheitlich ist hier alles in Ordnung.«

»Das ist kein beruflicher Routineanruf«, sagte Lawler.

»Was dann? Habt ihr was von der Golden Sun gehört?« Auf einmal war Erregung in der Stimme zu hören, Hoffnung.

»Nichts, leider«, sagte Lawler ruhig.

»Ach.«

»Ich wollte rausfinden, was du von unserer Kursänderung hältst.«

»Was für eine Kursänderung meinst du?«

»Komm mir nicht mit solchem Scheiß, Martin, ich bitte dich!«

»Seit wann macht sich der Doktor Sorgen um Navigationsprobleme?«

»Ich hab gesagt, komm mir nicht mit so ’nem Scheiß!«

»Bist du jetzt der Navigator, Doc?«

»Ich bin ein davon Betroffener. Das sind wir alle. Und es handelt sich unter anderem auch um mein Leben. Also, was geht hier vor, Martin? Oder hat Delagard dich dermaßen fest im Genick, daß du es mir nicht sagen willst?«

»Du klingst schrecklich aufgeregt«, sagte Yanez. »Wir haben einen Abstecher nach Süden gemacht. Na und?«

»Und warum?«

»Das solltest du besser Delagard fragen.«

»Hast du ihn gefragt?«

»Das brauche ich nicht. Ich folge einfach seinen Anweisungen und seiner Führung. Er segelt nach Süden — ich segle nach Süden.«

»Bamber hat so ziemlich das gleiche gesagt. Seid ihr Kerle denn allesamt bloß seine Marionetten und laßt euch von ihm herumschubsen, wie es ihm paßt? Himmel, Martin, wieso steuern wir denn nicht mehr Richtung Grayvard?«

»Ich hab dir schon gesagt, frag Delagard.«

»Das hab ich auch vor. Aber vorher wollte ich herausfinden, was die übrigen Schiffskapitäne davon halten, daß wir ins Leere Meer fahren.«

»Ach, fahren wir dorthin?« Yanez‹ Stimme war so ruhig wie immer. »Ich dachte, wir machen nur einen kurzen Abstecher nach Süden, und Delagard will aus irgendeinem Grund nicht darüber sprechen. Soweit ich weiß, ist unser Fernziel immer noch Grayvard.«

»Und das glaubst du wirklich?«

»Wenn ich dir sage, es ist so, würdest du mir glauben?«

»Ich möchte schon.«

»Es ist die Wahrheit, Doc. So wahr ich meinen Bruder geliebt habe, es ist bei Gott die Wahrheit. Delagard hat kein Wort über eine Kursänderung gesagt, und ich hab nicht gefragt, und auch Bamber und Poilin nicht. Und ich nehme an, die Schwestern haben noch nicht mal bemerkt, daß wir vom Kurs abgewichen sind.«

»Aber du hast mit Cadrell und Stayvol darüber gesprochen?«

»Aber sicher.«

»Stayvol ist mit Delagard ziemlich dick befreundet. Dem trau ich nicht. Was hat er gesagt?«

»Er steht genauso vor einem Rätsel wie wir anderen.«

»Und du glaubst, das stimmt?«

»Ja. Aber was macht das schon für einen Unterschied? Wir alle folgen Delagards Führung. Wenn du wissen willst, was los ist, dann frag ihn selbst. Und wenn er es dir sagt, dann informiere mich, Doc!«

»Versprochen.«

* * *

»Soll ich Stayvol jetzt auch noch anrufen?« fragte Dag Tharp dann.

»Nein. Ich glaube, den überspringe ich vorläufig.«

Tharp zerrte an den Wammen unter seinem Kinn. »Heilige Scheiße!« sagte er. »Ach du allerheiligste Scheiße! Meinst du, es ist ’ne Verschwörung? Daß die ganzen Käptns da was Linkes vorhaben und keinem was sagen?«

»Nein. Ich glaube Martin Yanez. Was immer da vor sich geht, Delagard wird vielleicht Stayvol eingeweiht haben, aber die anderen beiden höchstwahrscheinlich nicht.«

»Und Damis Sawtelle?«

»Was ist mit ihm?«

»Angenommen, er hat sich mit Delagard über Funk in Verbindung gesetzt, als er den Kurswechsel bemerkt hat, und hat ihn gefragt, was das soll, und Delagard hat gesagt, das geht ihn einen feuchten Scheiß was an, und Damis ist so sauer geworden, daß er mitten in der Nacht einfach gewendet hat und sein Schiff jetzt allein nach Grayvard führen will? Damis hat ’n ziemlich hitziges Temperament, wie wir wissen. Und da sitzt er jetzt, inzwischen tausend Kilometer nördlich von uns, und wenn wir Ortungsrufe nach ihm aussenden, beachtet er sie nicht, weil er sich von der Flotte abgesetzt hat.«

»Eine nette Theorie. Aber kann Delagard mit deiner Radiostation hier umgehen?«

»Nein«, sagte Tharp. »Nicht daß ich wüßte.«

»Also, wie soll dann Damis mit ihm gesprochen haben, wenn du nicht die Verbindung hergestellt hast?«

»Das issen Argument.«

»Sawtelle ist nicht einfach so sang- und klanglos aus eigenen Stücken abgehauen. Darauf möchte ich wetten, Dag. Nein, die Golden Sun liegt auf dem Grund des Meeres, mitsamt Damis Sawtelle und allen, die sonst noch an Bord waren. Irgendein Geschöpf, das in diesem Meer da lebt, kam in der Nacht heran und hat sie schnell und leise versenkt; irgendwas sehr Schlaues, Trickreiches, und wenn wir Glück haben, finden wir nie heraus, was es war. Es hat keinen Zweck, sich jetzt Gedanken über die Golden Sun zu machen. Was wir aber dringend herausfinden müssen, ist, wieso wir südwärts, anstatt nach Norden fahren.«

»Wirst du mit Delagard reden, Doc?«

»Ja, ich glaube, das sollte ich wohl«, antwortete Lawler.

8

Delagard hatte gerade seine Wache beendet. Er wirkte müde. Die massigen Schultern waren nach vorn gesackt, der Kopf hing müde auf dem Stiernacken. Als er sich anschickte, den Niedergang zu seinem Quartier hinabzusteigen, rief Lawler ihm zu, er solle warten.

»Was gibt’s denn, Doc?«

»Könnten wir über was reden?«

Delagard senkte kurz die Lider. »Grad jetzt gleich?«