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»Und warum«, fragte Lawler mit einiger Zurückhaltung, »glaubst du, daß es uns gelingen sollte, auf dieser… ah… jungfräulichen Insel, zu der du und Delagard uns bringen wollt, einen Neubeginn zu schaffen, der Bestand hat? Mit einer Handvoll Menschen, die sich in der Wildnis niederlassen, im Unbekannten, wo wir keine Ahnung von irgend etwas haben?«

Quillan antwortete mit einer Stimme, die so schneidend klang, als fräste sie seine Worte auf Metallplatten: »Weil ich daran glaube, daß dies wortwörtlich das Paradies ist. Der Garten Eden. Wie es geschrieben steht.«

Lawler mußte erst einmal schlucken. »Meinst du das wirklich im Ernst? Der echte, ursprüngliche Garten Eden, in dem Adam und Eva gelebt haben?«

»Das wahre Eden, ja. Das Paradies ist überall dort und dort wirklich, wo es nicht von der Ur-Sünde berührt und verderbt wurde.«

»Also stammt Delagards Vorstellung von diesem Paradies dort von dir? Das hätte ich mir denken können. Und ich darf wohl annehmen, du bist auch überzeugt, daß Gott dort wohnt. Oder benutzt er das bloß als sein Feriendomizil?«

»Das weiß ich nicht. Aber ich würde gern glauben, daß ER dort ist. ER ist immer dort, wo das Paradies ist. Wo immer das sein mag.«

»Na klar«, sagte Lawler. »Der Erschaffer des Universums haust genau hier auf Hydros auf einer riesigen Sumpfinsel, die von halbverrottetem Tang bedeckt ist. Daß ich nicht lache, Father! Ich weiß ja noch nicht mal, ob du überhaupt an deinen Gott glaubst. So zu fünfzig Prozent, nehme ich an, bist du da auch nicht ganz so sicher.«

»Nein, so halb und halb bin ich nicht sicher«, antwortete der Geistliche.

»Wenn du deine ›toten‹ Phasen hast.«

»Ja. In Zeiten, wo ich völlig überzeugt bin, daß wir eine völlig zweck- und sinnlose Weiterentwicklung aus den niederen Tiergattungen sind. Wenn es mir wieder einfällt, daß der ganze lange Evolutionsprozeß von der Amöbe bis zum Homo erectus auf der ERDE, von Mikroorganismen aller Art bis zu fühlenden, denkenden Wesen von aller nur erdenklichen Art auf allen möglichen Planeten, nichts weiter ist als ein Automatismus, genau wie die Bewegung eines Planeten um seine Sonne… und genauso ohne irgendeinen Sinn. Wenn ich denke, daß nichts das alles in Bewegung gesetzt hat. Daß nichts es in Bewegung hält, außer der inhärenten Wesenheit.«

»Und das glaubst du — manchmal, so halbwegs?«

»Nicht halbwegs. Aber manchmal. Meistens — nein.«

»Und in diesen Phasen, in denen es nicht so ist? Was geschieht da?«

»Dann glaube ich, daß es eine Prima Causa gab, die das alles in Bewegung setzte, und aus Gründen, die wir vielleicht nie erfahren werden. Und ER, dieser Erste Verursacher, hält das alles am Laufen — aus SEINER gewaltigen Liebe für SEINE Geschöpfe heraus. Denn GOTT ist LIEBE, genau wie Jesus das gesagt hat, in dem Teil der Heiligen Schriften, bis zu dem du in deiner Lektüre nicht vorgedrungen bist: Wer aber ohne Liebe ist, der erkennet Gott nicht; denn Gott ist Liebe. Gott ist Verbindung. Zusammensein. Gott ist das Ende der Einsamkeit, ist die Höchste Verschmelzung. Und ER wird uns alle, so wenig wir dessen würdig sind, in SEinen Schoß nehmen, und dort werden wir leben ewiglich und ohne Leiden und Qual.«

»Und das glaubst du — jedenfalls meistens.«

»Ja. Meinst du nicht, du könntest das ebenfalls?«

»Nein!« sagte Lawler. »Es wäre ja sehr wünschenswert, aber ich kann nicht.«

»Also hast du das Gefühl, daß alles ohne Sinn, Ziel und Zweck ist?«

»Das — nein, nicht ohne Sinn. Aber wir werden nie erfahren, was dieser Sinn und Zweck ist. Oder — wer da was beabsichtigt. Dinge geschehen… so wie die Golden Sun mitten in der Nacht einfach verschwunden ist, aber wir finden nicht immer glatt heraus, warum etwas geschieht. Und wenn wir’s dann doch tun, dann wartet da kein väterlich-göttlicher Schoß und kein Himmel auf uns, die uns aufnehmen, und kein Leben nach dem Leben in glorioser Seligkeit. Da wird einfach nichts von alldem sein.«

»Ach«, sagte der Priester und nickte. »Mein armer Freund. Du steckst Tag um Tag in jenem Zustand, in den ich nur in Momenten nacktester Verzweiflung gerate.«

»Das mag schon sein. Aber ich ertrage es irgendwie.« Lawler kniff die Augen zusammen und spähte über die funkelnde See nach Südwesten, als erwarte er, daß dort im nächsten Augenblick eine dunkle gewaltige Insel in Sicht kommen müsse. Es hämmerte in seinem Schädel. Ihn verlangte danach, den Schmerz in Taubkraut-Elixier zu ertränken.

»Ich bete für dich, daß es dir bald möglich sein wird, deine Pein zu überantworten, sie endlich abzutreten.«

»Verstehe«, sagte Lawler dunkel.

»Verstehst du? Verstehst du es wirklich?«

»Ich verstehe, daß du in deinem Verlangen nach dem Paradies uns alle an Delagard verschachert hast, ohne auch nur zwei Sekunden lang zu zögern.«

»Du drückst es sehr hart aus«, sagte der Priester.

»Ja, vermutlich. Ich bedaure das. Und du meinst nicht, ich hätte einigermaßen Grund, verärgert zu sein?«

»Mein Kind…«

»Ich bin nicht dein Kind!«

»Aber du bist immerhin doch SEIN Kind.«

Lawler seufzte. Zwei Verrückte, dachte er, Delagard und Quillan… der eine ist zu allem bereit, um der Erlösung willen, der andere, weil er die Welt erobern will.

Quillan legte sacht seine Hand auf die Lawlers und lächelte.

»Gott liebt dich«, sagte er leise. »Gott wird dir SEINE Gnade zuteil werden lassen, fürchte dich nicht.«

* * *

»Sag mir alles, was du über dieses Flache über den Wassern weißt, alles«, sagte Lawler zu Sundira.

Sie waren in seiner Kabine. »Nicht viel«, sagte sie. »Ich weiß, daß es eine riesig große Insel sein soll — oder ein inselähnliches Etwas, unendlich viel größer als jede der bekannten und bewohnten Inseln. Tausende Hektar groß. Eine enorme, dauerhaft verankerte Landmasse.«

»Soviel weiß ich auch bereits. Aber hast du bei deinen zahlreichen Gesprächen mit den Gillies noch irgendwas anderes herausgefunden? Verzeihung — deinen endlosen Gesprächen mit den Sassen.«

»Die mochten nicht gern darüber sprechen. Mit einer Ausnahme, eine Sassin, mit der ich auf Simbalimak befreundet war. Sie war bereit, mir einige Fragen zu beantworten.«

»Und?«

»Sie sagte, es ist ein verbotener Ort, den niemand betreten darf.«

»Ist das alles? Sag mir mehr darüber.«

»Ach, das ist alles ziemlich verworrenes Zeug.«

»Ja, das kann ich mir denken. Aber sag’s mir trotzdem. Bitte, Sundira.«

»Sie hat sich ziemlich rätselhaft ausgedrückt. Absichtlich, nehme ich an. Aber ich bekam den Eindruck, daß die Fläche nicht nur einfach tabu ist, also geheiligt, bzw. verflucht, und man sie nicht betreten darf, sondern daß sie auch praktisch unbewohnbar ist — und körperlich gefährlich. ›Es ist der Ursprung der Schöpfung‹ sagte sie. Sie glauben, daß ein gestorbener Sasse an diesen Ursprung zurückkehrt. Und der Ausdruck, den sie dafür verwenden, lautet er oder sie sei ›aufs Antlitz gegangen‹. Ich bekam damals den Eindruck von etwas, das vor Energie kocht — etwas Heißem, Wildem und sehr, sehr Starken. So als liefe dort ununterbrochen eine Kernreaktion ab.«