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Also gut, dachte er. Dann macht doch, was ihr wollt!

Noch nie zuvor hatten ihn Gillies derart wie Dreck behandelt; doch in diesem Moment umschweifig zu erklären, er sei doch ihr guter alter Freund, der Inseldoktor und sein Vater habe sich ehemals ihnen doch als recht nützlich erwiesen, das wäre jetzt einfach schlichte gefährliche Idiotie gewesen. Mit einem einzigen Klatsch eines ihrer Flipper konnten sie ihm das Rückgrat zertrümmern und ihn hinaus in die Bucht schleudern.

Er wich also zurück, behielt aber die Gillies dabei genau im Auge, denn er hatte vor, mit einem Rücksalto ins Wasser zu hechten, falls sie ihm bedrohlich näherrücken würden.

Aber die Gillies blieben an Ort und Stelle stehen und folgten nur mit glosenden Augen seinem Davonschleichen. Als er den Hauptweg wieder erreicht hatte, machten sie eine Kehrtwendung und verschwanden wieder in ihrem Gebäude.

Na, und damit hätte sich das wohl, dachte Lawler.

* * *

Die absonderliche Zurückweisung kränkte ihn tief. Er blieb eine Weile am Geländer über der Bucht stehen und ließ die Angespanntheit nach der unerfreulichen Begegnung in sich verebben. Sein grandioser Plan, in dieser Nacht ein Abkommen zwischen den Hydranern und den Menschen zu erwirken, war — das erkannte er inzwischen nur allzu klar — purer romantischer Unsinn gewesen. Rasch verflüchtigte sich die Idee, die nichts weiter war als blauer Dunst, und eine kleine Weile zuckte eine physiologische Störung heiß über seine Haut.

Na dann also. Zurück zu seinem Vaargh. Und auf den Tag warten. Was blieb ihm sonst?

Eine scharfe Stimme hinter ihm sagte: »Lawler?«

* * *

Erschrocken fuhr er herum. Sein Herz rumpelte. Er spähte in das schon mit Grau gemischte Dunkel. Mit Mühe machte er die Gestalt eines kleinen untersetzten Mannes mit dichtem langen und filzig wirkenden Haarschopf aus, der zehn, zwölf Meter weiter innen auf der Insel im Schatten stand.

»Delagard? Bist du das?«

Die untersetzte Gestalt trat vor. Ja, es war Delagard. Der selbsternannte Rudelführer der Insulaner, der Topmixer und Unruhestifter. Was hatte der um diese Stunde hier herumzuschleichen, verdammt noch mal?

Delagard schien ständig irgendwelche riskanten Tricks zu planen, selbst wenn dies gar nicht der Fall war. Er war kurzbeinig, dabei jedoch nicht klein oder zierlich, vielmehr von kräftiger Gestalt und nur eben sozusagen ziemlich ›bodenständig‹, mit wuchtigem Nacken, massiven Schultern, und deftigem Bauch. Er trug einen knöchellangen Sarong, die breite, von Zotteln bedeckte Brust war nackt. Sogar jetzt in der Düsternis schimmerte der Wickelrock und changierte zwischen Scharlachrot, Türkis und leuchtendem Rosa. Delagard war der reichste Mann in der Humankolonie, was immer dies in einer Welt bedeuten mochte, in der Geld als solches bedeutungslos war, weil es kaum etwas gab, wofür man es hätte ausgeben können. Wie Lawler war auch er gebürtiger Hydraner, doch anders als er besaß er Geschäftsbetriebe auf mehreren anderen Inseln und reiste ziemlich viel umher. Und er war etliche Jahre älter, vielleicht so an die achtundvierzig, fünfzig.

»Du bist aber heut ziemlich früh schon unterwegs, Doc«, sagte Delagard.

»Das bin ich doch meistens, wie du sicher weißt.« Lawlers Stimme klang gepreßter als gewöhnlich. »Es ist eine angenehme Tageszeit.«

»Wenn man allein sein möchte , bestimmt.« Delagard wies mit dem Kopf in Richtung auf die Werksanlage. »Hast das Ding da inspiziert, wie?«

Lawler zuckte nur die Achseln. Eher würde er sich selber erdrosseln, als daß er Delagard auch nur eine Andeutung über die grandiose, heldenmäßige Idiotie machen würde, die er in der langen Nacht zusammengebraut hatte.

Delagard sprach weiter: »Man hat mir gesagt, sie gehen morgen ans Netz.«

»Das höre ich jetzt bereits seit einer ganzen Woche.«

»Nein, nein, morgen wollen sie wirklich den Betrieb aufnehmen. Sie haben bereits Strom erzeugt, in geringen Mengen; und heute wollen sie auf volle Kapazität hochfahren.«

»Woher weißt du das?«

»Ich weiß es eben«, gab Delagard zurück. »Die Kiemlinge mögen mich zwar nicht, aber trotzdem informieren sie mich über Sachen. Gehört sozusagen zur normalen Geschäftsroutine, wenn du verstehst.« Er trat neben Lawler und ließ selbstsicher und besitzergreifend die Hände auf das Geländer fallen, als wäre diese Insel sein Königreich und die Brüstungsstange sein Szepter. »Aber du hast mich noch nicht gefragt, warum ich so früh unterwegs bin.«

»Nein, das hab ich nicht.«

»Ich hab dich gesucht, darum. Zuerst war ich droben in deinem Vaargh, aber da warst du nicht. Dann schaute ich zur unteren Terrasse, und dort hab ich dann jemand auf dem Pfad hierher gesehen und mir gedacht, daß du das sein mußt. Also bin ich runtergekommen, um das nachzuprüfen.«

Lawler lächelte verkniffen. Delagards Stimme verriet durch nichts, daß er mitbekommen hatte, was draußen auf der Landzunge mit dem Kraftwerk passiert war.

»Ziemlich früh für einen Besuch, sofern es sich um eine Konsultation handelt«, sagte Lawler. »Für einen rein gesellschaftlichen im übrigen auch, obwohl das ja kaum in Frage käme.« Er wies zum Horizont. Dort schimmerte noch der Mond. Aber von der Morgenhelle war noch nichts zu sehen. Das Kreuz wirkte jetzt in Abwesenheit von Sunrise noch heller und schien vor der dichten Schwärze zu zittern und zu zucken. »In der Regel ist meine Praxis in den frühen Morgenstunden nicht geöffnet. Das weißt du doch, Nid.«

»Es handelt sich um einen besonderen Notfall«, sagte Delagard. »Duldet keinen Aufschub. Man kümmert sich am besten drum, solang es noch finster ist.«

»Handelt es sich um ein medizinisches Problem, ja?«

»Genau. Medizinisch.«

»Bei dir?«

»Ja. Aber ich bin nicht der Patient.«

»Ich verstehe dich nicht.«

»Das wirst du gleich. Komm nur mit.«

»Wohin?« fragte Lawler.

»Zur Werft.«

Ach, zum Teufel. Delagard wirkte an diesem Morgen höchst merkwürdig. Vielleicht war es ja wichtig. »Also schön«, sagte Lawler, »dann gehen wir.«

* * *

Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, machte Delagard kehrt und ging auf dem Weg dicht an der Kaimauer in die Richtung auf die Werft zu. Lawler folgte ihm, ebenfalls schweigend. Der Pfad verlief hier über ein zweites kleines Kap, parallel zu jenem, auf dem das E-Werk stand, und unterwegs bekamen sie einen klareren Eindruck von dem Fabrikkomplex. Dort wimmelte es von Gillies, die mit den Flipperflossen Lasten schleppten.

»Diese glitschigen Gauner«, brummte Delagard. »Hoffentlich fliegt ihnen der ganze Mist in die Visagen, wenn sie das Ding anwerfen. Das heißt, falls sie es jemals zum Laufen bringen.«

Sie kamen zur anderen Seite der Landzunge und betraten die Bootswerft Delagards an der kleinen Einbuchtung. Es war das weitaus größte menschliche Unternehmen auf Sorve und hatte über ein Dutzend Beschäftigte. Delagards Schiffe fuhren beständig zwischen den verschiedenen Inseln umher, auf denen er Geschäfte trieb, und brachten Handelswaren von einer zur anderen, die bescheidenen Produkte der verschiedenen häuslichen Heimwerkerbetriebe, welche die Menschen herstellten: Angelhaken, Meißel und Faustkeile, Flaschen und Krüge, Kleidungsstücke, Papier und Tinte, per Hand kopierte Bücher, konservierte Nahrungsmittel und dergleichen. Delagards Handelsflotte hatte auch fast ein Monopol als Lieferer der Metalle, Plastikstoffe und Chemikalien und ähnlicher wesentlich wichtigerer Grundstoffe, die auf den verschiedenen Inseln so mühsam gewonnen wurden. Und alle paar Jahre fügte Delagard seiner Handelskette eine weitere Insel hinzu. Schon seit den ersten Anfängen der Inbesitznahme von Hydros durch die Menschen hatten die Delagards sich hier als Unternehmer betätigt, doch Nid Delagard hatte den Familienbetrieb weit über die bescheidenen Anfänge hinaus expandiert.