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Gegen Abend stehe ich immer noch im Wasser, ich kann an dieser Stelle weite Strecken des Flusses überblicken, der in der Dämmerung wie eine geschliffene, spiegelnde Fläche erscheint. Während ich meinen Köder wieder und wieder auswerfe, vergesse ich alles um mich herum; alles, was je gewesen ist, vergesse ich, und es gibt nur noch den Fisch. Manchmal glaube ich, ihn zu sehen, Wallungen des Wassers, die scharfe Kante einer dunklen Rückenflosse, die sich kurz herausschiebt und wieder abtaucht. Vielleicht ist alles nur ein Hirngespinst, denke ich. Dann schert der Fisch blitzartig aus, schnappt meinen Köder, den er mit schnellem Tempo schluckt und womit er sich so selbst am Haken festmacht und fängt. Er zieht stromauf, ich gebe Leine nach, halte die Rute schräg nach oben gerichtet überm Wasser, sodass er die auf dem Wasser liegende Schnur mitziehen muss und gleichzeitig die gebogene Rute seine Schläge dämpft, damit er schneller ermüdet. Ich muss immer wieder Leine nachgeben und ihm folgen. Schließlich stehe ich dort, wo der Mühlbach in den Fluss mündet, wo ich am Morgen schon mal einen Fisch verloren habe. Die Schnur muss gespannt sein, wenn der Fisch einen Augenblick keine Spannung spürt, wird er ausreißen.

Mittlerweile sind Stunden vergangen, und es ist ganz dunkel geworden. Die Lichter der am Ufer stehenden Häuser schimmern auf dem Fluss, Autos fahren über die Brücke, die das Tal von einem Bergkamm zum anderen überspannt. Ich habe den großen Fisch noch an der Angel, ich will ihn fangen, keinen anderen als ihn, ich wünschte, dass Hermann und Vater jetzt bei mir wären, sie sehen könnten, dass ich etwas gelernt habe, mir Mühe gebe, ihn zu erwischen. Der Abendzug, in dem nur wenige Leute sitzen, fährt an unserer Gaststätte vorbei und verschwindet im Stiftbergtunnel. Der Fisch taucht jetzt. Ich versuche ihn zu drillen, zu ermüden, an der Flucht zu hindern, gebe ihm wiederholt Schnur nach, um sie alsbald wieder einzuholen. Währenddessen sehe ich Hermann als Jungen hinter der Theke unserer Wirtschaft, höre ihn sagen: «Fischers Fritz fischt frische Fische …», er produziert dabei ulkige, lispelnde Zischlaute, über die man sich amüsiert, weil er es einfach nicht richtig hinbekommt … Ich liege mit meinem Bruder zusammen im Zimmer, wir treiben langsam mit ausgebreiteten Armen auf dem Fluss, hören Musikboxlieder aus der Gaststätte, sehen zu den Sternen, zum unendlichen Firmament über uns … Alles, was je gewesen ist, treibt jetzt mit uns auf dem Fluss zum Rauschen hinunter.

Danksagung

Mein Dank gilt den Fliegenfischern Werner Berens und Ralf Renell für wertvolle Tipps, Ulrike Erb-May, Monika Alt, Martin Hielscher, meinen Freunden Katharina und Dietrich Schubert, Erich Hermes, meiner geliebten Frau Elvira und unseren beiden Kindern, Philomena und Erasmus, der sich trotz seines Studiums die Zeit genommen hat, all die Fische zu zeichnen. Ohne die genannten und viele andere Freunde wäre zweifellos diese Geschichte niemals so geschrieben worden. Mein besonderer Dank aber gilt meinem Vater, für den dasjenige, was wir gemeinhin für Wirklichkeit halten, immer der kleinere Teil unserer Existenz gewesen ist. So sind auch die in dieser Geschichte vorkommenden Landschaften, Städte, Dörfer und Flüsse nicht unbedingt im realistischen Sinn identisch mit der Geografie der Eifel, sondern sie sind ebenso, wie auch alle vorkommenden Personen, Teil einer fiktiven inneren Welt, die, so hoffe ich, für manch einen, egal, wo er lebt, erkennbar sein wird.