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Das Gesicht des Mädchens, das Annette den Tee gebracht hatte, hellte sich beträchtlich auf, und sie klärte mich darüber auf, daß dies das Büro der Lagerverwaltung sei. In dem besagten Computer würden die Bestände festgehalten, Wareneingang, Warenausgang, Bestand, Rechnungen, Kundenkonten. Aber, so meinte sie ermutigend, in ihrem anderen Reich jenseits des Flures gäbe es noch einen Computer, den sie für die Korrespondenz verwende. Als sie das Ende ihres Satzes erreicht hatte, sauste sie aus dem Zimmer, und Annette bemerkte, daß June immer ein rechter Wirbelwind sei.

June, blond, langbeinig und flachbrüstig, kam mit einem Schnellausdruck von Grevilles häufigsten Korrespondenzpartnern wieder (sie hatte die Kunden weggelassen), zu denen nicht nur die Anwälte und der Steuerberater gehörten, sondern ferner auch seine Bank, ein Börsenmakler und eine Versicherungsgesellschaft.

«Großartig«, sagte ich.»Und könnte sich einer von Ihnen vielleicht mal mit allen großen KreditkartenGesellschaften in Verbindung setzen und herauszufinden versuchen, ob Greville ihr Kunde gewesen ist, und falls ja, mitteilen, daß er tödlich verunglückt und seine Karte gestohlen worden ist?«Annette erklärte sich traurig bereit, das sofort zu erledigen.

Dann fragte ich, ob einem von ihnen Marke und Zulassungsnummer von Grevilles Auto bekannt sei. Das wußten alle, denn sie hatten den Wagen ja schließlich jeden Tag unten im Hof stehen sehen. Er kam in einem Rover 3500 ohne Radio und Kassettenrecorder in die Firma, weil der Porsche, den er vorher gehabt hatte, zweimal aufgebrochen und am Ende ganz gestohlen worden war.

«In der alten Karre steckt immer noch ein Haufen von technischem Krimskrams«, sagte der jüngere der beiden Männer,»aber diese Spielsachen hatte er alle in den Kofferraum gesperrt.«

Greville war schon immer ganz versessen auf technische Spielereien gewesen, hatte sich stets für die neuesten, kurzlebigsten Methoden, ganz normale Aufgaben auszuführen, begeistert. Er hatte mir bei unseren Treffen mehr über sein Spielzeug erzählt als über seine zwischenmenschlichen Beziehungen.

«Warum fragen Sie nach dem Auto?«wollte der junge Mann wissen. Er trug eine Fülle von Abzeichen auf seiner schwarzen Lederjacke, und sein orangefarbenes, stachelartiges Haar wurde von Gel in Form gehalten. Ich vermutete, daß dies dem Bedürfnis entsprach, irgendwie zu beweisen, daß er existierte.

«Es könnte vor seiner Haustür stehen«, sagte ich.»Oder es ist vielleicht irgendwo in Ipswich geparkt.«

«Ah ja«, sagte der junge Mann nachdenklich,»verstehe, was Sie meinen.«

Das Telefon neben mir auf dem Schreibtisch fing an zu klingeln, und Annette kam nach kurzem Zögern herbei und nahm den Hörer ab. Sie lauschte mit besorgtem Gesichtsausdruck, hielt dann mit der Hand die Sprechmuschel zu und fragte mich:»Was soll ich machen? Es ist ein Kunde, der eine Bestellung aufgeben möchte.«

«Haben Sie da, was er gern hätte?«

«Ja, gewiß doch.«

«Dann sagen Sie ihm, daß es in Ordnung geht.«

«Aber soll ich ihm auch das mit Mr. Franklin sagen?«

«Nein«, sagte ich ganz spontan,»nehmen Sie nur den Auftrag entgegen.«

Sie schien froh über diese Anweisung zu sein und schrieb die Bestellung mit. Als sie wieder aufgelegt hatte, schlug ich den Anwesenden vor, daß sie zumindest am heutigen Tag die eingehenden Aufträge in der gewohnten

Form abwickeln und nur im Falle, daß sie gefragt würden, mitteilen sollten, daß Mr. Franklin auf Reisen und im Augenblick leider nicht erreichbar sei. Wir würden die Kunden erst dann von seinem Tod unterrichten, wenn ich mit Anwalt, Steuerberater, Bank und allen anderen gesprochen und mich über die Rechtslage informiert hätte. Sie waren erleichtert und hatten keine Einwände, und der ältere Mann erkundigte sich, ob ich bald die Reparatur des zerbrochenen Fensters veranlassen könne, da es sich im Pack-und Versandraum befinde, wo er arbeite.

Ich sagte, ich würde es versuchen, und hatte dabei das Gefühl, mit den Füßen voran in Treibsand zu versinken. Mir wurde klar, daß ich weder dorthin noch zu dem Leben all dieser Menschen gehörte, und daß alles, was ich vom Edelsteingeschäft wußte, lediglich war, wo ich zwei rote Steine in einer Schachtel mit der Aufschrift» MgAl2O4, Burma «finden konnte.

Beim vierten, von den Gelben Seiten inspirierten Versuch wurde mir zugesagt, daß man sich augenblicklich um das Fenster kümmern wolle, und danach rief ich, als die Büroroutine um mich herum wieder in Gang zu kommen begann, die Anwaltskanzlei an.

Die Anwälte waren ernst, sie waren voll des Mitgefühls, sie waren mir zu Diensten. Ich erkundigte mich, ob Greville vielleicht ein Testament hinterlassen habe, da ich vor allem gern erfahren hätte, ob er irgendwelche Anweisungen hinsichtlich einer Beerdigung oder Einäscherung gegeben habe, und ob sie, wenn nicht, wüßten, ob ich mich mit irgend jemandem in Verbindung setzen oder aber so verfahren solle, wie es mir richtig erschiene.

Ich hörte das eine oder andere Räuspern und erhielt dann das Versprechen, daß man in den Unterlagen nachschauen und zurückrufen wolle. Sie hielten Wort und riefen mich zu meiner Überraschung schon nach sehr kurzer Zeit wieder an.

Mein Bruder habe tatsächlich ein Testament hinterlassen

— sie hätten es vor drei Jahren für ihn ausgefertigt. Sie könnten zwar nicht beschwören, ob dieses sein letzter Wille sei, aber es sei das einzige, was ihnen vorläge. Sie hätten darin nachgelesen. Greville habe, so erklärten sie pedantisch, keine besonderen Wünsche bezüglich des Verbleibs seiner sterblichen Überreste geäußert.

«Soll ich dann also einfach… Entsprechendes veranlassen?«

«Gewiß doch«, sagten sie.»Sie sind im übrigen von ihm als sein alleiniger Testamentsvollstrecker benannt worden. Es ist also geradezu Ihre Pflicht, diese Entscheidungen zu treffen.«

Teufel auch, dachte ich, und bat sie um eine Liste aller Begünstigten, damit ich sie von seinem Ableben unterrichten und zur Bestattung einladen könne.

Nach einer Pause meinten sie, daß sie Informationen dieser Art gemeinhin nicht telefonisch weitergäben, ob ich nicht in ihre Kanzlei kommen könne. Sie befände sich genau auf der anderen Seite der City, gleich beim Temple.

«Ich habe ein gebrochenes Fußgelenk«, sagte ich entschuldigend.»Ich brauche schon eine Ewigkeit, um nur durch das Zimmer zu kommen.«

O jemine, sagten sie. Sie berieten sich flüsternd und erklärten schließlich, daß es wohl keinen Schaden anrichten würde, wenn sie mich ins Bild setzten. Grevilles Testament sei äußerst einfach. Er habe seine gesamte Habe Derek Saxony Franklin, seinem einzigen Bruder, hinterlassen. Das hieße also: mir.

«Was?«sagte ich töricht.»Das kann doch nicht sein.«

Er habe sein Testament in großer Eile gemacht, sagten sie, da er in ein gefährliches Land habe fliegen wollen, um dort Steine zu kaufen. Sie als seine Anwälte hätten ihn davon überzeugen können, daß es nicht gut sei, wenn er ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung reise, und er sei ihrem Rat gefolgt — dies sei, soweit sie wüßten, das einzige Testament, das er je gemacht habe.

«Er kann das einfach nicht als sein letztes angesehen haben«, sagte ich verständnislos.

Vielleicht nicht, räumten sie ein — es gäbe wohl nur wenige Männer, die, sofern sie sich bei guter Gesundheit befänden, erwarteten, daß sie mit 53 Jahren sterben würden. Dann schnitten sie diskret die Frage der offiziellen Testamentseröffnung an und erbaten meine Instruktionen, und ich fühlte, wie mir der Treibsand jetzt schon bis über die Knie reichte.

«Ist es legal«, fragte ich,»wenn das Geschäft zunächst unverändert weiterläuft?«

Sie sahen da keine rechtlichen Hindernisse. Die gerichtliche Bestätigung des Testaments ebenso vorausgesetzt wie das Nichtvorhandensein eines zu einem späteren Zeitpunkt verfaßten letzten Willens, würde die Firma auf mich übergehen, und wenn ich sie einmal zu verkaufen beabsichtige, läge es sogar in meinem ureigensten Interesse, das Geschäft weiterlaufen zu lassen. Als Testamentsvollstrecker meines Bruders sei ich sogar verpflichtet, mein Bestes zum Wohle des hinterlassenen Besitztums zu tun. Eine interessante Situation, meinten sie nicht ohne Humor.