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»Großartig, wie du das alles aufgedeckt hat«, sagte Schwester Gisa bewundernd.

Fidelma zog gereizt die Stirn in Falten. »Eigentlich nicht ich. Durch pure Überheblichkeit habe ich mich von Eolann auf eine falsche Fährte locken lassen. Das mit Wulfila hätte ich schon viel früher wissen müssen. Ich bin beschämt. Bei all meiner Erfahrung und meinen Fähigkeiten hätte mir das nicht passieren dürfen.«

»Du gehst mit dir zu hart ins Gericht«, murmelte Gisa. »Eine Fremde in einem fremden Land. Du hast herausgefunden, wo das Gold versteckt war, und hast dafür gesorgt, dass es sicher in die Abtei geschafft wurde. Das hat Grasulf aufgehalten, und Radoald ist mit seinen Männern im richtigen Moment erschienen.«

»Man kann es drehen und wenden, wie man will«, meinte Wulfoald nachdenklich, »es kommt immer wieder auf die gleiche alte Geschichte hinaus: das Streben der Könige nach Macht und all das Blutvergießen, das damit einhergeht. Ich fürchte, diese Gier nach Macht wird uns bis zum Jüngsten Gericht begleiten.«

»In dir steckt ein Philosoph, Wulfoald«, sagte Fidelma anerkennend.

Er grinste. »So hoch will ich nicht hinaus, edle Dame. Ich bin Krieger und als solcher auch Teil dieser Gier nach Macht.«

»Vergiss dabei aber nie, mein Freund, dass eine Gewalttat, die keinem guten Zweck dient, sich gegen einen selbst kehrt.«

Wulfoald lachte. »Auch ich habe Horaz gelesen. Vis consilii expers mole ruit sua. Es ist eine Lektion, die Perctarit inzwischen gelernt haben müsste.«

»Du glaubst also, deine Leute brauchen sich nicht mehr vor Perctarit zu fürchten?«

»So weit würde ich nicht gehen. Solange Perctarit lebt, wird er versuchen, das zurückzuerobern, was er als rechtmäßig für das Seine hält. Könnte sein, es passiert eines Tages. Bis dahin aber regiert uns Grimoald gut und weise, unter ihm können alle, wenn auch nicht in Eintracht, so doch in Frieden miteinander leben, ganz gleich, ob sie dem Glaubensbekenntnis des Arius oder dem von Nicäa anhängen. Vielleicht findet Perctarit auch seinen Frieden im Frankenreich oder in Burgund und lässt unser Königreich in Ruhe. Wer weiß? Ich bin ein Zyniker und halte es mit Epikur. Dum vivimus, vivamus

»Solange wir leben, soll man uns leben lassen«, wiederholte Fidelma. »Wollen hoffen, dass auch Perctarit und seine Anhänger diese Maxime beherzigen.«

Schwester Gisa hatte die ganze Zeit geschwiegen. »Für mich ist das Leben ohne Faro öde und leer«, sagte sie jetzt bekümmert. »Ich hasse ihn für das, was er getan hat, und dennoch … Es hat alles keinen Sinn mehr. Ich weiß nicht ein noch aus.«

Fidelma hatte Mitleid mit dem Mädchen. »Das geht dir nur jetzt so. Die Zeit heilt alle Wunden.«

»Er hat die große Schlacht gegen Grimoald überlebt, ist Perctarit ins Land der Franken gefolgt, und mich – mich hat er getäuscht, hat uns alle getäuscht«, jammerte sie. »Dabei war er …«

Tröstend legte ihr Fidelma eine Hand auf den Arm. »Ovid hat in seiner Schrift Remedia amoris einen schönen Satz geprägt: ›res age: tutus eris‹. Die beste Medizin gegen die Liebe: Sei tätig, und du wirst sicher sein vor der Liebe.«

»Es ist ja schön und gut, dass du mir einen solchen Rat gibst«, sagte Schwester Gisa bitter. »Du weißt doch gar nicht, wie sehr verratene Liebe schmerzen kann!«

Für einen kurzen Moment veränderte sich Fidelmas Gesichtsausdruck, und ihre Augen glänzten. Sie dachte an Cian, einen jungen Krieger, in den sie sich verliebt hatte, als sie an der Hohen Schule bei Brehon Morann Rechtskunde studierte. Sie war damals erst achtzehn gewesen, Cian ein paar Jahre älter – groß, kastanienbraunes Haar, Krieger in der Leibgarde des Hochkönigs. Sie hatte ihn aufrichtig geliebt, er aber hatte nur mit ihr gespielt, sie benutzt, bis er an einer anderen Gefallen gefunden hatte. Es war eine bittere Pille gewesen, die sie hatte schlucken müssen. Wahrscheinlich war es auch der Hauptgrund gewesen, dass sie dem Rat ihres Vetters, Abt Laisran von Darú, folgte, sich dem Kloster von Cill Dara anzuschließen und sich nicht nur verstandesmäßig mit dem Glauben zu beschäftigen.

»Ich weiß sehr wohl, wie verratene Liebe schmerzen kann«, erwiderte sie, und noch beim Sprechen stieg ein anderes Bild in ihr auf. Es war nicht mehr Cian, sondern der angelsächsische Mönch, den sie jüngst kennengelernt hatte und der ihr behilflich gewesen war, die Morde in der Synode von Streohnshalh und dann auch im Lateranpalast aufzuklären. Bruder Eadulf aus Saxmund’s Ham – er war in Rom geblieben, und sie würde ihn wohl nie wiedersehen. Weshalb musste sie jetzt an ihn denken? Wäre er hier bei ihr gewesen, mit seiner ruhigen Art nachzufragen, wäre sie vielleicht nicht in die Sackgasse geraten, hätte nicht immer nur das Aurum Tolosanum, das mythische Gold und die Verbindung zu Abt Servillius vor Augen gehabt. Magister Ado hatte einmal ganz richtig ihre Schwäche genannt: zu starkes Selbstbewusstsein, das leicht zur Überheblichkeit führte.

Ein Seemann stand plötzlich neben ihr, führte eine Hand an die Stirn und sprach sie an. »Verzeihung, edle Dame. Der Kapitän sagt, die Ebbe setzt ein. Wir müssen auslaufen. Ich soll dich bitten, an Bord zu kommen.«

Fidelma nickte ihm zu und wandte sich an ihre Gefährten.

»Ich hoffe, eurem Tal bleibt der Frieden erhalten, den es gerade erlangt hat. Möge Bobium blühen und gedeihen, auf dass Colm Bans Gründung seinem Namen Ehre macht und in der gesitteten Welt als würdige Stätte gerühmt wird.« Sie lächelte beiden zum Abschied zu.

»Gute Heimreise, Prinzessin«, wünschte Wulfoald. »Wir sind dir zu großem Dank verpflichtet.«

Schwester Gisa nickte zustimmend und rang sich unter Tränen ein Lächeln ab. Aus einer inneren Regung heraus ging Fidelma einen Schritt auf sie zu und nahm das Mädchen in die Arme. Dann lief sie die Planke hinauf. Oben drehte sie sich noch einmal zu ihnen um. Die Mannschaft zog bereits das Laufbrett ein, sie hörte nackte Füße über das Deck eilen und das Knattern der Segel, die losgemacht wurden. Die Schiffswände stöhnten wie zur Gegenwehr, als das Schiff sich vom Kai löste. Langsam gewann es Fahrt. Die Umrisse von Schwester Gisa und Wulfoald wurden kleiner. Sie winkte ihnen zu, das Schiff drehte mit dem Wind, und sie sah sie nicht mehr. Fast überkam sie ein Gefühl der Einsamkeit, vermisste sie die beiden, doch die salzige Luft biss in die Wangen und lenkte sie ab. Sie atmete tief ein und streckte das Gesicht der Sonne entgegen.

Endlich ging es nach Hause. Zurück in die Heimat. Heim nach Muman. Heim nach Cashel. Wie hieß doch das alte Sprichwort? Eigener Herd ist Goldes Wert.