»Was … was?«
»Los! Genug gequatscht! Ich will dich jetzt haben. Ich muß dich haben. Ich bin verrückt nach dir. Seit dem ersten Tag. Du, du hast mich behandelt wie Dreck, als wäre ich überhaupt kein Mann …«
»Das ist nicht wahr!«
»… aber jetzt sieht alles anders aus. Ich halte auch das Maul, wenn du mich drüber läßt. Sonst erzähle ich dem Chef alles. So schnell, wie du dann im KZ bist, ist noch keiner reingekommen. Vorwärts!«
KZ? dachte Nora in fieberhafter Eile. Vielleicht. Vielleicht auch nicht, denn Flemming liebt mich und vielleicht läßt er dich hochgehen, du Schwein. Aber Valerie Steinfeld! Wenn Flemming erfährt, was sie vor hat, ist sie in Gefahr, sie und ihr Sohn und Martin Landau. Fremde Leute für Flemming. Auf die wird er keine Rücksicht nehmen! Und wenn er herausbekommt, daß Jack die Verbindung nach London ist, läßt er mich nicht mehr nach Lissabon. Ach was, dachte Nora, die fünf Minuten. Soll der Scheißkerl doch haben, was er will. Es geht um zu viel.
»Bitte, bedienen Sie sich«, sagte Nora Hill verächtlich.
Im nächsten Moment schlug Carlson ihr wuchtig ins Gesicht.
Sie schrie auf vor Schmerz.
»Schrei! Ja, schrei! Das habe ich gerne! Ich bediene mich, du hochmütiges Aas. Aber so, wie ich will … ich hab meine eigene Tour …«
Carlson streckte die Hand aus. Mit einem Ruck riß er Nora den Rock vom Leib. Er starrte die graubestrumpften Beine, das schwarze Höschen an.
Wieder griff er zu. Jetzt keuchte er.
»Was soll denn das?« protestierte Nora. »Ich lasse dich ja … ich tue alles … ich …«
Er schlug sie wieder ins Gesicht, auf die andere Wange diesmal. Der Schlag brannte. Der Mann geriet schnell außer sich. Noras Entsetzen wuchs. Ein Irrer … ein Irrer …
»Hilfe!« schrie Nora. Sie machte den Versuch, zu entkommen, zur Schlafzimmertür zu rennen. Sie hatte Angst um ihr Leben. Die Angst war stärker als alle Überlegung. Er stellte ihr ein Bein. Hart schlug sie auf den Boden.
Mit zwei Sätzen war Carlson bei der Eingangstür und sperrte ab. Er sprang zu Nora zurück.
»Sei doch vernünftig«, flehte sie. »Du kannst mich ja haben …«
Carlson beugte sich vor und schlug mit beiden Fäusten in Noras Bauch.
»Das ist der Anfang von meiner Tour, verstehst du?«
Nora hatte jede Überlegung vergessen, wilde Panik hielt sie gepackt vor diesem Mann mit dem wirren Haar, den glasigen Augen und dem schweißbedeckten Gesicht.
»Hilfe!« schrie sie. »Hilfe! Hilfe!«
»Schrei! Schrei! Schrei weiter!« Er zerrte an dem schwarzen Hemd. Es riß knirschend. Wie hypnotisiert starrte Carlson auf die weißen Brüste, die sich mit Noras keuchendem Atem hoben und senkten. »Verrückt … verrückt hast du mich machen wollen mit deinem feinen Getue, du Hure … Ich bin verrückt nach dir, ja … wirst gleich sehen, wie verrückt …«
»Aber ich lasse dich doch … warum tust du mir weh?«
»Weil es mir Spaß macht … das ist meine Tour …« Er zerrte seine Hose herunter und stürzte sich auf Nora, die sich verzweifelt wehrte, als er die Hände um ihren Hals legte.
»Nicht … nicht … ich …«
»Sehr schön, sehr schön …« Carlson war in Raserei geraten. Blitzschnell löste er seine Seidenkrawatte, schlang sie um Noras Hals und drehte sie zu einem Knebel zusammen. Nora würgte, bekam keine Luft, bäumte sich auf. Er lockerte die Krawatte.
»Davon hab ich geträumt … So will ich es … Hab’s an mir selbst probiert … Hinterläßt keine Spuren, die Seide … das ist das Feine …« Er zog mit einer Hand ihr Höschen über die Schenkel. Auch das Höschen riß.
»Bitte … bitte … komm her … tue es … aber nicht …«
Der Knebel drehte sich wieder zu. Schwer fiel Carlson auf Noras nackten Leib, wobei seine Ellbogen ihre Oberarme trafen, so daß sie diese nicht bewegen konnte. Sie lagen auf einem dicken Teppich vor dem Kamin.
»Mach die Beine breit!«
Sie wand sich unter ihm.
»Wirst … du … die … Beine … spreizen … du … Aas?« Carlson drehte den Knebel zu. Nora rang nach Luft. Sie bekam keine. Der Mund stand weit offen. Der Kopf flog hin und her. Sie öffnete die Schenkel.
Im nächsten Moment war er in ihr, brutal, rücksichtslos. Schmerz ließ sie röcheln. Carlson geriet völlig außer sich.
»So … ja, so … so will ich es haben … so ist es gut … so habe ich es mir vorgestellt. Das machen wir von jetzt an immer so … Jetzt werde ich dir zeigen … dir zeigen … was ein Mann ist!« Er stieß heisere Laute aus. Immer wieder drehte er den Knebel zu. Dann bäumte sich jedesmal Noras Körper auf, die Spitzen der Brüste reckten sich Carlson entgegen, während Nora um ihr Leben kämpfte. Je erregter Carlson wurde, desto öfter zog er die Krawatte zusammen.
Nora fühlte, wie eine Ohnmacht näher kam. Ihr Schoß brannte wie Feuer. Der Mann geriet in ein wahres Delirium. Seine Stöße waren die einer unbarmherzigen Maschine.
»Ah … jetzt!«
Nora bewegte sich nicht mehr. Sie hatte das Bewußtsein verloren. Als sie wieder zu sich kam, war sie allein. Sie besaß keine Vorstellung davon, wie lange sie so auf dem Boden gelegen hatte, nackt, besudelt, mit verdrehten Gliedern. Es war dunkel im Raum, nur das Kaminfeuer erleuchtete ihn. Vorsichtig richtete Nora sich auf. Als sie versuchte, einen Schritt zu machen, fiel sie um.
Erst nach einer Weile hatte sie genügend Kraft, um durch den Wohnraum in ihr Schlafzimmer zu taumeln und das elektrische Licht anzudrehen. In einem Spiegel betrachtete sie sich. Ihr Gesicht war kreideweiß, das Make-up verschmiert. Sie hob den Kopf, um den Hals sehen zu können. Keine Spur, wie Carlson gesagt hatte. Nackt, mit herabhängenden Strümpfen, ohne Schuhe, stand Nora da. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen. Keuchend starrte sie zur Deckenlampe empor.
»Und das machen wir jetzt immer so!«
Sie fuhr zusammen.
Sie hatte Carlsons Stimme gehört, deutlich, ganz deutlich!
Entsetzt sah sie zur Tür.
Da war niemand.
Einbildung. Angst.
Aber er war da, er war im Haus. Oder holte er schon Flemming ab? Dann mußte sie sich waschen, schminken, umziehen, die zerrissenen Kleidungsstücke verstecken, damit Flemming nichts merkte, wenn er kam. Sie erhob sich halb …
»Und das machen wir jetzt immer so!«
Die Worte klangen in ihren Ohren. Sie preßte beide Hände an den Kopf.
Todesangst habe ich durchlitten, gräßliche Todesangst. Wenn ich mich ergebe, wenn ich nichts gegen Carlson unternehme, wird er es wirklich wieder und wieder mit mir tun auf ›seine Tour‹. Und wenn er einmal in der Ekstase den Knebel zu fest und zu lange anzieht?
Das halte ich nicht aus. Nicht ein einziges Mal mehr.
Aber was soll ich tun? Wenn ich mich wehre, verrät er mich. Und was geschieht dann mit all diesen Menschen? Nora vergrub den Kopf in den Händen die nackten Arme auf die nackten Knie gestützt. Sie überlegte verzweifelt …
Als Carl Flemming, groß, stark, gut aussehend, mit kurzgeschnittenem, drahtigem Haar, das an den Schläfen schon ergraute, eineinhalb Stunden später nach Hause kam, eilte er sofort in den ersten Stock, klopfte an Noras Tür und trat schnell ein. Sie saß beim flackernden Kaminfeuer, rauchte und hielt ein Glas in der Hand.
»Mein Herz …« Der Chef des Wiener ›Arbeitsstabes Flemming‹ des Berliner Auswärtigen Amtes eilte auf Nora zu und küßte sie zärtlich. »Entschuldige, es hat lange gedauert heute. Ich mußte in der Stadt essen …«
»Carl.«
Ihre Stimme ließ ihn aufhorchen.
»Was hast du?«
»Ich muß dir etwas erzählen. Setz dich, bitte.«
»Was, jetzt gleich?«
»Jetzt gleich, ja«, sagte Nora Hill, trank ihr Glas aus und stellte es fort.
»Was gibt’s, Nora? Was mußt du mir sagen?« Er sank neben ihr in einen Sessel.
»Eine Menge«, antwortete Nora Hill. »Es handelt sich um eine gewisse Valerie Steinfeld …«
59
»Was haben Sie Flemming erzählt?« Manuel starrte die Frau mit den gelähmten Beinen, die ihm gegenübersaß, verblüfft an.