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»Vollkommen Ihrer Ansicht, Herr Vorsitzender! Absolut …«

»Nun denn, also. Ich finde das reichlich vage – ›besondere Art des Verkehrs‹. Wollen Sie sich präziser fassen, wenn ich bitten dürfte, Frau Steinfeld.«

»Mein Gott, das ist für mich …«

»Sie stehen hier vor Gericht! Sie müssen die reine Wahrheit sagen. Sie selber haben dieses Verfahren angestrengt. Meine Fragen dienen der Wahrheitsfindung. Oder meinen Sie etwa, ich stelle sie zum Vergnügen?«

»Natürlich nicht.«

»Dann äußern Sie sich deutlicher.«

»Eine anormale Art des Verkehrs …«

»Anormal. Anormal ist vieles. Genauer!«

»Er … mein Mann … er wählte nicht den normalen Weg, er …«

»Jetzt langt es mir aber, Frau Steinfeld! Wenn Sie nicht direkt reden wollen, dann muß ich direkt fragen. Also: Bevorzugte der Paul Israel Steinfeld einen Verkehr durch den After?«

»Herr Vorsitzender, ich bitte doch höflichst, zu überlegen, ob man meine Mandantin nicht etwas schonender befragen könnte!« Forster springt wieder auf, erregt zupft er an seinem rechten Ohr.

»Herr Rechtsanwalt, ich glaube, das müssen Sie schon mir überlassen. Ich bin so schonend, wie es nur geht. Sie wollen mich doch nicht etwa an der Aufhellung von Tatbeständen hindern?«

»Natürlich nicht, Herr Vorsitzender.«

»Außerdem – wir sind hier alle keine kleinen Kinder mehr. Es wird wohl niemand unter den Anwesenden seelische Schäden davontragen durch eine solche Befragung.«

»He, he«, keckert der Kurator Dr. Hubert Kummer.

Du verfluchter Hund, denkt Forster, der den Vorsitzenden, den Landgerichtsdirektor Dr. Fritz Gloggnigg, anstarrt. Die Zähne sollte man dir einschlagen dafür, wie du jetzt diese arme Frau quälst, die da vor dir steht, bleich und bebend. Und du, dreckiger Speichellecker von einem Nichts, den die Zeit hochgeschwemmt hat, denkt er und wendet den Kopf ruckartig zu dem Kurator Dr. Hubert Kummer, der noch immer feixt, du bist begeistert, du kannst dich gar nicht fassen vor Entzücken über diesen Menschenquäler von einem Richter – ach, wenn ich dir doch in die Visage hauen könnte! Ich habe ja befürchtet, daß das so zugehen wird. Hoffentlich hält Frau Steinfeld durch. Bleich ist sie wie Wachs.

»Wollen Sie endlich wieder Platz nehmen, Herr Rechtsanwalt?«

Forster setzt sich auf einen harten, einfachen Stuhl und massiert sein Ohr. Die drei langen Bänke des Zuhörerraums, der, durch eine Barriere abgetrennt, menschenleer daliegt, sind aus demselben dunklen Holz wie die Stühle und die beiden großen Tische für Forster und Kummer. Die Anwälte sitzen einander gegenüber. Hinter Forster befinden sich drei große Fenster. Frühlingssonne, warm und grell, fällt in den Raum. Es ist ein schöner Tag – für andere Menschen. Neben Forster steht ein leerer Stuhl. Hier sitzt Valerie, wenn sie nicht gerade verhört wird, wie jetzt. Jetzt hat sie den Platz neben Forster an dem mit Akten und Büchern vollgeräumten Tisch verlassen und steht vor dem Richtertisch, der sich erhöht auf einem Podium befindet. Landgerichtsdirektor Dr. Gloggnigg, groß, untersetzt, mit braunem Haar und kalten, glitzernden Augen, thront über Valerie. An einer Querseite des breiten Tisches arbeitet die farblose, junge Stenographin Herta Bohnen, das fahle Haar zu einem Knoten hochgefaßt, ungeschminkt, mit stumpfem Blick und dumpfem Gesichtsausdruck, kaum je aufblickend, scheinbar (und vermutlich wirklich, denkt Forster) unbeteiligt, gelangweilt, gefühllos und uninteressiert.

Den Wandschmuck hinter Richter Gloggnigg bildet ein großes Hitlerbild unter Glas.

Der Landgerichtsdirektor neigt sich zu Valerie vor. Er betrachtet sie wie der Forscher ein Versuchskaninchen, das Glitzern in seinen Augen wird stärker.

»Frau Steinfeld, ich habe Ihnen eine Frage gestellt. Würden Sie wohl die Güte haben, zu antworten?«

»Nicht durch den After«, antwortete Valerie, plötzlich völlig ruhig. Ihr Gesicht ist weiß, die Lippen sind bläulich. Valerie trägt ein dunkelblaues Kostüm und Schuhe mit Keilabsätzen. Der Boden schwankt unter ihr, so fühlt es sich an, aber sie weiß, daß er nicht schwankt. Sie ballt beide Hände zu Fäusten, so fest, daß sich die Fingernägel ins Fleisch bohren. Es ist das Beruhigungsmittel, das jetzt wirkt, denkt sie. Ich habe zu viel genommen. Was für ein Glück, daß ich zu viel genommen habe. Alles weicht vor mir zurück, ich höre leiser, ich sehe kleiner, meine Glieder sind schwer, mein Körper reagiert träge. Aber mein Kopf ist klar, ganz klar. Ich halte durch, Paul, ich halte schon durch …

»Darf man erfahren, wie der besondere Verkehr dann ablief?« Richter Gloggnigg neigt sich, die Finger verschränkt, die Unterarme auf Fotos, Urkunden und Ahnentafeln, noch weiter vor. Kurator Dr. Kummer scharrt mit den Schuhen. Die tranige Stenographin hebt plötzlich den Kopf und sieht Valerie fischig an.

Das bin gar nicht ich, die da steht und redet, denkt Valerie, das bin gar nicht ich. Ein fremder Mensch ist das, dem ich meine Stimme leihe, damit er tut, was den Buben retten soll. Sie sagt monoton: »Er hat den Verkehr in der Regel in der Form vollzogen, daß er sein Glied zwischen meine Schenkel steckte, aber nicht in … in …«

»Na!« rügt Gloggnigg.

»Herr Vorsitzender, ich bitte dringendst …«, beginnt Forster, aufspringend.

»Unterbrechen Sie die Dame nicht, Herr Rechtsanwalt«, sagt Gloggnigg mit lebensgefährlicher Liebenswürdigkeit. »Sie kommt schon allein zurecht. Also, Frau Steinfeld. Aber nicht in die …«

»Aber nicht in meine Scheide steckte«, sagte Valerie. Die teiggesichtige Stenographin Bohnen glotzt sie an. Forster sieht, daß Valerie leicht schwankt.

»Darf Frau Steinfeld sich setzen, Herr Vorsitzender? Ich fürchte, es ist ihr nicht gut!« Forster hat den leeren Stuhl ergriffen.

»Einen Moment.« Gloggnigg fragt überhöflich: »Ist Ihnen tatsächlich nicht gut, Frau Steinfeld?«

Valerie sieht ihn an. Gloggnigg erwidert den Blick, nun ernst und scheinbar besorgt.

»Nein«, sagt Valerie. »Kein Stuhl, danke. Ich kann sehr gut stehen.«

»Da hören Sie es, Herr Rechtsanwalt«, sagt Gloggnigg. »Ich bitte mir aus, daß Sie nicht andauernd die Einvernahme stören.« Und zu der jungen Stenographin, die sich gerade lange und heftig an der Hüfte kratzt: »Haben Sie alles?«

»Ja, Herr Vorsitzender.«

»Sehen Sie, wir kommen weiter.« Gloggnigg blickt wieder auf Valerie herab. »So verkehrte Ihr Gatte Paul Israel Steinfeld also mit Ihnen.«

Vorsicht, denkt Forster. Wir haben das alles durchgesprochen. Sie darf jetzt keinen Fehler machen.

»Auch anders«, sagte Valerie.

»Nämlich wie?«

»Normal. Nur brach er vorzeitig ab.«

»Coitus interruptus?«

»Ja.«

Der Kurator wird munter: »Sie erlauben, Herr Vorsitzender, eine Zwischenfrage?«

»Bitte, Herr Doktor?«

»Frau Steinfeld, wenn es sich wirklich so verhält, wie Sie es schildern …«

»Es verhält sich genauso«, sagt Valerie. Ihre Lippen sind nun graublau. »… dann kann Ihr Mann Paul Israel Steinfeld ja niemals auch nur einen Moment wirklich geglaubt haben, daß Ihr Sohn Heinz von ihm gezeugt wurde.« Kummer sagt lauernd: »In Ihrer schriftlichen Aussage nun, Frau Steinfeld, erklären Sie auf … Seite fünf …, daß Ihr Mann zwar später Zweifel an der Vaterschaft des Jungen zum Ausdruck brachte – aber nirgends lese ich ein Wort darüber, daß er sie von vornherein bestritt! Wie erklären Sie das?«

»Mein Mann verkehrte am liebsten in der geschilderten Art mit mir …«

Voller Sorge sieht Forster, daß Valeries Schläfen eingefallen sind. Bläuliche Adern pulsieren dort. »… aber nicht nur.«

»Das bedeutet, daß Sie eine Zeugung des Sohnes durch den Paul Israel Steinfeld also nicht ausschließen können!« schlägt Gloggnigg blitzschnell zu.

»Mein Mann jedenfalls glaubte es nicht ausschließen zu können, Herr Richter. Ich habe in meiner schriftlichen Aussage genau erläutert, wie sich das abspielte.«