Выбрать главу

»Damals«, sagte Bianca, »war es Sommer. Anfang Juni 1943. Schon irre heiß. An diesem Sonntag hatte Heinz drüben im Werk Luftschutzdienst. Mit ein paar anderen. Eine Routinesache, jeder kam immer wieder dran. Es gab noch keine Luftangriffe auf Wien. Die Männer hatten nichts zu tun, es machte nichts, wenn einer einmal wegging …«

Wir müssen ganz nahe am Wasser sein, dachte Manuel. Er konnte es riechen.

»Heinz und ich fanden das herrlich. Als mein Kursus in der Herrengasse beendet war, hatten wir immer neue Treffpunkte gesucht und gefunden – in Stadtbahnunterführungen, einsamen Parks, Kirchen. Und immer neue Ausreden und Alibis. Meine Freundin half mir sehr, auf sie konnte ich mich verlassen. Inge hieß sie. Inge Pagel. Sie half mir auch damals und hier …«

»Wie?« fragte Irene.

»Ich war früher im Sommer mit Heinz immer nach Klosterneuburg hinauf an die Donau gefahren«, sagte Bianca. Und erklärend an Manuel gewandt: »Nördlich von Wien. Mein Vater hatte in diesem Juni 43 gerade eine große Vortragsreise, quer durch Österreich. Ich war mit Mutter allein. Ich sagte, Inge und ich würden nach Klosterneuburg fahren an jenem Sonntag. Inge hatte auch einen Freund. Mit dem fuhr sie wirklich hinauf. Ich nahm die Hainburger Bahn und fuhr hierher … In einem Monat begannen meine Ferien! Dann konnte ich Heinz öfter hier treffen, viel öfter … Er würde dann eben mehr Luftschutzdienst haben an Sonntagen – den von anderen Arbeitern übernehmen! Oder ich konnte auf ihn warten, um fünf Uhr war er mit der Arbeit fertig. Zu Hause wollte er erzählen, daß er Überstunden machen mußte. Es war alles schon geplant. Aber dieser sechste Juni, dieser Sonntag, das war das erste Mal. Ich kam gegen zehn Uhr an. Heinz erwartete mich nicht am Bahnhof, sondern hier in dieser Allee, er hatte mir den Weg genau erklärt. Niemand sollte uns sehen. Und da gingen wir dann, Hand in Hand, heiß war es, ein wunderschöner Tag, keine Wolke am Himmel … Als wir zum Strom kamen, lag da das Boot eines Fischers, angebunden an einem Pflock … Mein Gott«, sagte Bianca, »schauen Sie doch, da liegt wieder ein Boot …«

Sie waren nun durch gefrorenes Schilf geschritten und standen am Ufer der Donau, deren Wasser grau, träge und langsam vorbeifloß. Man sah nicht den ganzen Strom, denn direkt gegenüber, keine zwanzig Meter entfernt, erstreckte sich eine lange, mit Gebüschen und Bäumen bewachsene schmale Insel. Auch sie war völlig weiß und in Schnee versunken. »Wir nahmen das Boot und ruderten hinüber«, sagte Bianca, und ihre Stimme klang atemlos, und ihre grauen Augen waren nun dunkel. »Keinen Menschen sahen wir, nicht einen einzigen. Die Luft glühte … Ich war so aufgeregt wie noch nie in meinem Leben. Und Heinz war es auch, genauso aufgeregt wie ich …«

20

Knirschend glitt der alte Kahn ein Stück den Strand der Insel empor. Heinz sprang an Land und half Bianca beim Aussteigen. Sie hielt vorsichtig eine Tasche, in welcher sich der Tagesproviant, den ihre Mutter bereitet hatte, und ihr Badeanzug befanden. Bianca trug ein blaues, ärmelloses Kleid, Heinz kurze Hosen, Sandalen und ein weißes Hemd. Eine Badehose hatte er in der Hand. Nun zog er das Boot weit auf den Sandboden der Insel. Saftig grün leuchteten das Gras und die Blätter des Unterholzes, silbern und hell die Blätter der alten Bäume. Bianca sah, jenseits der kleinen Insel, den breiten Strom, das andere Ufer, Auwälder, Schornsteine und Fabriken, weit, weit fort das alles, im glitzernden Sonnenglast dieses Tages.

»Komm, wir gehen da hinüber«, sagte Heinz. Er schritt durch den Sand voraus auf eine Stelle mit hohem Gras zu. Sie folgte ihm, und ihr Herz schlug bis zum Hals.

»Hier ist es schön. Ganz weich … und keiner kann uns sehen vom Ufer …« Er trampelte eine Stelle glatt. Dann richtete er sich auf. Sie stand dicht vor ihm. Ihr Blick suchte den seinen. Er errötete.

»Was ist? Wir wollen doch schwimmen … oder nicht?«

»Doch, natürlich. Nur …«

»Nur was?«

»Du mußt dich umdrehen, wenn ich mich ausziehe.«

»Ja«, sagte Heinz. Während er schon sein Hemd aufknöpfte, wandte er ihr den Rücken. Er zog das Hemd über den Kopf. Er streifte die Hose ab, die Unterhose, die Sandalen.

Bianca entkleidete sich gleichfalls. Sie bemerkte, daß ihre Hände zitterten, als sie den Büstenhalter öffnete, als sie das Höschen herabzog, ihre Schuhe abstreifte. Laut fühlte sie ihr Herz klopfen, so laut! Mit einem jähen Entschluß drehte sie sich um. Im gleichen Moment wandte auch Heinz sich ihr zu. Sie standen einander gegenüber, völlig nackt, von der Sonne beschienen. Sie sahen einander mit flackernden Augen an. Dann glitt sein Blick über ihre vollen Brüste tiefer, den ganzen Körper hinab. Auch sie betrachtete ihn, bemerkte seine Erregung. Ein heftiger Schauer durchrieselte ihren Körper.

»Schön …«, stammelte Heinz. »So schön bist du …«

Er streckte die Arme aus und zog sie an sich. Sie fühlte seinen Leib. Ihre Knie gaben nach. Sie schlang die Arme um ihn.

»Bianca …«

»Du …« Mit ihm sank sie in das Gras. Sie lag auf dem Rücken, er über ihr. Sie flüsterte: »Ich … habe Angst … ich habe doch noch nie … es soll weh tun …«

»Es tut nicht weh …«

»Woher weißt du das? Hast du schon einmal …«

»Nein … Es ist auch für mich das erste Mal … Das weißt du doch … Ich liebe doch nur dich … Vorher hat es keine gegeben.«

»Dann wird es doch weh tun … Heinz … bitte, Heinz …«

»Willst du es denn nicht?«

»Ich will es genauso wie du …«

»Keine Angst«, sagte er, ihre Brüste streichelnd. »Gar keine Angst, Bianca, Liebes, Liebling … Ich habe gelesen, wie man das machen muß … Ich weiß es genau … Wenn man vorsichtig ist … und es langsam tut … Wir haben Zeit … den ganzen Tag haben wir Zeit …« Sie bemerkte, daß er etwas aus einer Papierhülle nahm.

»Was machst du?«

»Wir müssen doch vorsichtig sein, Bianca … Ich passe auf … Ich passe sehr auf … Gib die Hände da weg … Sei locker … ganz locker … Ich tu dir nicht weh … bestimmt nicht …«

Sie seufzte tief, schloß die Augen und ließ sich zurücksinken. Er begann den ganzen Körper mit Küssen zu bedecken, die Lippen, die Lider, die Stirn, die Schultern, die Arme, die Brüste, den Leib, die Scham. Er drückte ihre Schenkel auseinander und kniete zwischen ihnen nieder. Er küßte sie dort.

»Heinz, Heinz …«

»Laß dir Zeit … Und hab keine Angst … Ich weiß, was man tun muß … Es stand alles in diesem Buch …« Er verstummte und erregte sie weiter, behutsam und sanft.

Plötzlich öffnete Bianca weit die Augen.

»Komm jetzt!«

Er glitt über sie. Bianca wand sich und stöhnte ein wenig, als er sie nahm. Sie stöhnte noch einmal, gleich darauf. Erschrocken hielt er inne.

»Tut es doch weh … sehr? Soll ich …«

»Nein … nein …« Sie preßte ihn an sich. »Es ist schon vorbei. Du hast es herrlich gemacht … Es tut schon nicht mehr weh … langsam … Mach langsam weiter, ganz langsam … Jetzt wird es wunderbar … ganz wunderbar … O ja, ja, ja …«

Bianca hatte den Kopf seitlich gedreht. Sein Kopf lag an ihrem Hals. Sie sah den tiefblauen Himmel, sehr groß ein paar Gräser über sich, sonst nichts. Und sie fühlte, wie tief in ihrem Innern etwas zu klopfen, wie etwas zu drängen begann, sie hatte das Gefühl, zu schweben, zu fliegen, es war, als zöge sich ihr ganzes Bewußtsein auf eine Stelle zusammen, mehr, mehr, immer mehr. Und dann kam es – sie wußte nicht, was mit ihr geschah, noch nie hatte sie so etwas erlebt, etwas so Unerhörtes. Sie legte die Schenkel um seine Hüften, sie preßte ihre Arme gegen seinen Rücken.

»Ja, ja … genauso mach weiter … ganz genauso …«

Er antwortete nicht. Seine Bewegungen blieben dieselben.

»Jetzt gleich … gleich … da … da!« Sie schrie laut auf. Er preßte seinen Mund auf den ihren, als sie sich zu verströmen begann. Es nahm kein Ende. Da war es wieder. Und wieder. Und noch einmal. Wenn ich jetzt sterben würde, dachte Bianca, ich wäre der glücklichste Mensch von der Welt. So schön ist das also. So unbeschreiblich schön. Und ich hatte solche Angst davor, solche Angst. Ach, Heinz, Heinz, mein Geliebter …