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»Zugegeben — aber wir sollten trotzdem kein Loch in die Tür schießen.«

Khouri trat näher.

Wenn es eine Anzeige für den Druck im Inneren der Schleuse gab, so war sie unter der Schmutzschicht nicht zu erkennen.

»Ich kann den Strahl ganz dünn einstellen. Dann bekommt die Tür nur ein nadelfeines Loch.«

Volyova überlegte kurz, dann sagte sie: »Tu das!«

»Wir ändern den Plan, Hegazi. Wir machen ganz oben in die Tür ein Loch. Sollten Sie stehen, dann würde ich Ihnen raten, sich hinzusetzen und sich Gedanken über die Regelung Ihres Nachlasses zu machen.«

Immer noch keine Antwort.

Was Khouri mit dem Plasmagewehr vorhatte, war fast eine Beleidigung, dachte Volyova. Es war schließlich kein Präzisionsinstrument. Ebenso gut könnte man versuchen, mit einem Industrielaser eine Hochzeitstorte zu schneiden. Aber Khouri probierte es trotzdem. Ein Blitz, ein Krachen, das Gewehr spie einen dünnen, langgezogenen Lichtstrahl gegen die Tür. Ein Loch von Holzwurmgröße war entstanden, aus dem ein Rauchfaden aufstieg.

Aber nur für einen Moment.

Dann spritzte in hohem Bogen und mit lautem Zischen eine schwarze Flüssigkeit aus der Öffnung.

Khouri vergrößerte unverzüglich das Loch, obwohl weder sie noch Volyova damit rechneten, dass in der Luftschleuse noch jemand am Leben war. Entweder war Hegazi tot — wodurch auch immer —, oder er hatte die Schleuse verlassen und dieser Hochdruckstrahl war eine letzte mysteriöse Botschaft an die, die ihn gefangen genommen hatten.

Khouri schoss weiter und der Strahl wurde armdick. Die trübe Flüssigkeit spritzte ihr mit solcher Wucht entgegen, dass sie rücklings in den Schlamm geschleudert wurde. Auch das Plasmagewehr fiel klirrend in die knöcheltiefe Pfütze. Das Zeug zischte erbost, als es die heiße Mündung der Waffe berührte. Als Khouri sich wieder aufgerappelt hatte, tröpfelte nur noch ein schwaches Rinnsal mit rülpsenden Geräuschen durch die Löcher in der Tür. Sie hob das Gewehr auf und schüttelte den Schlamm ab. Ob es noch funktionierte, war zu bezweifeln.

»Das ist Schiffsschleim«, sagte Volyova. »Das gleiche Zeug, in dem wir stehen. Den Gestank erkenne ich sofort.«

»Die Schleuse war voll Schiffsschleim?«

»Frag mich nicht, wie das zugeht. Mach mir nur ein größeres Loch in die Tür.«

Khouri schoss erneut, bis die Lücke so groß war, dass sie den Arm hindurchstecken und den inneren Öffnungsschalter bedienen konnte, ohne die heißen Metallränder zu berühren. Volyova hatte Recht, dachte sie, die Drucksensoren hatten den Schließmechanismus blockiert. Die Schleusenkammer war zum Bersten vollgepumpt mit Schiffsschleim.

Die Tür ging auf und eine letzte Schleimwelle ergoss sich in den Korridor.

Zusammen mit Hegazis Überresten. Entweder der zu hohe Druck oder die explosionsartige Entlastung hatten dazu geführt, dass sich seine organischen und seine metallischen Bestandteile im Unfrieden voneinander trennten.

Einunddreißig

Cerberus/Hades,

an der Heliopause von Delta Pavonis

2566

»Jetzt ist wohl eine Zigarette fällig«, sagte Volyova. Sie wusste im ersten Moment gar nicht mehr, wo sie die Glimmstängel verstaut hatte, fand sie aber schließlich in einer selten benutzten Tasche ihrer Fliegerjacke. Sie ließ sich viel Zeit, das Päckchen zu öffnen und eins der zerknitterten, vergilbten Röhrchen herauszufischen, und als sie endlich so weit war, inhalierte sie gemächlich und wartete, bis ihre flatternden Nerven wie eine Wolke aufgewirbelter Federn allmählich zur Ruhe kamen.

»Das Schiff hat ihn getötet«, sagte sie und schaute auf Hegazis Überreste hinab, bemühte sich aber nach Kräften, nicht weiter über den Anblick nachzudenken. »Das ist das Einzige, was Sinn ergibt.«

»Ihn getötet?«, fragte Khouri. Sie hielt den Lauf ihres Plasmagewehrs immer noch auf die Fetzen des Triumvirs gerichtet, die zu ihren Füßen im glitschigen Schiffsschleim schwammen, als fürchte sie, die Teile könnten sich jeden Moment wieder zu einem Ganzen zusammenfügen. »Du meinst, das war kein Unfall?«

»Nein, das war kein Unfall. Ich weiß, dass er mit Sajaki und folglich auch mit Sylveste gemeinsame Sache machte. Trotzdem hat ihn Sonnendieb getötet. Da kommt man ins Grübeln, nicht wahr?«

»Das kann man wohl sagen.«

Vielleicht war Khouri bereits selbst dahinter gekommen, aber Volyova erklärte es ihr trotzdem. »Sylveste hat das Schiff verlassen. Er ist auf dem Weg zu Cerberus, und da es mir nicht gelungen ist, den Brückenkopf zu sabotieren, kann ihn kaum noch etwas aufhalten. Er wird ins Innere gelangen. Verstehst du? Das heißt, Sonnendieb hat gesiegt. Er braucht nichts mehr zu tun. Der Rest ist nur noch eine Frage der Zeit. Es genügt, wenn der Status quo erhalten bleibt. Und durch wen wird der bedroht?«

»Durch uns«, sagte Khouri zögernd wie ein kluger Schüler, der seinen Lehrer beeindrucken, sich aber nicht dem Spott seiner Klassenkameraden aussetzen will.

»Mehr als das. Nicht nur durch dich und mich; nicht einmal, wenn wir Pascale mit einbeziehen. Für Sonnendieb war auch Hegazi eine Bedrohung. Und zwar aus einem einzigen Grund: weil er ein Mensch war.« Das waren natürlich nur Vermutungen, aber für Volyova klangen sie vollkommen einleuchtend. »Für jemanden wie Sonnendieb ist menschliche Loyalität ein unberechenbares, chaotisches Phänomen — vielleicht ist es ihm nicht einmal ganz verständlich. Er hatte Hegazi umgedreht — oder zumindest die Leute, denen Hegazis Loyalität bereits gehörte. Aber verstand er, von welcher Dynamik diese Loyalität beherrscht wurde? Das bezweifle ich. Hegazi war eine Komponente, die ihren Dienst getan hatte und womöglich irgendwann zum Störfaktor wurde.« Sie war von einer eisigen Ruhe erfüllt, die daher rührte, dass sie ihrer eigenen Vernichtung ins Auge sah und wusste, dass sie ihr selten so nahe gewesen war. »Also musste er sterben. Und nachdem Sonnendieb sein Ziel jetzt fast erreicht hat, gedenkt er mit uns anderen sicher ebenso zu verfahren.«

»Wenn er uns töten wollte…«

»Hätte er es bereits getan? Vielleicht hat er es ja versucht, Khouri. Große Teile des Schiffes werden nicht mehr zentral gesteuert, dadurch sind Sonnendiebs Möglichkeiten begrenzt. Er hat von einem Körper Besitz ergriffen, der nur noch zur Hälfte funktionsfähig ist, weil er vom Aussatz zerfressen wird und obendrein gelähmt ist.«

»Sehr poetisch, aber was bedeutet das für uns?«

Volyova zündete sich eine zweite Zigarette an. Mit der ersten hatte sie kurzen Prozess gemacht. »Für uns bedeutet das, er wird versuchen, uns zu töten, wobei allerdings schwer vorauszusehen ist, welche Mittel er dafür noch hat. Er kann nicht einfach das ganze Schiff luftleer machen, denn dafür existiert keine Befehlshierarchie. Das könnte nicht einmal ich, es sei denn, ich wollte alle Schleusen von Hand öffnen, und dazu müsste ich zuerst Tausende von elektromechanischen Sicherungen außer Kraft setzen. Wahrscheinlich wäre es auch nicht einfach für ihn, größere Bereiche als diese Luftschleuse mit Schleim zu überfluten. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ihm schon etwas einfallen wird.«

Sie hob plötzlich und fast automatisch mit beiden Händen das Projektilgewehr und zielte damit in den dunklen Korridor, der zur Schleuse führte.

»Was ist?«

»Nichts«, sagte Volyova. »Ich bin nur nervös. Auffallend nervös. Du weißt wahrscheinlich auch nicht, was wir jetzt tun sollen, Khouri?«

Khouri hatte tatsächlich einen Vorschlag.

»Wir sollten Pascale suchen. Sie kennt sich nicht so gut aus wie wir. Und wenn es gefährlich wird…«

Volyova drückte ihre Zigarettenkippe am Lauf des Projektilgewehrs aus.

»Du hast Recht; wir sollten zusammenbleiben: Und das werden wir auch. Sobald…«