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Khouri verließ das Arbeitszimmer. Die beiden blieben allein zurück und konnten sich weiter mit den tiefsinnigen, schweren Themen beschäftigen, deren Erörterung sie nur unterbrochen hatten, um sich ihr zu widmen.

Sie stieg die Treppe wieder hinauf und betrat abermals die Hades-Oberfläche. Die Kruste war immer noch rot glühend, immer noch eifrig mit Rechenvorgängen beschäftigt. Khouri war inzwischen lange genug hier, um sich mit ihren Sinnen auf die Umgebung einzustellen. Nun kam ihr zu Bewusstsein, dass die Kruste die ganze Zeit unter ihren Füßen pulsiert hatte wie ein gewaltiger Motor in einem Keller. Wahrscheinlich war das sogar ein treffender Vergleich. Die Kruste war ja nichts anderes als ein Simulationsmotor.

Sie dachte an Sylveste und Pascale, für die jetzt ein neuer Tag für die Erforschung ihrer wunderbaren neuen Welt begann. Seit sie gegangen war, mochten für die beiden Jahre vergangen sein. Doch das zählte kaum. Sie hatte den Verdacht, dass sie erst dann den Tod wählen würden, wenn nichts anderes sie mehr faszinieren konnte. Und das würde, wie Sylveste selbst gesagt hatte, wohl nicht so bald der Fall sein.

Sie schaltete den Anzugkommunikator ein.

»Ilia… kannst du mich hören? Es klingt albern, aber man sagte mir, du wärst vielleicht noch am Leben.«

Nichts als statisches Rauschen. Enttäuscht sah sie sich auf der glühenden Ebene um. Was sollte sie jetzt wohl als Nächstes tun?

Doch plötzlich: »Khouri, bist du das? Wie kommst du dazu, noch immer am Leben zu sein?«

Die Stimme hörte sich unheimlich an. Sie wechselte ständig das Tempo, als wäre Ilia betrunken, doch dafür waren die Veränderungen nun wieder zu regelmäßig.

»Das Gleiche könnte ich dich fragen. Das Letzte, woran ich mich erinnere, war, dass das Shuttle alle viere von sich streckte. Willst du behaupten, du fliegst noch immer da draußen herum?«

»Viel besser«, sagte Volyova. Ihre Stimme kletterte das ganze Spektrum auf und ab. »Ich bin auf einem Shuttle; hörst du das? Ich bin auf einem Shuttle.«

»Wie, zum…«

»Das Schiff hat es geschickt. Die Unendlichkeit.« Volyova war ganz atemlos vor Aufregung; sie hatte es offenbar kaum noch erwarten können, jemandem davon zu erzählen. »Ich dachte, es sollte mich töten. Der letzte Angriff, das Einzige, was mir noch fehlte. Aber er kam nicht. Stattdessen hat mir das Schiff ein Shuttle geschickt.«

»Das begreife ich nicht. Eigentlich müsste Sonnendieb nach wie vor das Steuer in der Hand haben und versuchen, uns zu erledigen…«

»Nein«, sagte Volyova immer noch mit dieser kindlichen Freude in der Stimme. »Nein, es hat schon alles seine Richtigkeit — immer vorausgesetzt, meine Aktion hat funktioniert, aber das muss wohl der Fall gewesen sein…«

»Was hast du getan, Ilia?«

»Ich… äh… ich habe den Captain erwärmt.«

»Du hast was gemacht?«

»Ja; es war eine ziemlich radikale Lösung. Aber ich dachte mir, wenn ein Parasit versucht, das Schiff unter seine Kontrolle zu bekommen, bekämpft man ihn am wirkungsvollsten mit einem noch stärkeren Parasiten.« Volyova hielt inne, als wartete sie darauf, dass Khouri ihr die Logik ihrer Handlungsweise bestätige. Als keine Antwort kam, fuhr sie fort: »Seither ist kaum ein Tag vergangen — weißt du, was das bedeutet? Die Seuche muss in wenigen Stunden große Teile des Schiffes transformiert haben! Sie muss eine unglaubliche Geschwindigkeit vorgelegt haben; Fortschritte von mehreren Zentimetern pro Sekunde!«

»Hattest du dir das auch gut überlegt?«

»Khouri, ich habe wahrscheinlich in meinem ganzen Leben noch nie so unüberlegt gehandelt. Aber es hat offenbar gewirkt! Zumindest haben wir einen Größenwahnsinnigen gegen einen anderen eingetauscht — und dieser andere scheint nicht ganz so versessen darauf zu sein, uns zu vernichten.«

»Schätze, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wo bist du jetzt? Warst du schon an Bord?«

»Wohl kaum. Nein, ich habe die letzten Stunden damit verbracht, nach dir zu suchen. Wo, zum Teufel, bist du, Khouri? Ich kann dich nicht richtig anpeilen.«

»Ich glaube, das willst du gar nicht wissen.«

»Wir werden ja sehen. Ich möchte dich jedenfalls so bald wie möglich auf diesem Shuttle sehen. Allein kehre ich nicht auf das Lichtschiff zurück, falls du es ganz genau wissen willst. Ich glaube nicht, dass es dort noch so aussieht, wie wir es in Erinnerung haben. Du… äh… kannst doch zu mir kommen?«

»Ich denke schon.«

Man hatte Khouri gesagt, was sie tun sollte, um die Hades-Oberfläche zu verlassen, und das tat sie nun, auch wenn es ihr nicht sehr sinnvoll erschien. Pascale hatte es ihr eindringlich ans Herz gelegt — die Matrix würde die Botschaft verstehen und die Blase mit schwacher Gravitation ins All projizieren. Sie würde wie in einer Flasche in Sicherheit gebracht.

Also breitete sie die Arme weit aus, als hätte sie Flügel; als könne sie fliegen.

Und schon blieb der rote Untergrund — immer noch wabernd vor Aktivität — unter ihr zurück.

Unendlichkeit

Roman

Aus dem Englischen von Irene Holicki

Deutsche Erstausgabe

Wilhelm Heyne Verlag München

HEYNE SCIENCE FICTION FANTASY Band 06/6376

Titel der englischen Originalausgabe: Revelation Space

Deutsche Übersetzung von Irene Holicki

Das Umschlagbild ist von Chris Moore

3. Auflage

Redaktion: Wolfgang Jeschke

Copyright © 2000 by Alastair Reynolds

Englische Erstausgabe by Victor Gollancz, An Imprint of Orion Books Ltd. London Mit freundlicher Genehmigung des Autors und Orion Books Ltd.

Copyright © 2001 der deutschen Übersetzung by

Wilhelm Heyne Verlag GmbH Co. KG, München http://www.heyne.de

Deutsche Erstausgabe 12/2001

Printed in Germany 2003

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Technische Betreuung: M. Spinola

Satz: Schaber Satz- und Datentechnik, Wels

Druck und Bindung: Bercker, Kevelaer

ISBN 3-453-18787-3