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»Er muss irgendwie eine Datenverbindung zu meinem Notepad aufgebaut und auf meine persönlichen Daten zugegriffen haben. Dieser Dreckskerl.«

»Jetzt wissen Sie, wie mir zumute ist. Warum haben Sie das getan, Pascale?«

»Anfangs hatte ich keine andere Wahl. Ich wollte Sie studieren, und ohne meinen wirklichen Namen zu verleugnen, hätte ich niemals Ihr Vertrauen gewonnen. Möglich war es: nur wenige Menschen wissen überhaupt von meiner Existenz und noch weniger kennen mein Aussehen.« Sie hielt inne. »Und es hat doch geklappt, nicht wahr? Sie haben mir vertraut. Und ich habe Ihr Vertrauen nicht missbraucht.«

»Ist das auch wirklich wahr? Haben Sie Nils nie etwas verraten, was ihm hätte nützen können?«

Sie sah ihn gekränkt an. »Man hatte Sie vor dem Umsturz gewarnt, wissen Sie nicht mehr? Wenn jemand betrogen wurde, dann war es mein Vater.«

Er suchte eher halbherzig nach Argumenten, um ihre Sicht der Dinge zu widerlegen. Vielleicht hatte sie ja Recht. »Und die Biografie?«

»Das war die Idee meines Vaters.«

»Ein Mittel, um mich in Verruf zu bringen?«

»Die Biografie enthält nur die reine Wahrheit — oder Sie wissen mehr als ich.« Sie hielt inne. »Inzwischen ist sie fast reif zur Veröffentlichung. Calvin war mir eine große Hilfe. Sind Sie sich im Klaren darüber, dass diese Biografie das erste größere literarische Werk ist, das auf Resurgam verfasst wurde? Natürlich nach den Amarantin.«

»Und sie ist tatsächlich ein Kunstwerk. Wollen Sie unter Ihrem richtigen Namen veröffentlichen?«

»So war es von vornherein geplant. Ich hatte natürlich gehofft, dass Sie mir nicht vorher auf die Schliche kommen würden.«

»Machen Sie sich keine Sorgen. Unsere gemeinsame Arbeit wird dadurch nicht beeinträchtigt, glauben Sie mir. Schließlich wusste ich immer, dass Nils als Autor im Hintergrund steht.«

»Das macht es Ihnen leichter, nicht wahr? Meiner Arbeit jegliche Bedeutung abzusprechen?«

»Haben Sie die Daten, die Sie mir versprochen hatten?«

»Ja.« Sie reichte ihm eine Karte. »Ich pflege Wort zu halten, Doktor. Aber ich fürchte sehr, dass ich jetzt auch noch den letzten Rest von Respekt vor Ihnen verliere.«

Sylveste nahm die Karte zwischen Daumen und Zeigefinger und bog sie hin und her. Die Ergebnisse der Electron-Messung scrollten über die Oberfläche. Das Bild, das hinter den Zahlen stand, fesselte ihn so sehr, dass er sich nur teilweise auf das Gespräch mit Pascale konzentrieren konnte. »Als Ihr Vater mir zum ersten Mal von der Biografie erzählte, sagte er, der Autor sei eine Verehrerin von mir, deren Illusionen nur darauf warteten, zerstört zu werden.«

Sie stand auf. »Wir verschieben das Ganze besser auf ein anderes Mal.«

»Nein, warten Sie.« Sylveste griff nach ihrer Hand. »Es tut mir Leid. Ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen. Verstehen Sie?«

Sie zuckte vor seiner Berührung zurück und entspannte sich nur langsam. Ihr Blick blieb wachsam. »Worüber?«

»Darüber.« Er klopfte mit dem Daumen auf die Analyse. »Es ist sehr interessant.«

Volyovas Shuttle befand sich im Anflug auf eine Werft unweit des Lagrange-Punkts zwischen Yellowstone und seinem Mond Marcos Auge. Etwa ein Dutzend Lichtschiffe parkten dort, mehr als Khouri in ihrem ganzen Leben auf einmal gesehen hatte. Im Zentrum der Werft befand sich ein größeres Karussell; am Rand des Rades hingen wie ein Wurf Ferkel viele kleinere Schiffe für den interplanetaren Verkehr. Einige Lichtschiffe hingen in Gitterkonstruktionen, um Ihre Eisschilde oder ihren Synthetiker-Antrieb generalüberholen zu lassen. Auch Synthetiker-Schiffe waren darunter; schnittig und schwarz, als wären sie aus dem gleichen Material gemacht wie das Weltall. Der Rest der Raumschiffe trieb im Grunde ziellos auf einer langsamen Umlaufbahn um das Schwerkraftzentrum des Lagrange-Punkts. Khouri vermutete, dass für den Parkbetrieb komplizierte Verkehrsregeln existierten. Wer wem ausweichen musste, um eine Kollision zu vermeiden, die jeder Computer schon Tage im Voraus hätte berechnen können, war sicher genauestens vorgeschrieben. Der Aufwand an Treibstoff, um ein Schiff vom Kollisionskurs abzubringen, war unbedeutend im Verhältnis zu den Gewinnspannen, mit denen ein normales Handelsschiff bei einem Zwischenstopp rechnete… aber ein Gesichtsverlust wäre schwerer zu verkraften. Um Sky’s Edge hatten nie so viele Schiffe geparkt, doch selbst dort hatte sie gehört, dass Besatzungen wegen der Parkhierarchie und der Handelsprivilegien in Streit gerieten. Viele Planetenhocker betrachteten die Ultras fälschlicherweise als in sich homogene Untergruppe der Menschheit. In Wahrheit gab es ebenso viele Splittergruppen, die einander nicht über den Weg trauten, wie in allen anderen Schichten der Menschheit.

Volyovas Schiff war jetzt ganz nahe.

Wie alle Lichtschiffe hatte es eine geradezu unglaubliche Stromlinienform. Im All herrschten nur bei langsamen Geschwindigkeiten annähernd Vakuumbedingungen. Nahe der Lichtgeschwindigkeit — und so flogen diese Schiffe die meiste Zeit — rasten sie wie durch einen pfeifenden Sturm. Deshalb waren sie gebaut wie ein Dolch: der konische Rumpf verjüngte sich zu einem nadelspitzen Bug, der das interstellare Medium durchstieß, zwei mit Tragholmen am Heck befestigte Synthetiker-Triebwerke bildeten den verschnörkelten Griff. Das Ganze war von einem Eispanzer umgeben, der wie ein Diamant glitzerte. Als das Shuttle nun auf Volyovas Schiff hinabstieß, bekam Khouri einen flüchtigen Eindruck von seiner ungeheuren Größe. Es war, als flöge man über eine Stadt. Dann öffnete sich eine Irisblende und legte eine erleuchtete Andockbucht frei. Volyova lenkte das Schiff mit wenigen, fachmännisch dosierten Schüben der Steuerdüsen darauf zu und setzte es auf einen Schlitten. Khouri hörte Verbindungskabel und Anschlüsse mit dumpfem Klicken einrasten.

Volyova schnallte sich als Erste ab. »Wollen wir an Bord gehen?«, fragte sie nicht ganz so zuvorkommend, wie Khouri erwartet hätte.

Sie stießen sich ab und schwebten durch das Shuttle und hinaus in den geräumigen Verbindungsgang. Noch waren sie im freien Fall, aber am Ende des Korridors sah Khouri eine komplizierte Vorrichtung zur Verbindung von stationären und rotierenden Schiffsteilen.

Ihr wurde ganz flau im Magen, aber das ging Volyova nun wirklich nichts an.

»Bevor wir weitergehen«, sagte die Ultra-Frau, »muss ich Ihnen jemanden vorstellen.«

Sie schaute über Khouris Schulter zu dem Shuttle zurück, das sie an Bord gebracht hatte. Khouri hörte ein leises Scharren: jemand zog sich Hand über Hand an den Geländern entlang, die um den Korridor herum angebracht waren. Das konnte nur bedeuten, dass eine dritte Person mit im Shuttle gewesen war.

Hier stimmte etwas nicht.

Volyova benahm sich nicht so, als wolle sie eine potenzielle neue Untergebene beeindrucken. Was Khouri dachte, schien ihr ziemlich gleichgültig zu sein, so als spiele es keine Rolle. Khouri sah sich um und erkannte den Komuso, der den Fahrstuhl mit ihnen geteilt hatte. Sein Gesicht war unter dem Weidenhelm der Mönchstracht nicht zu erkennen. Die Shakuhachi ruhte in seiner Armbeuge.

Khouri setzte zum Sprechen an, doch Volyova winkte ab. »Willkommenen Bord der Sehnsucht nach Unendlichkeit, Ana Khouri. Von diesem Augenblick an sind Sie unser neuer Waffenoffizier.« Dann nickte sie dem Komuso zu. »Tun Sie mir doch bitte einen Gefallen, Triumvir.«

»Sie wünschen?«

»Schlagen Sie sie nieder, bevor sie einen von uns zu töten versucht.«

Khouri sah den Bambusstab herabsausen wie einen goldenen Blitz, dann wurde es dunkel um sie.

Sylveste glaubte, Pascales Parfüm zu riechen, bevor er sie mit den Augen in der Menge vor dem Gefängnisgebäude entdeckte. Er wollte unwillkürlich auf sie zu eilen, aber die beiden stämmigen Milizsoldaten, die ihn aus seiner Zelle geholt hatten, hielten ihn zurück. Die Menge hinter der Absperrung empfing ihn mit Pfiffen und gedämpften Beschimpfungen, aber das nahm er nur am Rande wahr.