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Nun folgte sie ihr wie versprochen durch die Tür. Die Neue hatte wenige Meter hinter der Schwelle erkannt, dass sie nicht weiterkam, und war stehen geblieben.

Volyova schloss die große Irisblende hinter ihnen.

»Wo sind wir, Triumvir?«

»In einem meiner kleinen Schlupfwinkel«, sagte Volyova. Sie sprach in ihr Armband, ein Licht ging an, aber das Innere blieb dämmrig. Der Raum hatte die Form eines dicken Torpedos, zwei Mal so lang wie breit. Die Einrichtung war auffallend prächtig. Vier scharlachrote Polstersessel waren nebeneinander auf dem Fußboden festgeschraubt und dahinter war noch Platz für zwei weitere, von denen allerdings nur noch die Verankerungen zu sehen waren. Wo die gewölbten Wände mit den Messingrippen nicht mit Samt gepolstert waren, glänzten sie in tiefem Schwarz, als bestünden sie aus Obsidian oder Marmor. Volyova setzte sich auf den vordersten Sessel. An der Armlehne war eine schwarze Ebenholzkonsole befestigt. Sie klappte sie herunter und machte sich mit den Anzeigen und Schaltern vertraut. Alle waren aus Messing oder Kupfer gefertigt und mit kunstvoll beschrifteten Täfelchen versehen, die von verschnörkelten Intarsien aus verschiedenen Holzarten und aus Elfenbein umrahmt wurden. Volyova fand sich schnell zurecht, denn sie besuchte den Spinnenraum ziemlich regelmäßig, aber sie genoss es, einfach mit den Fingerspitzen über das Schaltpult zu streichen.

»Sie sollten auch Platz nehmen«, sagte sie. »Wir heben gleich ab.«

Khouri setzte sich neben Volyova. Die legte mehrere Elfenbeinschalter um und leitete Strom in die Schaltkreise des Spinnenraums. Verschiedene Anzeigen auf dem Schaltpult leuchteten rosig auf und die Zeiger begannen zu zittern. Khouris verwirrter Blick bereitete ihr ein geradezu sadistisches Vergnügen. Die Neue hatte ganz eindeutig keine Ahnung, wo im Schiff sie sich befand und was ihr bevorstand. Ein dumpfer Schlag war zu hören, und plötzlich schwankte der Raum wie ein Rettungsboot, das sich soeben vom Mutterschiff losgerissen hatte.

»Wir bewegen uns«, stellte Khouri fest. »Was ist das — ein Luxusfahrstuhl für das Triumvirat?«

»So dekadent sind wir nicht. Wir befinden uns in einem alten Schacht, der zur Außenhülle führt.«

»Sie brauchen einen eigenen Raum, nur um zur Hülle zu kommen?« Khouris Verachtung für gewisse Details des Ultra-Lebens brach wieder durch. Volyova freute sich diebisch. Nun war sie überzeugt, dass die Loyalitätstherapien die Persönlichkeit der Frau nur in neue Bahnen gelenkt, aber nicht zerstört hatten.

»Wir wollen nicht nur zur Hülle«, sagte Volyova. »Sonst gingen wir zu Fuß.«

Der Raum glitt jetzt ruhig dahin, aber nach wie vor waren Schläge zu hören, wenn die Fahrt durch Luftschleusen oder über Kettenantriebssysteme ging. Die Schachtwände blieben tief schwarz, aber Volyova wusste, dass sich das bald ändern würde. Bis dahin beobachtete sie Khouri und versuchte einzuschätzen, ob die Frau verängstigt oder lediglich neugierig war. Wenn sie logisch dachte, musste sie mittlerweile erkannt haben, dass Volyova schon zu viel Zeit investiert hatte, um sie ohne weiteres zu töten — andererseits hatte sie während ihres Militärdienstes auf Sky’s Edge sicher gelernt, nie etwas als selbstverständlich vorauszusetzen.

Äußerlich hatte sie sich seit der Anwerbung sehr verändert, aber das war nur in geringem Maße auf Volyovas Behandlungsmethoden zurückzuführen. Das Haar hatte sie schon immer kurz getragen, jetzt war sie ganz kahl. Nur aus der Nähe war ein leichter pfirsichfarbener Flaum zu erkennen. Wo Volyova den Schädel geöffnet hatte, um die Implantate einzuführen, die Boris Nagorny zuvor getragen hatte, zeigten sich feine lachsrosa Narben.

Doch die Schädeloperation war nicht die einzige gewesen. Khouri hatte von ihren Militäreinsätzen her gut verheilte Narben von Strahlenwaffen oder Projektileinschlägen, die fast unsichtbar waren, doch zusätzlich war ihr Körper mit Granatsplittern durchsiebt. Einige davon saßen tief — offenbar so tief, dass die Ärzte auf Sky’s Edge sie nicht hatten entfernen können, aber sie waren sicher kaum zu spüren, weil sie aus biologisch neutralen Legierungen bestanden hatten und nicht zu nahe an lebenswichtigen Organen lagen. Doch die Ärzte hatten auch mehrfach geschlampt. Unter Khouris Haut, ganz dicht an der Oberfläche, fand Volyova etliche Splitter, die man ohne Schwierigkeiten hätte herausoperieren können. Das holte sie nun nach und untersuchte dabei jedes einzelne Fragment, bevor sie es in ihrem Labor aufbewahrte. Mit einer Ausnahme waren die Scherben für ihre Systeme harmlos: sie bestanden aus nicht-metallischen Legierungen, die die empfindlichen Induktionsfelder der Interfaceanlagen im Feuerleitstand nicht stören konnten. Sie katalogisierte und archivierte sie trotzdem. Den einzigen Metallsplitter betrachtete sie stirnrunzelnd, verfluchte die Nachlässigkeit der Mediziner und legte ihn zu den anderen.

Es war ein blutiges Gemetzel, aber lange nicht so schlimm wie die Arbeit an den Nerven. Die üblichen Implantate wurden seit Jahrhunderten entweder in situ gezüchtet, oder sie waren so gebaut, dass sie sich durch schon vorhandene Körperöffnungen selbst einführten, ohne dem Patienten Schmerzen zu bereiten. Die Implantate für das Interface mit dem Feuerleitstand waren jedoch empfindliche Spezialanfertigungen, und das schloss beide Verfahren aus. Um sie einzusetzen oder zu entnehmen, brauchte man Knochensäge und Skalpell, und hinterher schwamm alles im Blut. Die Routine-Implantate, die Khouri bereits im Kopf hatte, machten die Operation noch schwieriger, aber Volyova hatte nach einer flüchtigen Untersuchung keinen Anlass gesehen, sie zu entfernen. Andernfalls hätte sie früher oder später ganz ähnliche Instrumente reimplantieren müssen, damit Khouri außerhalb des Feuerleitstands normal funktionieren konnte. Die Implantate waren gut eingewachsen, und schon nach einem Tag hatte Volyova die — noch bewusstlose — Khouri in den Kampfsitz gesetzt und sich vergewissert, dass sich das Schiff mit ihren Implantaten verständigen konnte und umgekehrt. Weitere Tests mussten bis zum Abschluss der Loyalitätsbehandlungen warten. Das meiste ließ sich erledigen, bevor die übrige Besatzung aus dem Kälteschlaf geweckt wurde.

Vorsicht: das war Volyovas Parole. Der ganze Ärger mit Nagorny war nur durch mangelnde Vorsicht entstanden.

Diesen Fehler würde sie nicht wiederholen.

»Wie komme ich nur darauf, dass es sich hier um einen Test handeln könnte?«, fragte Khouri.

»Es ist kein Test. Es ist nur…« Volyova winkte ab. »Machen Sie mir doch einfach die Freude, ja? Ich verlange nicht viel.«

»Was soll ich denn tun — soll ich behaupten, Gespenster zu sehen?«

»Sie sollen sie nicht sehen, Khouri, nein. Sie sollen sie hören.«

Jetzt strahlte hinter den schwarzen Wänden des beweglichen Raumes ein Licht auf. Die Wände waren natürlich nur aus Glas und dahinter war bis zu diesem Moment nur das unbeleuchtete Metall des Schachts gewesen. Nun näherte sich dieser Schacht dem Ende, und dort wurde es heller. Der Rest der kurzen Fahrt verlief schweigend. Der Raum strebte dem Licht entgegen, bis der frostig blaue Schein von allen Seiten hereinflutete. Dann schob er sich durch die Hülle nach draußen.

Khouri erhob sich und ging mit Herzklopfen auf das Glas zu. Das Glas war natürlich Hyperdiamant, daher war nicht zu befürchten, dass es zerbrach oder dass Khouri stolperte und hindurchfiel. Aber es wirkte lächerlich dünn und spröde und das Vertrauen des Menschen in seine Umwelt hatte nun einmal Grenzen. Mit einem Blick zur Seite hätte sie die gegliederten Spinnenbeine sehen können, acht an der Zahl, die den Raum an der Außenseite des Schiffsrumpfes festhielten. Und sie hätte auch verstanden, warum Volyova diesen Raum Spinnenraum nannte.