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»Ich kann noch sehen«, flüsterte er ihr zu. »So lange wir zusammen bleiben, brauchst du die Dunkelheit nicht zu fürchten.«

Sylveste richtete sich langsam auf. Er konnte nur hoffen, dass die Gefahr durch die Vögel gebannt war. Die Wärmestrahlung des Tempels war graugrün. Die Frau mit dem Parfüm war tot, in ihrer Seite klaffte ein faustgroßes warmes Loch. Der bernsteinfarbene Flakon lag zerbrochen zu ihren Füßen. Vermutlich hatte er ein Triggerhormon enthalten, für das Janequins Vögel subtile Rezeptoren hatten. Janequin musste mit im Komplott gewesen sein. Sylveste suchte nach ihm — aber der Genetiker war tot. In seiner Brust steckte ein kleiner Dolch und aus der Wunde flossen warme Rinnsale über seinen Brokatmantel.

Sylveste fasste Pascales Arm und schob sie auf den Ausgang zu, einen Torbogen, der mit vergoldeten Amarantin-Figuren und Schriftzeichen in Relieftechnik geschmückt war. Die Frau mit dem Parfüm war, wenn man von Janequin absah, offenbar als einzige von den Attentätern am Schauplatz gewesen. Jetzt erst kamen ihre Freunde in Chamäleo-Anzügen, mit dichten Atemmasken und Infrarotbrillen.

Er schob Pascale hinter mehrere umgestürzte Tische.

»Sie suchen nach uns«, zischte er. »Aber wahrscheinlich halten sie uns für tot.«

Wer von Girardieus Sicherheitsleuten überlebt hatte, war zurückgewichen und hatte sich zwischen den fächerförmig angeordneten Zuschauerbänken verschanzt. Sie hatten keine Chance: die Neuankömmlinge hatten viel stärkere Waffen, schwere Boser-Gewehre. Girardieus Miliz mit ihren schwachen Lasern und Projektilwaffen leistete tapfer Widerstand, aber die Verschwörer schossen sie rücksichtslos und ohne große Mühe nieder. Von den Hochzeitsgästen waren mindestens die Hälfte bewusstlos oder tot; sie hatten die meisten Giftpfeile abbekommen. Die Pfauen waren zwar keine sonderlich präzise arbeitende Mordwaffe gewesen — aber sie hatten sich völlig ungehindert im ganzen Raum bewegen können. Sylveste bemerkte, dass immer noch zwei von ihnen am Leben waren — entgegen seinen Erwartungen. Die Parfum-Moleküle in der Luft hatten ihre Wirkung nicht verloren: die Vögel klappten ihre Schweife auf und zu wie nervöse Kurtisanen ihre Fächer.

»Hatte dein Vater eine Waffe bei sich?«, fragte Sylveste und bedauerte sofort, die Vergangenheitsform verwendet zu haben. »Ich meine, seit dem Umsturz.«

»Ich glaube nicht«, sagte Pascale.

Natürlich nicht. Das hätte ihr Girardieu niemals anvertraut. Rasch tastete Sylveste den reglosen Körper ab. Vielleicht fand sich unter dem Festgewand eine Ausbuchtung in Form eines gepolsterten Halfters.

Nichts.

»Dann müssen wir uns ohne Waffe behelfen«, sagte Sylveste, als wäre das Problem einfacher zu lösen, wenn er es aussprach. »Wenn wir nicht flüchten, werden sie uns töten«, setzte er nach einer Pause hinzu.

»Ins Labyrinth?«

»Dort können sie uns sehen«, wandte Sylveste ein.

»Aber vielleicht glauben sie nicht, dass wir es sind«, versetzte Pascale. »Vielleicht wissen sie nicht, dass du im Dunkeln sehen kannst.« Obwohl sie so gut wie blind war, sah sie ihm fest in die Augen. Ihr Mund bildete ein fast kreisrundes Loch, ausdruckslos und ohne Hoffnung. »Lass mich vorher noch von meinem Vater Abschied nehmen.«

Sie ertastete die Leiche im Dunkeln und küsste sie ein letztes Mal. Sylveste warf einen Blick zum Ausgang. In diesem Moment traf ein Schuss von Girardieus Miliz den Soldaten, der ihn bewachte. Die maskierte Gestalt sank zusammen, ihre Körperwärme verteilte sich nach allen Seiten und bildete eine warme Pfütze. Qualmende weiße Energiemaden krochen in das Mauerwerk.

Damit war der Weg frei. Er griff nach Pascales Hand, und sie rannten gemeinsam los.

Acht

Unterwegs nach Delta Pavonis

2546

»Ich nehme an, Sie haben die Geschichte des Captains ebenfalls gehört«, sagte Khouri, als sich die Mademoiselle mit diskretem Hüsteln hinter ihr bemerkbar machte. Bis auf die körperlose Erscheinung war sie in ihrer Kabine allein. Sie musste erst verarbeiten, was Volyova und Sajaki ihr über die Mission erzählt hatten.

Die Mademoiselle lächelte geduldig. »Das schafft ziemliche Komplikationen, nicht wahr? Zugegeben, ich habe nicht ausgeschlossen, dass gewisse Verbindungen zwischen der Besatzung und Sylveste bestehen könnten. Eine logische Schlussfolgerung angesichts der Tatsache, dass Resurgam das Ziel der Reise war. Aber dass die Geschichte so verwickelt ist, war nicht zu erschließen.«

»Man könnte es sicher auch anders beschreiben.«

»Die Beziehung ist…« Der Geist zögerte einen Moment, als suche er nach Worten, aber Khouri wusste, dass alles nur Schau war und ärgerte sich. »Interessant. Sie könnte unsere Möglichkeiten einschränken.«

»Sie verlangen also nach wie vor, dass ich ihn töte?«

»Unbedingt. Diese Geschichte setzt uns noch mehr unter Druck. Jetzt besteht obendrein die Gefahr, dass Sajaki versucht, Sylveste an Bord zu bringen.«

»Würde es dadurch nicht einfacher für mich, ihn zu erledigen?«

»Gewiss, aber damit wäre es in diesem Stadium nicht mehr getan. Sie müssten einen Weg finden, auch das Schiff zu zerstören. Ob Sie sich dabei retten könnten, bliebe allein Ihnen überlassen.«

Khouri runzelte die Stirn. Das klang alles ziemlich unsinnig, aber vielleicht lag das ja an ihr.

»Und wenn ich mich dafür verbürge, dass Sylveste tot ist…«

»Es wäre nicht damit getan«, wiederholte die Mademoiselle mit bislang unbekannter Offenheit. »Sein Tod an sich ist nur ein Teil der Aufgabe. Er hat außerdem auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu erfolgen.«

Khouri wartete.

»Er darf keinerlei Vorwarnung erhalten; nicht einmal, wenn es nur um Sekunden geht. Außerdem müssen Sie ganz allein mit ihm sein.«

»Das war immer so geplant.«

»Gut — aber ich meine das ganz wörtlich. Wenn Sie nicht garantieren können, dass absolut niemand in der Nähe ist, müssen Sie die Tat aufschieben. Keine Kompromisse, Khouri.«

Dies war das erste Mal, dass sie die Umstände des geplanten Anschlags genauer erörterten. Offenbar hielt die Mademoiselle Khouri inzwischen für reif genug, um sie etwas tiefer, wenn auch noch nicht vollständig einzuweihen.

»Was ist mit der Waffe?«

»Da lasse ich Ihnen freie Hand, unter der Bedingung, dass die Waffe keine cybernetischen Komponenten über einer bestimmten Komplexitätsstufe enthält. Genaueres erfahren Sie zu einem späteren Zeitpunkt.« Bevor Khouri Einwände erheben konnte, fügte sie hinzu: »Eine Strahlenwaffe wäre dann akzeptabel, wenn sie in keiner Phase in die Nähe des Zielobjekts gebracht zu werden brauchte. Auch Projektil- und Explosivwaffen wären denkbar.«

So wie es auf dem Lichtschiff zuging, dachte Khouri, sollten eigentlich genügend geeignete Waffen herumliegen. Und es müsste möglich sein, sich so frühzeitig ein halbwegs tödliches Schießeisen zu besorgen, dass sie auch noch Zeit hatte, sich damit vertraut zu machen, bevor sie gegen Sylveste vorging.

»Wahrscheinlich lässt sich etwas finden.«

»Ich bin noch nicht fertig. Sie dürfen sich ihm weder nähern, noch ihn töten, wenn irgendwelche cybernetischen Systeme in der Nähe sind — auch in diesem Punkt bekommen Sie später noch genauere Anweisungen. Je isolierter er ist, desto besser. Gelingt es Ihnen, ihn ganz allein, fernab aller Hilfe, auf Resurgam zu erwischen, dann haben Sie Ihre Aufgabe zu meiner vollen Zufriedenheit erfüllt.« Die Mademoiselle hielt inne. Für sie war das offenbar alles von ungeheurer Wichtigkeit, und Khouri gab sich große Mühe, nichts zu vergessen, aber es klang ungefähr so einleuchtend wie die Beschwörungen in einem mittelalterlichen Heilkundebuch. »Auf keinen Fall darf er Resurgam verlassen. Merken Sie sich das gut, denn sobald ein Lichtschiff — auch dieses hier — um Resurgam in den Orbit geht, wird Sylveste versuchen, irgendwie an Bord zu kommen. Das muss unter allen Umständen verhindert werden.«