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Was hatte sie also zu berichten? Keine Orbitalen Verteidigungsanlagen, mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Raumfahrt, und ein Großteil der Bewohner nach wie vor in einer Siedlung zusammengepfercht. Zumindest vom Standpunkt des Kräftevergleichs her sollte es ein Leichtes sein, die Resurgamiten zur Auslieferung Sylvestes zu überreden.

Aber da war noch etwas.

Das Resurgam-System war ein weit auseinandergezogenes Doppelsternsystem. Delta Pavonis war die Leben spendende Sonne, aber — und das hatte sie gewusst — sie besaß einen toten Zwilling. Der dunkle Begleiter war ein Neutronenstern, zehn Lichtstunden von Pavonis entfernt, weit genug also, um stabile Planetenbahnen um beide Sterne zu ermöglichen. Tatsächlich hatte sich der Neutronenstern einen eigenen Planeten eingefangen. Dessen Existenz war ihr schon vor der Information durch die Kiesel bekannt gewesen. Der Datenbank des Schiffes war er nicht mehr wert als eine Kommentarzeile und eine dürre Ziffernreihe. Welten wie diese waren aus chemischer Sicht ausnahmslos uninteressant, sie hatten keine Atmosphäre, waren biologisch inaktiv und blank gescheuert von den Winden, die der Neutronenstern noch als Pulsar erzeugt hatte. Nicht viel mehr als ein Klumpen ausgeglühtes Sterneneisen, dachte Volyova, und etwa genauso spannend.

Aber in der Nähe dieser Welt befand sich eine Neutrinoquelle. Sie war nur schwach — fast an der Grenze der Registrierbarkeit —, aber sie verdiente Beachtung. Die Entdeckung war schwer zu verdauen. Erst nach einer Weile würgte Volyova wie ein Wiederkäuer einen kleinen Klumpen Gewissheit herauf: Nur eine Maschine konnte eine solche Signatur erzeugen. Und das machte ihr Sorgen.

»Sie haben wirklich überhaupt nicht geschlafen?«, fragte Khouri. Sie selbst war kurz zuvor aufgewacht und fuhr nun mit Volyova im Fahrstuhl hinunter, um den Captain zu besuchen.

»Das stimmt nicht ganz«, sagte Volyova. »Selbst mein Körper braucht seine Ruhephasen. Ich habe einmal versucht, ohne Schlaf auszukommen. Es gibt dafür bestimmte Drogen, und man kann Implantate in das RAS, das retikuläre Aktivierungssystem einsetzen, die Gehirnregion, die den Schlaf steuert — aber die Ermüdungsgifte müssen dennoch ausgeschieden werden.« Sie krümmte sich wie unter Schmerzen. Khouri sah ganz deutlich, dass Volyova das Thema Implantate etwa so angenehm fand wie Zahnweh.

»Viel passiert?«, fragte sie.

»Nichts, womit Sie sich belasten müssten«, sagte Volyova und zog an ihrer Zigarette. Khouri nahm an, damit sei alles gesagt, doch dann sah ihre Ausbilderin sie verlegen an. »Da fällt mir ein, etwas war doch bemerkenswert. Zwei Dinge sogar, wobei ich nicht weiß, welchem ich mehr Bedeutung beimessen sollte. Das erste betrifft Sie nicht unmittelbar. Aber das zweite…«

Khouri forschte in den Zügen ihrer Vorgesetzten nach konkreten Hinweisen darauf, dass die Frau seit ihrer letzten Begegnung um sieben Jahre gealtert war. Sie fand aber nicht die kleinste Spur, und das bedeutete, dass der Triumvir die sieben Jahre mit Antialterungs-Infusionen ausgeglichen hatte. Verändert wirkte sie zwar schon, aber nur deshalb, weil sie ihr normalerweise kurz geschorenes Haar hatte wachsen lassen. Kurz war es noch immer, aber es hatte jetzt mehr Fülle und ließ die ausgeprägten Kiefer- und Wangenknochen etwas weicher erscheinen. Wenn überhaupt, dachte Khouri, dann sah Volyova eher sieben Jahre jünger aus. Nicht zum ersten Mal versuchte sie, das biologische Alter der Frau zu schätzen, aber es war unmöglich.

»Worum geht es?«

»Als Sie im Kälteschlaf lagen, zeigte sich eine ungewöhnliche Neuralaktivität. Eigentlich durfte sich gar nichts regen. Doch was ich beobachtet habe, wäre nicht einmal bei einem wachen Menschen normal gewesen. Es sah ganz so aus, als tobe in Ihrem Kopf ein kleiner Krieg.«

Der Fahrstuhl hielt am Captainsdeck. »Ein interessanter Vergleich«, sagte Khouri und trat in den eiskalten Korridor hinaus.

»Hoffentlich nicht mehr als das. Natürlich war mir bewusst, dass Sie nicht viel davon mitbekommen haben dürften.«

»Ich erinnere mich an gar nichts«, sagte Khouri.

Volyova schwieg, bis der Captain vor ihnen auftauchte wie ein Nebelfleck. Das glitzernde, widerlich schleimige Etwas sah nicht aus wie ein Mensch, eher wie ein Engel, der vom Himmel auf den harten Boden gefallen und zerplatzt war. Der antiquierte Kälteschlaftank, der ihn noch vor kurzem umschlossen hatte, zeigte jetzt Sprünge und Risse. Er funktionierte kaum noch, was er an Kälte erzeugte, reichte nicht mehr aus, um die unerbittlich vordringende Seuche aufzuhalten. Captain Brannigan hatte inzwischen Dutzende von fadendünnen Wurzeln in das Schiff geschlagen, Wurzeln, die Volyova zwar verfolgte, aber nicht an ihrer weiteren Ausbreitung hindern konnte. Und wie würde es sich auf den Captain auswirken, wenn sie diese Fäden durchtrennte? Vielleicht waren sie ja das Einzige, was ihn noch am Leben erhielt, falls man seinen Zustand als Leben bezeichnen konnte. Irgendwann, sagte Volyova, würden die Wurzeln das ganze Schiff durchdringen und dann wären der Captain und sein Schiff wohl mehr oder weniger eins. Notfalls könnte sie das Geflecht natürlich aufhalten, indem sie diesen Bereich einfach absprengte, ihn aus dem übrigen Schiffskörper herausschnitt wie ein Chirurg in früheren Zeiten einen wuchernden Tumor. Noch nahm Brannigan nicht allzu viel Raum ein — das Schiff würde den Verlust kaum bemerken. Die Transformationen würden dann zwar weitergehen, sich aber mangels neuer Nahrung inzestuös nach innen richten, bis schließlich die Entropie dem entarteten Körper das Lebenslicht ausblies.

»Das ziehen Sie tatsächlich in Betracht?«, fragte Khouri.

»Ich ziehe es in Betracht«, erwiderte Volyova. »Aber ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Ich habe viele Proben entnommen — und jetzt glaube ich tatsächlich einen Fortschritt zu erkennen. Ich habe ein Gegenmittel gefunden — ein Retrovirus, das stärker zu sein scheint als die Seuche. Es zerstört die Seuchenmaschinerie schneller, als die Seuche es zerstören kann. Bisher habe ich es nur an kleinen Präparaten getestet — alles andere würde meine Möglichkeiten übersteigen. Ein Test am Captain selbst wäre ein medizinischer Eingriff, und dafür bin ich nicht qualifiziert.«

»Natürlich«, sagte Khouri hastig. »Aber wenn Sie diese Möglichkeit ausschließen, setzen Sie letztlich nur noch auf Sylveste?«

»Mag sein, aber man sollte seine oder vielmehr Calvins Fähigkeiten nicht unterschätzen.«

»Und er wird Ihnen so ohne weiteres helfen?«

»Nein, aber er hat das auch beim ersten Mal nicht freiwillig getan. Trotzdem haben wir Mittel und Wege gefunden.«

»Ihn zu überreden, meinen Sie?«

Volyova schwieg einen Moment lang und nahm einen Abstrich von einem der röhrenähnlichen Ausläufer, der im Begriff war, sich in ein Gekröse von Schiffsleitungen zu bohren. »Sylveste ist von gewissen Ideen besessen«, sagte sie. »Und solche Menschen lassen sich leichter manipulieren, als sie glauben. Sie sind so auf ihre jeweiligen Ziele fixiert, dass sie nicht immer merken, wenn sie von jemand anderem gesteuert werden.«

»Zum Beispiel von Ihnen?«

Sie steckte die hauchdünne Probe ein, um sie später zu analysieren. »Sajaki hat Ihnen erzählt, dass wir ihn hier an Bord hatten, als er auf Yellowstone einen Monat lang vermisst wurde?«