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Außer Khouri waren drei Personen anwesend, aber sie war die einzige, die für den Einsatz auf dem Planeten nicht ernsthaft in Betracht kam. Volyova leitete das Training. Obwohl Khouri den Gesprächen mit ihr entnommen hatte, dass sie im Weltraum geboren war, hatte sie mehr als einmal Gelegenheit gehabt, Planeten zu besuchen, und besaß die erforderlichen Reflexe, fast schon Instinkte — nicht zuletzt einen gesunden Respekt vor dem Gesetz der Schwerkraft —, die bei einem Planetenausflug die Überlebenschancen verbesserten. Das galt auch für Sudjic: sie war in einem Habitat, vielleicht auch auf einem Lichtschiff geboren worden, hatte aber genügend Welten besucht, um die angemessenen Reaktionen zu erlernen. Von ihrer überschlanken Gestalt, die den Eindruck erweckte, als könne sie auf einem größeren Planeten keinen Schritt tun, ohne sich alle Knochen im Leibe zu brechen, ließ Khouri sich keine Sekunde lang täuschen; Sudjic war wie das Werk eines Meisterarchitekten, der genau wusste, welche Belastung jedes Gelenk, jede Verstrebung aushalten musste, und aus ästhetischen Gründen darauf bedacht war, keine zusätzlichen Toleranzen einzuplanen. Ganz anders Kjarval, die Frau, die Sudjic nicht von der Seite wich. Sie war im Gegensatz zu ihrer Freundin keine extreme Chimäre, sondern hatte noch ihre eigenen Gliedmaßen. Aber Khouri hatte einen Menschen wie sie noch nie gesehen. Ihr Gesicht war so glatt wie für das Leben in einer unspezifischen Wasserwelt. Die schräg geschnittenen Katzenaugen waren rote, gerasterte Kugeln ohne Pupillen. An Stelle von Nase und Ohren hatte sie Löcher mit geripptem Rand, der Mund war ein einfacher Schlitz, der so gut wie keinen mimischen Ausdruck zuließ. Beim Sprechen bewegte er sich kaum, aber die Mundwinkel waren ständig wie in sanfter Glückseligkeit nach oben gezogen. Kleider trug sie nicht, nicht einmal hier im Anzugdepot, wo es relativ kühl war, doch Khouri kam sie nicht wirklich nackt vor. Man hatte vielmehr den Eindruck, sie sei in ein unendlich flexibles, schnell trocknendes Polymer getaucht worden. Mit anderen Worten, eine wahre Ultra unbestimmbarer Herkunft, aber höchstwahrscheinlich kein Ergebnis darwinistischer Selektion. Khouri hatte von biotechnisch manipulierten menschlichen Untergattungen gehört, die aus Meeresbewohnern gezüchtet wurden für ein Leben in völlig gefluteten Raumschiffen oder auf Welten wie Europa unter dem Eis. Sula war sozusagen die leibhaftige Verkörperung solcher Mythen, ein groteskes Hybridwesen. Aber vielleicht war auch alles ganz anders. Vielleicht hatte sie sich den Transformationen nur aus einer Laune heraus unterzogen. Vielleicht waren sie völlig zweckfrei oder dienten nur dem tieferen Zweck, eine andere Identität vollkommen zu kaschieren. Wie auch immer, sie hatte sich schon auf Planeten aufgehalten und offenbar kam es nur darauf an.

Natürlich hatte auch Sajaki Planetenerfahrung vorzuweisen, aber er befand sich bereits auf Resurgam. Welche Rolle er eventuell bei Sylvestes Ergreifung spielen sollte, war allerdings nicht klar. Von Triumvir Hegazi wusste Khouri nur wenig, aber sie hatte aus zufällig aufgeschnappten Bemerkungen den Eindruck gewonnen, dass sein Fuß noch nie natürlichen Boden berührt hatte. Kein Wunder, dass Sajaki und Volyova dazu neigten, Triumvir Hegazi in den Verwaltungsbereich abzuschieben. Er sollte an der Exkursion nach Resurgam nicht teilnehmen, wenn es Ernst wurde — und wollte es auch nicht.

Damit blieb nur noch Khouri. Mangelnde Erfahrung konnte ihr niemand vorhalten; im Gegensatz zu allen anderen Besatzungsmitgliedern war sie nicht nur nachweislich auf einem Planeten geboren worden und aufgewachsen, sondern hatte auch — unter Einsatz ihres Lebens — auf einer Welt gekämpft. Wahrscheinlich — jedenfalls hatte sie bisher nichts gehört, was daran Zweifel aufkommen ließ — hatte der Krieg auf Sky’s Edge sie mit Gefahren konfrontiert, wie die Crew sie außerhalb des Schiffes noch nie erlebt hatte. Deren Erfahrungen beschränkten sich auf Einkaufsbummel, Geschäftsverhandlungen oder touristische Ausflüge; man besuchte eine Welt, um sich am engen Dasein der Kurzlebigen zu weiden. Khouri erinnerte sich an Situationen, in denen es bisweilen mehr als unwahrscheinlich gewesen war, dass sie überlebte. Dennoch — sie war immer ein fähiger Soldat gewesen und hatte auch Glück gehabt — war sie bisher noch immer mit halbwegs heiler Haut davongekommen.

Das wurde auch von niemandem auf dem Schiff bestritten.

»Es ist nicht so, dass wir Sie nicht dabei haben wollten«, hatte ihr Volyova nicht lange nach dem Vorfall mit dem Weltraumgeschütz erklärt. »Weit gefehlt. Ich bezweifle nicht, dass Sie mit einem Raumanzug ebenso gut zurechtkämen wie jeder von uns, und Sie würden auch nicht beim ersten Schuss vor Schreck erstarren.«

»Aber…«

»Aber ich kann es mir nicht leisten, schon wieder einen Waffenoffizier zu verlieren.« Die Diskussion fand im Spinnenraum statt, dennoch hatte Volyova die Stimme gesenkt. »Wir brauchen auf Resurgam nur drei Personen, und das heißt, wir müssen Sie nicht einsetzen. Außer mir sind Sudjic und Kjarval mit den Raumanzügen vertraut. Wir haben sogar schon mit dem Training begonnen.«

»Dann lassen Sie mich wenigstens daran teilnehmen.«

Volyova hatte schon abwehrend den Arm gehoben, doch im letzten Moment änderte sie ihre Meinung. »Schön, Khouri. Sie trainieren mit uns. Aber das hat nichts zu bedeuten, ist das klar?«

O ja, nur allzu klar. Das Verhältnis zwischen Khouri und Volyova hatte sich verändert — seit Khouri Volyova die Lüge von der feindlichen Crew aufgetischt hatte, für die sie angeblich als Infiltrator tätig war. Die Mademoiselle hatte ihren Schützling auf dieses kleine Gespräch lange vorbereitet, und offenbar hatte alles geklappt wie am Schnürchen, bis hinunter zu der Masche, die — natürlich völlig unschuldige — Galatea bewusst nicht zu erwähnen und Volyova die stille Genugtuung zu gönnen, selbst den logischen Schluss zu ziehen. Es war eine falsche Spur, aber wichtig war nur, dass Volyova darauf hereingefallen war. Volyova hatte auch die Geschichte über Sonnendieb als menschenprogrammierte Infiltrationssoftware geschluckt und vorerst schien ihre Neugier gestillt. Nun waren die beiden Frauen nahezu gleichrangig, und beide hatten sie vor der übrigen Mannschaft etwas zu verbergen, auch wenn das, was Volyova über Khouri zu wissen glaubte, nicht einmal annähernd die Wahrheit war.

»Ich verstehe«, sagte Khouri.

»Trotzdem ist es ein Jammer.« Volyova lächelte. »Ich habe den Eindruck, Sie wollten Sylveste schon immer gern kennen lernen. Aber die Gelegenheit dazu bekommen Sie natürlich, wenn wir ihn an Bord bringen…«

Khouri lächelte. »Und damit muss ich mich wohl zufrieden geben?«

Saal zwei war ein leerer Doppelgänger des Gewölbes mit den Weltraumgeschützen.

Anders als der Geschützpark war er allerdings belüftet und hatte Standarddruck. Das war kein reiner Luxus; Saal zwei enthielt die größte Menge atembarer Luft auf dem ganzen Lichtschiff und diente deshalb als Reservoir, aus dem man sonst luftleere Schiffsregionen versorgte, wenn sie von Menschen ohne Raumanzug betreten werden mussten.

Normalerweise hätte der Antrieb die Illusion von 1 Ge Schwerkraft geliefert, denn er wirkte entlang der Längsachse des Schiffs, und die ging auch durch den annähernd zylindrischen Raum. Aber jetzt war der Antrieb abgestellt — das Schiff kreiste um Resurgam —, und so wurde der Raum im Ganzen gedreht, um das Gefühl von Schwere zu erzeugen. Das hieß, dass die Schwerkraft in einem Winkel von neunzig Grad zur Längsachse wirkte und von der Mitte strahlenförmig nach außen drückte. Im Zentrum war kaum etwas davon zu spüren; hier schwebte ein Gegenstand Minuten lang, bis ihn der unvermeidliche kleine Anfangsschub langsam nach außen trug. Dann wurde der Winddruck der ebenfalls rotierenden Luft stärker und zog ihn immer schneller immer weiter nach unten. Aber nichts ›fiel‹ in diesem Raum in gerader Linie zu Boden, jedenfalls nicht aus dem Blickwinkel eines Beobachters, der an der rotierenden Wand stand.