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Die Veränderung mußte allmählich gekommen sein, andernfalls ich sie ja innerhalb des kleinen Feldes, das ich überblicken konnte, hätte bemerken müssen. Eigentlich hatte ich keine schlechte Aussicht. Ganz plötzlich befand ich mich auf einem felsigen Abhang, der steiler war als alle vorherigen.

Noch ehe ich es richtig merkte, begann der Tank links abzurollen. Als ich wußte, wie mir geschah, ließ ich ein Bein nach dem anderen in diese Richtung vorschnellen — ohne Erfolg.

Es war beileibe nicht so, als würde man in einem Faß bergab kollern. Es war eine langsame und anmutige Bewegung. Ich hätte mit Leichtigkeit im Tank aufrecht stehen bleiben können, wenn ich mich auf dieses Problem konzentriert und nicht mit der Steuerung herumgekämpft hätte. Das nützte mir aber so wenig, daß ich mich gleich auf meine Bequemlichkeit hätte konzentrieren können. Einige der Beinchen verlangsamten das Rollen ein wenig, keines aber konnte die Bergabbewegung bremsen.

Hilflos rollte ich in das beleuchtete Feld und auf das Zeltdachmaterial. Minutenlang war meine berichterstattende Aufmerksamkeit fast gleichmäßig zwischen oben und unten geteilt.

Über mir konnte ich nun erstmals die Lichter ganz klar ausmachen.

Es handelte sich um ganz gewöhnliche Hochdruck-Gas-Lampen, größer zwar, als die ansonsten für Beleuchtungszwecke benutzten, sonst aber keineswegs außergewöhnlich. Ich konnte jedoch noch immer nicht feststellen, wie die Lampen befestigt waren, denn ich bekam Augenschmerzen, wenn ich längere Zeit hinaufguckte.

Beim Hinuntersehen wiederum wurde meine Vorstellungskraft übermäßig beansprucht, obwohl sie ja mittlerweile allerhand gewöhnt war. Ich wußte bereits, daß der Stoff bemerkenswert stark und dabei elastisch war. Ich hatte gesehen, wie er auf den Bug der „Pugnose“ reagierte, der ja etliche scharfe Ecken und Kanten hatte. Ich wußte auch, daß das Zeug im Normalzustand undurchsichtig, bestenfalls schwach durchscheinend war. Und mir war klar, daß der nun unter meinem Tank befindliche Teil des Materials gedehnt werden würde. Aber nie wäre ich auf die Idee verfallen, daß das Zeug durch Dehnung durchsichtig werden könnte!

IV

Als das Rollen aufhörte, konnte ich gewöhnlichen Meeresboden unter mir sehen — felsigen Untergrund ähnlich dem, über den ich gerollt war. Momentan glaubte ich, ich wäre kurz vor dem Zeltdach aufgehalten worden, aber mehrere Blicke durch verschiedene Fenster verdrängten diese Annahme. Ich war etwa fünfzig Yards tief auf dem Ding gelandet und bis zum halben Durchmesser des Tanks eingesunken. Aus den über diesem Niveau gelegenen Bullaugen konnte ich die Lichter über mir und das glatte Material unter mir sehen.

Aus den unteren Fenstern konnte ich Felsboden mit gelegentlichen Schlammlöchern und eine grünweiße, ebenmäßig leuchtende Decke darüber sehen — offenbar das Material von der anderen Seite beleuchtet. Es war also durchscheinend. Doch der um die untere Tankhälfte gespannte Teil stellte für das Sichtvermögen überhaupt keine Schranke dar. Ein paar Füßchen waren eben auf dieser Seite ausgefahren, und das Zeug umspannte sie als unsichtbare dünne Schicht — durchlöchert hatten sie das Material also nicht, oder ich hätte nicht hier auf dem Dach gehangen. Da hatte jemand bei der Molekular-Architektur seine Phantasie ordentlich spielen lassen — was beweist, wie man von einer Reihe grundfalscher Prämissen manchmal zu einem richtigen Schluß gelangen kann.

Aber warum überhaupt ein Zelt? Der Meeresuntergrund darunter unterschied sich von dem an anderen Stellen nicht. In dem darunterliegenden Bereich konnte ich weder Menschen noch ein künstliches Bauwerk entdecken. Nicht einmal Lebewesen anderer Art waren zu sehen, und ich gab mir alle Mühe beim Beobachten — einen Augenblick lang blitzte in mir gar der Gedanke auf, jemand könnte bei der Energieverschwendung so weit gegangen sein, natürliche Na hrungsmittel bei künstlichem Licht wachsen zu lassen. Diese Vorstellung wenigstens paßte zu der Gleichgültigkeit der allgemeinen Moral, was die Energie betraf. Menschen, die diese vielen Kilowatt in den Ozean hinein verpulverten, würden auch nicht davor zurückschrecken, ihren gerechten Anteil zu überschreiten, indem sie Senf oder dergleichen anpflanzten. Der Meeresboden war der einzige Ort auf der Welt, wo ein solcher Trick abgezogen werden konnte, ohne daß man auf der Stelle von aufgebrachten Nachbarn erwischt wurde, von der Aufsichtsbehörde mal ganz abgesehen.

Das einzig Ärgerliche an der Theorie — abgesehen von dem natürlichen Widerstreben, an solche Me nschen zu glauben —, war die Tatsache, daß ich nichts wachsen sah. Was dies anlangte, so wüßte ich gar nicht, welche eßbare Pflanze unter dem Meeresspiegel gezogen werden konnte. Zweifellos gab es solche. Und wenn es keine natürlichen gab, dann konnte man immer noch auf die Maßschneiderei von Genen zurückgreifen.

Die dringlichere Frage aber war, was ich als nächstes tun sollte. Dreißig Sekunden lang probierte ich herum und kam dahinter, daß ich meine Beinchen ausfahren und wieder zurückziehen konnte, bis die Energiezellen leer waren, ohne daß ich den Tank damit von der Stelle bewegt hätte. Die Beine hatten einfach keinen richtigen Halt. Der Boden war ein Stück zu weit entfernt. Ich versuchte, durch Gewichtsverlagerung das Ding zum Rollen zu bringen. Das funktionierte so weit, als eine bloße Umdrehung zustandekam, brachte mich aber dem ›Ufer‹ nicht merklich näher. Es sah aus, als wäre mir als einzige Bewegung die nach oben geblieben.

Das war ein wenig ärgerlich. Ich hatte nämlich geplant, sobald ich den Eingang gefunden hätte, daneben einen kleinen Sonar-Umsetzer als Fixpunkt für die Polizeiboote zu platzieren. Ließ ich ihn hier fallen, dann war er wirkungslos und konnte überdies von jedem entdeckt werden, der hier vorbeikam, sei es nun oben oder unten. Hätte ich über die Reaktionszeit und den Vorausblick eines Romanhelden verfügt, so hätte ich einen freigesetzt, als ich merkte, daß ich nicht mehr manövrieren konnte. Aber das war nicht der Fall und Selbstmi tleid fehl am Platze.

Ich konnte auch warten, bis man den Tank entdeckte, und auf eine Chance hoffen, das Instrument unbemerkt abzusetzen. Dazu hätte es jedoch eines wahrhaft historischen Ausmaßes an Optimismus bedurft.

Ich konnte mich nicht damit abfinden, an die Oberfläche zurückzugehen, ohne das Ding hier auszusetzen, obgleich dies und all die anderen Dinge, die zu erledigen so hübsch gewesen wäre, unmöglich schien. Sogar eine Schlange auf einem Tablett voller Kugellager hört nicht auf sich zu schlängeln.

Und so blieb ich. Ein früher Aufbruch war eigentlich sinnlos. Ich hatte noch ausreichend Sauerstoff und noch dazu immer die Hoffnung, mir würde eine brauchbare Idee in den Sinn kommen, ehe man — wer immer dieser „man“ war — mich entdeckte.

Diese Hoffnung dauerte fast sechs Stunden an.

Diesmal war es kein Mädchen, obwohl das Wesen zu derselben Truppe zu gehören schien. Die Schwimmausrüstung war nämlich bis in die kleinste Einzelheit dieselbe, soweit ich das sehen konnte. Als ich ihn sichtete, hielt er direkt auf mich zu.

Er kam aus der Finsternis, von dort, wo ich den Eingang vermutete. Sicherlich hatte er mich, oder vielmehr den Tank erspäht. Ich wünschte, ich hätte ihn eher bemerkt — es wäre interessant und vielleicht sogar nützlich gewesen festzustellen, ob mich zufällig ein vorüberkommender Schwimmer entdeckt hatte oder jemand, der das Fundgebiet des Wracks systematisch absuchte. Mir blieb nichts weiter übrig, als über mein Nichtwissen zu philosophieren. Ich beobachtete, wie er über mich hinwegglitt.

Er hätte den Tank eigentlich ohne Schwierigkeiten als solchen erkennen können. Zwar waren an der Außenseite jede Menge Instrumente angebracht, die nicht zur Standardausrüstung gehörten, aber im Grunde genommen war es ein gewöhnlicher Hochdruck-Rettungstank, den man in jedem größeren U-Boot finden kann — eine Kugel aus Quarzglas-Fiber und höchstbelastbaren Polymeren, geeignet, dem Druck von zwei Meilen Meerwasser standzuhalten. Im Normalfall war er leicht und beweglich, aber das speziell für mich ausgestattete Ding trug reichlich Ballast mit sich. Neben den Beinen und deren Hilfsaggregaten hatte ich noch Beleuchtung, Transponder, verschiedene Ortungsgeräte und dazu Bleistangen, die so verteilt waren, daß Schwerpunkt und geometrischer Mittelpunkt möglichst dicht beieinander zu liegen kamen. Das Blei war es, das den großen Unterschied ausmachte. Ohne Blei würde ich noch immer im Wasser umhertreiben.