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»Aber Sie sind doch zu mir gekommen. Sie haben gesucht. Sie wollten -«

»Ihre Namen. Verstehen Sie denn nicht? Ich wusste nicht, mit wem Eric verhandelt hatte. Er sagte nur, es sei CBS. Aber CBS wo? In LA? New York? Und in welcher Sendung - nationale Nachrichten oder Lokalnachrichten?«

Charlie starrte sie verblüfft an. »Nachrichten?!«

»Reden Sie nicht so laut, um Gottes willen! Es geht hier um mich und meine Karriere! Ich kann jederzeit meinen Job verlieren oder in den Knast wandern oder weiß der Himmel, was, und wozu bin ich dann noch nütze?« Sie blickt zur Tür, als erwartete sie, dass gleich ein Kamerateam hereinstürmen würde. »Sie müssen jetzt gehen.«

»Ich gehe erst, wenn Sie mir gesagt haben -«

»Wir treffen uns in einer Stunde. Im Los-Rios-Bezirk, in San Juan. Kennen Sie die Gegend? Hinter dem Amtrak- Bahnhof. Da ist eine Teestube. Den Namen weiß ich nicht, aber man sieht sie gleich, wenn man über die Gleise kommt. Halten Sie sich rechts. Es ist auf der linken Seite. Okay? In einer Stunde. Hier kann ich nicht sprechen.«

Sie drängte Charlie zur Tür der Kantine und führte sie eilig zum Empfang zurück. »Sie haben mir ungefähr zehn Tage Arbeit gespart. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte sie laut und mit falscher Herzlichkeit und beförderte sie unnachgiebig ins Sonnenlicht hinaus. Dort murmelte sie leise: »In einer Stunde«, bevor sie wieder im Gebäude verschwand.

Charlie stand da und starrte auf das dunkel getönte Glas und empfand ihren Körper als eine schwere, sperrige Masse, die sie jetzt irgendwie zu ihrem Auto bugsieren musste. Sie versuchte, sich klar zu machen, was Sharon gesagt hatte - CBS, nationale Nachrichten oder Lokalnachrichten -, und eine Verbindung zu dem herzu­stellen, was geschehen war und was sie bereits wusste. Aber es ergab alles keinen Sinn. Sie kam sich vor wie im falschen Film.

Mit schleppenden Schritten ging sie zu ihrem Wagen. Dort überfiel sie ein so heftiger Schüttelfrost, dass sie einen Moment lang nicht im Stande war, den Schüssel ins Zündschloss zu schieben. Aber schließlich gelang es ihr, und sie ließ den Motor an.

Als sie die lange Einfahrt hinter sich gelassen hatte und wieder auf dem Highway war, nahm sie die Richtung zur Küste. Beim Fahren musste sie an die vielen Geschichten denken, die sie im Lauf der Jahre ihres Aufenthalts in Südkalifornien über dieses Stück Straße gehört hatte: Dass es der ideale Ort wäre, um Leichen loszuwerden, von berüchtigten Serienmördern, wie zum Beispiel Randy Kraf, frequentiert; dass in den Parkbuchten gedungene Mörder ihre Aufträge erledigten und in den Schluchten zu beiden Seiten Fahrzeuge in Brand gesetzt würden; dass häufig Betrunkene von der Straße abkämen und am Fuß der Felsen tödlich verunglückten; dass ihre Leichen meist monatelang nicht geborgen wurden; dass manchmal riesige Sattelschlepper die doppelte gelbe Linie überfuhren und Frontalzusammenstöße verursachten, bei denen sie alles niederwalzten, was ihnen im Weg war. Was hatte es zu bedeuten, dass die Firma Biosyn ausgerechnet hier ihren Sitz hatte? Und was hatte es zu bedeuten, dass Eric Lawton mit jemandem von CBS verhandelt hatte?

Charlie hatte keine Antworten auf diese Frage, nur weitere Fragen. Und ihre einzige Möglichkeit, mehr zu erfahren, bestand darin, die Teestube im Los-Rios-Bezirk von San Juan Capistrano zu finden und zu hoffen, dass man sich auf Sharon Pasternaks Wort verlassen konnte.

Man konnte. Genau einundsiebzig Minuten, nachdem Charlie bei Biosyn weggefahren war, betrat Erics Mitarbeiterin den Tea-Room in einem Gebäude aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, in dem einst einer der Stadtgründer mit seiner Familie gelebt hatte. Sie hatte das Lokal gut gewählt für ihr heimliches Rendez-vous, der unverdächtigste Ort, den man sich vorstellen konnte. Gefällig mit Spitzenvorhängen, alten Teekannen, Antiquitäten, Hutständern mit altmodischen Hüten zum Ergötzen der Gäste herausgeputzt, bot es, zu unver­schämten Preisen, eine amerikanische Version des englischen Nachmittagstees an.

Sharon Pasternak warf einen argwöhnischen Blick über ihre Schulter, als sie in den Raum kam, in dem Charlie an einem Zweiertisch neben der Tür saß. Sonst war nur noch ein Tisch besetzt, ein runder, an dem fünf Frauen mit Hüten auf den Köpfen, die sie sich vom Lokal ausgeliehen hatten, einen munteren Geburtstag feierten. Mit ihren anachronistischen Kopfbedeckungen sahen sie aus, als würden gleich Alice und der Märzhase zu ihnen stoßen.

»Wir brauchen einen anderen Tisch«, erklärte Sharon sofort. »Kommen Sie.« Sie ging Charlie voraus in einen zweiten und dann einen dritten Raum im hinteren Teil des Hauses. Hier standen fünf kleine Tische, aber sie waren alle frei, und Sharon hielt schnurstracks auf den zu, der von der Tür am weitesten entfernt war.

»Sie dürfen auf keinen Fall noch einmal zu Biosyn kommen«, sagte sie mit leiser Stimme zu Charlie. »Besonders wenn Sie etwas vonmir wollen. Das ist viel zu riskant und auffällig. Wenn Sie zu einem Gespräch mit den Leuten von der Personalabteilung gekommen wären - um über Erics Pension oder Versicherung zu sprechen -, hätte sich das vielleicht vertreten lassen. Wir hätten uns zufällig im Korridor treffen können oder so was. Aber so ein Besuch wie heute - nie wieder. Marion vergisst das bestimmt nicht und wird es brühwarm an Cabot weitergeben. Sie arbeitet seit fünfunddreißig Jahren mit ihm zusammen - seit seinem Studienabschluss, ob Sie's glauben oder nicht - und ist ihm treuer ergeben als ihrem eigenen Ehemann. Sie nennt ihn David und fängt immer an zu glühen, wenn sie ihn sieht. Er weiß inzwischen von Ihrem Besuch und hat nach mir gefragt.«

»Sie sagten CBS«, begann Charlie. »Sie sprachen von Nachrichtensendungen.«

»Er kam wegen Exantrum zu mir. Sein Labor arbeitete an etwas anderem, aber er wusste von Exantrum. Jeder in Abteilung zwei wusste davon. Jederweiß davon, auch wenn alle so tun, als hätten sie keine Ahnung.«

»Sein Labor? Wessen Labor?«

»Erics.«

»Was reden Sie da?«

»Wie meinen Sie das?«

»Wieso sprechen Sie von Erics Labor? Er war Verkaufsdirektor. Er musste im ganzen Land herumreisen, zu Besprechungen und Konferenzen. Was reden Sie da von einem Labor? Er ist nicht - er war nicht ...«

»Verkaufsdirektor?«, wiederholte Sharon. »Das hat er Ihnen erzählt? Sie wissen es gar nicht?«

»Was?«

»Er war Molekularbiologe.«

»Molekular- nein, das stimmt nicht. Er war Verkaufs­direktor. Das hat er mir doch selbst gesagt.« Aber was hatte er ihr denn tatsächlich gesagt? Und was hatte sie einzig aus seinem Verhalten und seinen Bemerkungen geschlossen?

»Er ist Biologe, Mrs. Lawton. Ich meine, erwar Biologe. Ich muss es wissen, ich habe schließlich mit ihm zusammengearbeitet. Und er - bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich muss das fragen. Es tut mir Leid, aber ich weiß nicht, wie ich mir sonst Gewissheit verschaffen soll . Ist er so gestorben, wie bekannt gegeben wurde? Er wurde nicht ...? Ich würde es Cabot durchaus zutrauen, dass er ihn beseitigen ließ. Er ist ein echter Freak, wenn es um die Geheimhaltung geht. Und selbst wenn es nicht darum ginge - dieses Zeug hat es wirklich in sich, und wenn Cabot gewusst hatte, dass Eric damit zu CBS wollte, hätte er garantiert etwas unternommen, um ihn daran zu hindern, das können Sie mir glauben.«

»Um ihn woran zu hindern?«

»An der Veröffentlichung. Eric wollte Biosyn an den Pranger stellen. Er hatte eine Scheißangst - wir hatten beide eine Scheißangst -, aber er war fest entschlossen.

Ich habe an einem Abend eine Probe Exantrum rausgeschmuggelt - und Sie haben keine Ahnung, was für einen Horror ich davor hatte, das Zeug zu transportieren, ohne einen Schutzanzug zu tragen - und sie Eric gebracht. Er wollte sich mit den Journalisten treffen und ihnen den Stoff übergeben, damit sie es selbst in Atlanta testen lassen könnten und dann ... Das war vor drei Wochen. Es ist möglich, dass er sich mit den Leuten getroffen hat, aber er hat nichts erzählt, und dann war er auf einmal tot. Bei Biosyn gibt es nicht das geringste Anzeichen dafür, dass irgendwas nicht in Ordnung ist, darum kam mir allmählich der Verdacht, dass Eric nie Kontakt aufgenommen hat, und ich wollte mir den Namen des Journalisten beschaffen, um nachzufragen. Deswegen war ich bei Ihnen im Haus. Ich hoffte, entweder den Namen des Journalisten zu finden oder das Exantrum. Denn wenn er nie mit den Leuten zusammengekommen ist, muss ich das Zeug ins Sicherheitslabor zurückbringen. Schnellstens.«