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Malcolm vergaß das schlechte Gewissen, das ihn manchmal plagte, weil er die Ehefrau dieses Säufers bumste, wann immer sein abgeschlaffter Körper mitmach­te. Bernie Perryman verdiente die Hörner, sie waren seine Strafe für die Art und Weise, wie er Malcolm seit zehn Jahren ständig piesackte.

»Diese letzte Partie hast du wohl nie überwunden, was?« Bernie kicherte wieder. Er bekam seinen Black Bush und kippte ihn mit einem Zug hinunter. Er prustete blubbernd. »Das war gut«, sagte er und bestellte den nächsten. »Also, wie geht die ganze Geschichte gleich wieder, Malkie? Bist du schon an der spannenden Stelle angekommen? Wird natürlich 'ne harte Sache, das zu beweisen, was, Kumpel?«

Malcolm zählte bis zehn. Bernie bekam seinen zweiten doppelten Whisky, der den gleichen Weg wie der vorige nahm.

»Aber ich bin gemein zu dir, obwohl ich gar keinen Grund dazu hab«, sagte Bernie unerwartet zerknirscht, wie das die Art von Betrunkenen war. »Du hast mir nie was Böses getan - außer damals bei der Abschlussprüfung -, und darum will ich dir auch nichts Böses. Ich wünsch dir nur das Beste. Ehrlich, du kannst mir's glauben. Aber es läuft eben nie so, wie man's gern hätte, stimmt's?«

Und genau das, dachte Malcolm, ist der gottverdammte springende Punkt. Es war - wie Bernie es gern ausdrückte - an jenem verhängnisvollen Morgen auf dem Bosworth Field auch für Richard nicht gut gelaufen. Der Graf von Northumberland hatte ihn im Stich gelassen, die Stanleys hatten ihn rundweg verraten, und ein unausgegorener kleiner Emporkömmling, der weder die Fertigkeiten noch den Mut besaß, um dem König im entscheidenden Kampf selbst gegenüberzutreten, hatte die Schlacht gewonnen.

»Komm, erklär deinem alten Freund deine Theorie noch mal, Malkie. Ich finde die Geschichte unheimlich spannend, wirklich, glaub's mir. Ich wünschte, du könntest die Sache irgendwie beweisen, dann wärst du ein gemachter Mann. Mit so 'nem Buch! Wie lang machst du schon an dem Manuskript rum?« Bernie wischte das Innere seines Whiskyglases mit einem schmutzigem Finger aus und leckte diesen ab. Dann fuhr er sich mit dem Handrücken über den Mund. Er hatte sich am Morgen nicht rasiert, und er hatte seit Tagen kein Bad genommen. Einen Moment lang hatte Malcolm beinahe Mitleid mit Betsy, die mit diesem verhassten Kerl unter einem Dach leben musste.

»Ich bin jetzt bei Elisabeth von York angelangt«, sagte Malcolm so freundlich, wie ihm das bei der Aversion, die er gegen Bernie hatte, möglich war. »Das ist die Tochter Eduards IV. Die zukünftige Frau des Königs von England.«

Bernie feixte und zeigte Zähne, die ewig keine Zahn­bürste mehr gesehen hatten. »Hey, die Tussie vergess ich immer wieder, Malkie. Was meinst du, woher das kommt?«

Das kommt daher, dass jeder Elisabeth vergisst, antwortete Malcolm im Stillen. Die älteste Tochter Eduards IV. war den Historikern im Allgemeinen nicht mehr als eine Fußnote wert, eine Frau ohne Bedeutung, älteste Schwester der Prinzen im Tower, gehorsame Tochter der Elisabeth Woodville, bloße Schachfigur im politischen Machtkampf, spätere Ehefrau des Usurpators Heinrich VII. Ihre Aufgabe war es, für den Erhalt der Dynastie zu sorgen und dann von der Bildfläche zu verschwinden.

Aber diese Frau war eine Woodville. In ihren Adern floss das schwere Blut dieser intriganten und ehrgeizigen Sippe. Dass sie angestrebt hatte, Königin von England zu werden wie vorher ihre Mutter, war im siebzehnten Jahrhundert nachgewiesen worden, als Sir George Buck in seinem WerkHistory of the Life and Reigne of Richard III von einem Brief der jungen Elisabeth berichtete, mit dem sie den Herzog von Norfolk bat, die Rolle des Vermittlers zum Zweck einer Heirat zwischen ihr und König Richard zu übernehmen. Sie sei, schrieb sie ihm, mit Herz und Gedanken des Königs. Dass sie so gewissenlos war wie ihre Eltern, beweist die Tatsache, dass ihr Brief an Norfolk noch vor dem Tod von Richards Ehefrau, Königin Anne, geschrieben worden war.

Vor Heinrich Tudors Invasion hatte man die junge Elisabeth aus London fortgeschafft und nach Yorkshire hinaufgebracht, allem Anschein nach um ihrer Sicherheit willen. Dort hielt sie sich in Sheriff Hutton auf, einer Hochburg der Yorks mitten auf dem Land, wo Treue zu König Richard eine Konstante im Leben der Bürger war. Hier würde Elisabeth gut beschützt und gut bewacht sein. Wie ihre Geschwister.

»Hast du's immer noch so mit der guten Lizzie?«, erkundigte sich Bernie grinsend. »Mann, von der konntest du gar nicht genug kriegen damals.«

Malcolm schluckte seine Wut hinunter, ließ es sich aber nicht nehmen, dem anderen im Stillen Tod und Verdam­mnis zu wünschen. Bernie hegte eine tiefe Abneigung gegen jeden, der versuchte, etwas aus seinem Leben zu machen. Solche Menschen erinnerten ihn daran, in welchem Maß er selbst sein Leben vergeudet hatte.

Bernie hatte Malcolm offenbar etwas angemerkt, denn als er nach seinem dritten Whisky gerufen hatte, sagte er: »Komm, lass nur. Ich hab doch nur Spaß gemacht. Was treibst du überhaupt heute hier draußen? Warst du das auf dem Schlachtfeld, als ich vorhin vorbeigefahren bin?«

Bernie wusste zweifelsohne genau, dass er es gewesen war. Die Frage sollte nur dazu dienen, sie beide daran zu erinnern, wie stark Malcolms Leidenschaft war und welche Macht Bernie Perryman über sie besaß. O Gott! Am liebsten wäre Malcolm auf den Tisch gesprungen und hätte laut geschrien: »Ich vögel die Frau dieses Trottels zweimal in der Woche, drei- oder viermal, wenn ich es schaffe. Die beiden waren gerade mal zwei Monate verheiratet, als ich sie zum ersten Mal gevögelt hab, sechs Tage nach unserer ersten Begegnung.«

Aber genau das wollte Bernie Perryman ja erreichen - dass sein alter Freund Malcolm Cousins ausrastete: Damit wollte er ihm heimzahlen, dass er es einst abgelehnt hatte, Bernie zu helfen, sich durch das Abschlussexamen zu mogeln. Der Mann hatte ein Gedächtnis wie ein Elefant und eine unheimlich nachtragende Natur. Aber Malcolm konnte mithalten.

»Ich weiß nicht, Malkie«, sagte Bernie kopfschüttelnd, als ihm sein Whisky gebracht wurde. Er griff unsicher nach dem Glas, während er sich mit blutloser Zunge die Unterlippe leckte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lizzie die beiden Jungs hat umlegen lassen. Das wär doch unnatürlich gewesen. Es waren ihre Brüder. Nicht mal für den Titel Königin von England hätte sie das gemacht. Außerdem waren die beiden doch ganz woanders, oder? Also, für mich ist das reine Spekulation. Reine Spekulation und nicht der kleinste Beweis.«

Nie sollst du einem Säufer deine Geheimnisse und Träume verraten, dachte Malcolm zum tausendsten Mal.

»Es war Elisabeth von York«, behauptete er. »Sie trug letztlich die Verantwortung.«

Die Entfernung von Sheriff Hutton nach Rievaulx, Jervaulx und Fountains Abbey war nicht unüberwindlich. Und Menschen in Abteien oder Klöstern verschwinden zu lassen, war damals beste Tradition. Im Allgemeinen waren es die Frauen, die in einer Klosterzelle landeten. Aber zwei junge Knaben - als jugendliche Novizen eines Klosters getarnt - wären vor Heinrich Tudor sicher gewesen, sollte er Englands Thron mit Waffengewalt an sich bringen.

»Tudor muss gewusst haben, dass die Knaben am Leben waren«, sagte Malcolm. »Als er Elisabeth die Ehe versprach, muss er gewusst haben, dass die Knaben lebten.«

Bernie nickte. »Die armen kleinen Kerlchen«, sagte er mit geheuchelter Bekümmerung. »Und der arme alte Richard, dem sie die Schuld gegeben haben. Wie ist sie an die Jungs rangekommen, Malkie? Was meinst du? Hat sie zusammen mit Tudor was ausgeheckt?«

»Sie wollte unbedingt Königin werden. Sie war nicht zufrieden, nur die Schwester eines Königs zu sein. Aber wenn sie Königin werden wollte, gab es für sie nur einen Weg. Doch Heinrich hatte sich noch während seiner Verhandlungen mit Elisabeth Woodville anderswo nach einer Gemahlin umgesehen. Das wird das junge Mädchen gewusst haben. Und sie wird auch gewusst haben, was das bedeutete.«