Coop rief die Polizei in San Francisco an und sprach mit dem Beamten, der für die Gemeindekooperation zuständig war. Er versprach, mit Albemarle County zusammenzuarbeiten. Er kannte die Anvil-Bar, er kannte Kenton. Er werde jemanden auf den Fall ansetzen und jeden befragen lassen, der sich an Mike Huckstep erinnern könnte. Es werde auf seiner Prioritätenliste nicht obenan stehen, aber er werde es nicht vergessen.
Dann rief Coop noch einmal beim Polizeipräsidium von Los Angeles an. Sie hatte gebeten, jemanden zu Hucksteps Wohnung zu schicken. Yolanda Delgreco war die diensttuende Beamtin. »Was gefunden?« fragte Coop, als Yolanda sich am Telefon meldete.
»Was für ein Zufall, daß Sie gerade anrufen. Ich bin eben erst zurückgekommen. Hier ging's zu wie verrückt. Tut mir leid, daß ich so spät dran bin. Die Wohnung war leergeräumt. Sogar der Kühlschrank war leergeräumt. Der Mann hatte nicht vor zurückzukommen.«
»Haben der Vermieter oder die Nachbarn etwas über ihn gewußt?«
»Der Vermieter sagte, Huckstep hätte nicht gearbeitet. Hatte eine Freundin. Sie hat ihn sitzenlassen. Huckstep hatte ihm erzählt, er lebe von seinem Vermögen, daraufhin habe ich mich bei den Banken erkundigt. Kein Bankkonto. Keine Kreditkarten. Er hat alles bar abgewickelt.«
»Oder er hat das Geld waschen lassen.« »Ja, daran habe ich auch gedacht. Wenn mein Geld gewaschen wird, dann deswegen, weil ich vergesse, die Taschen auszuleeren, bevor ich meine Sachen in die Waschmaschine stecke.« Yolanda lachte.
»Haben Sie vielen Dank. Sollten Sie mal nach Virginia kommen, schauen Sie bei uns rein. Wir haben ein paar gute Frauen in unserer Abteilung. Dauert hier vielleicht ein Weilchen länger als dort, aber wir arbeiten dran.«
»Danke. Wenn es mich mal nach Virginia verschlägt, komm ich Sie besuchen. Haben Sie viele Morde dort?«
Cynthia sagte: »Nein, in dieser Beziehung ist es ziemlich ruhig.«
»Wenn sich im Fall Mike Huckstep irgendwas ergibt, ruf ich an.«
Cynthia legte auf. Die meiste Arbeit bei einem Fall wie diesem waren Laufereien, Nachforschungen, eine Menge Fragen stellen. Mit der Zeit und mit etwas Glück ergab sich gewöhnlich ein Bild. Bislang hatte sich nichts ergeben.
18
Morgens um halb acht blieb das Thermometer bei erfrischenden 17 Grad stehen. Harry hatte sich vorgenommen, zur Arbeit zu joggen, was zwanzig Minuten gedauert und auch Mrs. Murphy und Tucker Bewegung verschafft hätte. Aber dann wurde sie von ihren Farmarbeiten aufgehalten, und statt zu laufen, nahm sie den Transporter. Die Tiere stiegen mit ihr ein.
»Auf die Plätze, fertig, los.« Sie schaltete die Zündung ein. Der supermannblaue Transporter tuckerte kurz, stotterte und sprang dann an. »Ich laß ihn lieber ein, zwei Minuten laufen.«
Mrs. Murphys goldene, kluge Augen blickten listig. »Mutter, die Batterie ist nicht das Problem. Der Wagen ist müde.«
»Jawohl, wir brauchen ein zuverlässiges Transportmittel«, nörgelte Tucker.
Harry summte, trat die Kupplung, schaltete in den ersten Gang und fuhr die Zufahrt entlang. Sie drehte am Radioknopf. Ein Country-Music-Sender plärrte.
»Ich hasse diese Töne. « Die Katze schlug auf den Knopf, und der Empfang wurde undeutlich.
»Weiter so«, ermutigte Tucker sie.
Die Pfote der Tigerkatze schnellte wieder vor, und sie verstellte die Skala noch ein Stück.
»Segne die Führer unserer Nation in dieser Zeit moralischer Gefahren, gib ihnen den Mut, das Übel Satans auszurotten, das sich als Liberalismus verkleidet, und wenn wir nicht. «
»So ein Stuß«, schimpfte Murphy über das Radio. »Menschen sind unglaublich überspannt.«
Die Klänge einer beliebten Melodie drangen an ihre Katzenohren.
»Schon besser.« Tucker ließ die rosa Zunge heraushängen.
»Runzelmusik.«
»Was verstehst du unter Runzelmusik?« Die Katze neigte den Kopf zu der gefälligen Melodie.
»Für alte Leute. Ist dir noch nie aufgefallen, daß kein Mensch zugeben will, daß er alt ist? Deswegen kündigen die Radiosender an, daß sie Hits aus den fünfziger, sechziger, siebziger Jahren bis heute spielen. So 'n Quatsch. Das ist Runzelmusik, aber die Zuhörer können sich einbilden, sie sind hip oder was immer man dazu gesagt hat, als sie jung waren.«
»Darauf wär ich nie gekommen.« Mrs. Murphy bewunderte den Scharfblick ihrer Freundin. »Wie kommt es dann, daß wir nichts von Benny Goodman zu hören kriegen?«
»Die Big-Band-Generation ist so alt, die Leute werden alle taub.«
Die Katze lachte. »Das ist gemein, Tucker. Warte nur, bis du alt bist und ich mich über dich lustig mache.«
»Du wirst mit mir zusammen alt.«
»Katzen altern nicht wie Hunde.«
»So 'n Quatsch!«
Die Nachrichten kamen knatternd aus dem Radio. Harry beugte sich vor, um den Ton lauter zu drehen. »Seid mal still, ihr zwei. Ich will die Nachrichten hören, und danke, Mrs. Murphy, daß du mir die Sender verpatzt hast. Das Radio verkratzt? Hört sich komisch an.«
»Gern geschehen.« Mrs. Murphy legte die Pfoten auf das Armaturenbrett, um durch die Windschutzscheibe sehen zu können.
»Die größten Banken im Staat berichten von Computerausfällen. Die ganze letzte Woche haben Techniker daran gearbeitet, die Computersysteme von Richmond Norfolk United, der Blue Ridge Bank und Federated Investments, die alle dasselbe Problem melden, wiederherzustellen. Auch kleinere Banken haben Probleme. Roland Gibson, der Direktor von United Trust in Roanoke, rät den Leuten zur Geduld. Er glaubt, daß dies Auswirkungen des Threadneedle-Virus sind, der am ersten August bei Geschäften und Banken zuschlug, aber keinen ernsthaften Schaden angerichtet hat, wie man glaubte. Heben Sie Ihr Geld nicht ab.«
»Was sagt man dazu?« Harry stieß einen Pfiff aus.
»Ich würde bei meiner Bank anrufen.« Murphy zog eine seidige Augenbraue hoch.
»Ja, ich auch«, pflichtete der Hund ihr bei.
Harry hielt hinter dem Postamt. Als sie die Eingangstür öffnete, schlug ihr der verlockende Duft von Muffins mit Orangenglasur entgegen. Miranda, heute in Hausputzstimmung, legte eine karierte Decke auf den kleinen Tisch. Sie nahm an den Stuhlsitzen Maß für neue Bezüge.
»Morgen.«
Harry blähte die Nasenflügel, um den Duft besser einzufangen. »Haben Sie wieder House and Garden gelesen?«
»Fadenscheinig.« Miranda zeigte auf die Stuhlsitze. »Ich kann sie nicht mehr sehen. Nehmen Sie sich ein Orangenmuffin. Mein neuestes Rezept.«
Harry schob sich das Muffin in den Mund und bedankte sich, nachdem sie es gegessen hatte. »Ich hoffe sehr, daß Sie ein paar davon nach nebenan gebracht haben. Das sind die besten. Die besten von allen.« Sie schluckte. »Fadenscheinig, threadbare. Threadneedle.«
»Was?« Mirandas Lippenstift war perlrosa.
Ein Klopfen an der Tür riß Harry aus ihren Überlegungen. Susan schob sich durch den Hintereingang. »Wo ist Rob?«
»Hat Verspätung. Warum, willst du etwa die Post sortieren?«
»Nein.« Susan schnupperte. »Was ist das für ein göttlicher Duft?«
Harry zeigte auf den Teller mit den Muffins.
Mrs. Hogendobber nickte, und Susans Hand schnellte in den Haufen. »Oh, oh.« war alles, was sie herausbrachte. Während sie schluckte, leckte Susan sich die Lippen. »So was Köstliches habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gegessen.«
»Aber, aber, bitte keine falsche Schmeichelei. Sie wissen, was die Heilige Schrift über Schmeichler sagt.«