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»Das sagen alle. Fair ist Nummer eins, und.«

»Es macht mich wütend, daß er denkt, er kann wieder in mein Leben tanzen.«

»Ja, das würde mich vielleicht auch ärgern, aber du mußt ihm zugute halten, daß er weiß, du bist die Richtige, und er hat's verbockt.«

»Vervögelt.«

»Mutter, hack doch nicht dauernd auf ihm rum«, sagte Tucker.

»Jedenfalls, mein Standpunkt steht fest. Und was Blair an­geht.«

»Blair hat sich nicht erklärt, deshalb nehme ich ihn nicht so ernst, wie ihr alle es tut.«

»Aber du magst ihn - ich meine, du magst ihn?« Susans Stimme klang erwartungsvoll.

»Ja - ich mag ihn.«

»Du kannst einen schon zum Wahnsinn treiben mit deiner Zu­rückhaltung. Wie gut, daß ich nicht in dich verliebt bin.« Susan gab ihr einen Stups.

»Du bist gemein.«

Sie stapften zum Stall. Es war ein ziemlich weiter Weg. Mrs. Murphy raste voraus, setzte sich hin, und sobald sie sich ihr näherten, raste sie wieder los. Tucker trottete neben den Men­schen her.

Während sie das Werkzeug wegräumten, sagte Harry unver­mittelt: »Susan, wann ist das Geld von der Bank verschwun­den?«

»Letzte Woche, warum?«

»Keiner hat den genauen Zeitpunkt festgestellt, oder?«

»Nicht, daß ich wüßte.« »Es muß eine Möglichkeit geben, das rauszukriegen.« Harry griff nach dem Telefon in der Sattelkammer und rief Norman Cramer an. Sie bombardierte den erschöpften Mann mit Fragen, dann legte sie auf. »Er sagt, er weiß den Zeitpunkt nicht genau, aber ja, es könnte am ersten August angefangen haben.«

Susan schob den großen roten Werkzeugkasten in die Ecke der Sattelkammer. »Der verdammte Virus ist aktiv geworden, aber kommt es dir nicht komisch vor, daß andere Banken keine fehlenden Gelder melden?«

»Ja, das ist merkwürdig. Komm, gehen wir ins Haus.«

Harry setzte sich in der Bibliothek im Schneidersitz auf den Fußboden, wie sie es schon als Kind getan hatte. Sie war von Büchern umgeben. Sie blätterte in einem Lexikon, dem Oxford English Dictionary. Susan saß in Daddy Minors Sessel, die Füße auf dem Polsterhocker, und nahm sich einen Geschichtsat­las vor.

Mrs. Murphy strich bei den Bücherregalen herum, Tucker hat­te sich neben Harry gezwängt.

»Sie haben alle Bücher, die sie brauchen.«

Die Katze verkündete: »Da ist eine Maus in der Mauer. Die Bücher sind mir schnuppe.«

»Die kriegst du da nicht raus. Du hattest in letzter Zeit nicht viel Glück mit Mäusen.«

»Du hast ja keine Ahnung.«

»Sag mal, wo ist Paddy?« Tucker wollte wissen, wo Mrs. Murphys Exmann, ein hübscher schwarzweißer Kater mit dem Charme und Witz der Iren, zur Zeit lebte.

»Nantucket. Seine Leute fanden, auf der Insel würde es ohne ihn langweilig sein, drum nehme ich an, er ist dort, jagt Möwen und frißt eine Menge Fische.«

Harry schlug »thread« nach. Es nahm zwei Seiten der unge­kürzten Ausgabe des Lexikons ein.

Sie fand »threadbare«, fadenscheinig, das im schriftlichen Gebrauch erstmals im Jahre 1362 nachgewiesen wurde. Zwi­schen der mündlichen Verwendung eines Wortes und seiner Niederschrift können Jahrzehnte liegen, was aber in diesem Fall keine Rolle spielte.

Ihr Blick glitt über das dünne, feine Papier. »Aha.« »Was, aha?«

»Hör zu! >Threadneedle< ist im schriftlichen Gebrauch erst­mals 1751 nachgewiesen. Es ist ein Kinderspiel, bei dem sich alle die Hände reichen. Die Spieler am einen Ende der Men­schenkette ziehen zwischen den letzten beiden am anderen Ende durch, danach ziehen alle anderen durch.«

»Ich sehe nicht, daß das irgendwas mit dem Problem zu tun hat.«

»Ich auch nicht.«

»Gibt es noch mehr Bedeutungen?«

»Ja. Als Verbform, >thread the needle<. Existiert schriftlich seit 1844. Es bezieht sich auf eine Tanzbewegung, wenn eine Dame unter den Armen ihres Partners durchgeht, wobei ihre Hände sich nicht loslassen.« Harry sah von dem Lexikon hoch. »Das hab ich nicht gewußt.«

»Ich auch nicht. Sonst noch was?«

»Es kann auch bedeuten, eine Gewehrkugel durch ein Bohr­loch zu schießen, das kaum groß genug ist, daß die Kugel durchgeht, ohne das Loch zu vergrößern.« Harry klappte das dicke Buch mit einem schweren Plumps zu. »Was hast du ge­funden?«

»Am 1. August 1137 starb König Ludwig VI. von Frankreich. Königin Anne von Britannien starb am 1. August 1714.« Sie las weiter. »Und 1914 hat Deutschland Rußland den Krieg erklärt. Das hat nun in der Tat die Welt verändert.«

»Versuchen wir's mit einem anderen Buch. Es muß was da­sein, das uns bisher entgangen ist.«

»Es könnte ja auch ein Ablenkungsmanöver sein.«

»Ja, ich weiß, aber irgendwas an dieser Geschichte riecht nach Überlegenheit. Wer immer hier herumfummelt.«

»Stiehlt.«

»Richtig. Wer immer hier Geld stiehlt, will uns unter die Nase reiben, wie blöd wir sind.«

»Hier.« Mrs. Murphy zog mit der Pfote ein anderes Buch her­aus, in dem geschichtliche Ereignisse aufgelistet waren. Das Buch fiel auf den Boden.

»Murphy.« Harry drohte der Katze mit dem Finger. »So kannst du einem Buch den Rücken brechen.« »Sei nicht so ekelhaft.«

»Widerworte.« Susan lachte. »Hört sich genau gleich an, ob nun bei Tieren oder bei Kindern.«

»Ich geb nie Widerworte«, behauptete Tucker.

»Lügnerin«, gab die Katze sofort zurück. Sie sprang vom Bü­cherregal und setzte sich neben Harry. Susan stand von ihrem Sessel auf und setzte sich auf der anderen Seite zu Harry auf den Fußboden.

»Okay, 1. August. 1834 wurde die Sklaverei im Britischen Empire abgeschafft.«

»Dabei fällt mir ein, Mim hat sich mit Kate Bittner über die Bürgerkriegsserie im Kultursender PBS unterhalten. Mim hat gesagt: >Wenn ich gewußt hätte, daß das so viel Ärger gibt, hätte ich die Baumwolle selber gepflückte«

Harry beugte sich nach hinten, die Hände auf den Knien.

»Oje, wie hat Kate reagiert?« Da Kate afrikanischer Abstam­mung war, war dies eine berechtigte Frage.

»Gebrüllt. Einfach nur schlappgelacht.«

»Bravo. Glaubst du, sie wird zur Bezirksvorsitzenden der Demokratischen Partei gewählt?«

»Ja, obwohl Ottoline Gill und.«

»Ottoline ist Republikanerin.«

»Nicht mehr. Sie hat sich mit Jake Berryhill gestritten. Hat sich von der Partei losgesagt.«

»Ein Sturm im Wasserglas. Laß mal sehen, was sonst noch war. Im Mittelalter galt der erste August als ägyptischer Tag, der angeblich Unglück brachte.«

»Gib mal her.« Susan nahm Harry das Buch aus der Hand. »Du bist mir zu langsam.« Ihre Augen überflogen das eng Ge­druckte. »Harry, hier ist was.« Sie deutete auf den Eintrag in der Mitte der Seite.

Sie lasen laut: »Im Jahre 1732 wurde in der Threadneedle Street in London der Grundstein für die Bank von England ge­legt.«

Harry sprang auf und griff in der Küche zum Telefon. »Hallo, Coop. Hören Sie sich das an.«

Susan, die unterdessen auch aufgestanden war, hielt Harry das Buch zum Vorlesen hin.

Als sie fertig war, sagte Harry: »Susan und ich - was?«

Coop unterbrach sie. »Behalten Sie's für sich. Es muß unter Ihnen und Susan bleiben.«

Harry erwiderte gekränkt: »Wir haben nicht vor, es an die große Glocke zu hängen.«

»Ich weiß, aber in Ihrer Begeisterung könnten Sie es ausplau­dern.« Coop entschuldigte sich. »Tut mir leid, daß ich Sie ange­blafft habe. Wir sind unterbesetzt. Die Leute gehen der Reihe nach in die Sommerferien. Ich bin überlastet und lasse es an Ihnen aus.«

»Ist schon okay.«

»Sie haben gute Arbeit geleistet. Threadneedle hat etwas zu bedeuten. vermutlich. Es hat was mit Banken zu tun. Wissen Sie, diese ganze Sache ist verdreht. Der Threadneedle-Virus schien zuerst ein Jux zu sein. Dann sind in der Crozet National Bank zwei Millionen Dollar nicht aufzufinden. Auf der Route 29 häufen sich die Autounfälle, und im Leichenschauhaus liegt ein mausetoter Mike Huckstep, von dem wir wenig wissen. Alles kommt auf einmal.«