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Das warme Gelb der Schindeln wirkt einladend, schafft Ver­trautheit - man könnte sich vorstellen, in diesem Haus zu leben. Niemand könnte sich je vorstellen, in dem schönen, imposanten Monticello gleich hinter dem kleinen Hügel von Ash Lawn zu leben.

Harry spazierte mit Blair Bainbridge, ihrem neuen Nachbarn - allerdings war »neu« in Crozet ein relativer Begriff; Blair war vor mehr als einem Jahr zugezogen - zwischen den Buchsbäu­men auf dem Gelände herum. Als gefragtes Model war Blair ebensooft unterwegs wie in der Stadt. Vor kurzem aus Afrika zurückgekehrt, hatte er Harry um eine Führung durch das Heim der Monroes gebeten. Zum Verdruß von Harrys Exmann, dem Tierarzt Fair Haristeen, einem blonden Riesen, der die Dumm­heit, Harry verloren zu haben, längst bereute und seine Exfrau unbedingt wiederhaben wollte.

Was Blair betraf, so konnte niemand seine Absichten in punc­to Harry ergründen. Mrs. Hogendobber, die selbsternannte Ex­pertin für das Tier namens Mann, erklärte, Blair sei so unver­schämt maskulin und gutaussehend, daß die Frauen sich ihm jederzeit auf jedem Kontinent an den Hals werfen würden. Sie behauptete, er sei von Harry fasziniert, weil sie gegen seine männliche Schönheit immun sei. Mrs. Hogendobber hatte damit mehr als halbwegs recht, trotz gegenteiliger Behauptungen von Susan Tucker, Harrys bester Freundin und Züchterin ihrer Cor­gihündin.

Mrs. Murphy wählte den Schatten einer mächtigen Pappel, wo sie ein bißchen Gras aufscharrte und sich dann hinplumpsen ließ. Tucker umrundete sie dreimal, dann setzte sie sich neben sie, da sie die verhaßten Pfauen von Ash Lawn erspäht hatte. Auf dem Anwesen der Monroes wimmelte es von den schil­lernden Vögeln, deren himmlische Erscheinung von grotesken, häßlichen rosa Füßen verunstaltet wurde. Außerdem besaßen sie die abstoßendsten Stimmen der Vogelwelt.

»Oh, am liebsten würde ich diesen großen Angeber zu Boden strecken«, knurrte Tucker, als ein riesiges Männchen vorbei­stolzierte, dem kleinen Hund einen Todesstrahlblick zuwarf und dann weiterschritt.

»Der ist bestimmt zäh wie ein alter Schuh.« Mrs. Murphy ge­noß gelegentlich einen Zaunkönig als Leckerbissen, aber vor größeren Vögeln scheute sie zurück. Sie machte sich wohlweis­lich jedesmal ganz flach, wenn sie über sich einen großen Schatten bemerkte. Das beruhte auf Erfahrung, denn einst hatte ein rotschwänziger Habicht eins von ihren Brüderchen geraubt.

»Ich weiß nicht, warum Präsident Monroe sich diese Vögel hielt. Schafe, Kühe, sogar Truthähne - Truthähne kann ich ja verstehen -, aber Pfauen sind nutzlos.« Tucker sprang auf und drehte sich im Kreis, um nach etwas zu beißen, das in ihrem Fell saß.

»Flöhe? Ist jetzt die Jahreszeit«, bemerkte Mrs. Murphy mit­fühlend.

»Nein«, knurrte Tucker, während sie noch ein bißchen weiter­biß. »Bremsen.«

»Wie kommen die durch dein dickes Fell?«

»Weiß ich nicht, aber sie schaff en's.« Tucker seufzte, dann stand sie auf und schüttelte sich. »Wo istMom?«

»Überall und nirgends. Sie ist nicht weit weg. Setz dich hin, ja? Wenn du abhaust und einen von diesen dämlichen Vögeln jagst, krieg ich dafür die Schuld. Ich seh nicht ein, warum wir nicht ins Haus können. Ich verstehe ja, daß die Tiere von ande­ren Leuten nicht reindürfen, wie Lucy Fur, aber wieso wir nicht?« Der Name Lucy Fur, der wie Lucifer klang, paßte aus­gezeichnet zu der jüngeren von Reverend Jones' zwei Katzen, denn sie war ein Teufelskerl. »Wetten, Little Marilyn läßt uns durch die Hintertür rein?« Tucker zwinkerte. Sie wußte, daß Mim Sanburnes Tochter Tiere liebte.

»Gute Idee.« Die Katze wälzte sich im Gras, dann sprang sie hoch. »Komm, düsen wir los.«

»Wo hast du das denn her?« fragte Tucker, als sie zur Seiten­tür zockelten. Eine Bank unter einer kleinen Veranda verlieh dem Eingangsbereich ein einladendes Flair. Kein Mensch war weit und breit zu sehen.

»Das hat Susan gestern gesagt. Sie schnappt so was von ihren Kindern auf. Wie >man sieht sich<, wenn man sich verabschie­det.«

»Oh.« Tucker brachte der Sprache der Jugend nur begrenztes Interesse entgegen, weil der Jargon sich alle paar Jahre änderte.

Unterhalb des Hauptbereichs von Ash Lawn waren Fremden­führerinnen in zeitgenössischen Kostümen dabei, zu spinnen, zu weben, Fett für Kerzen zu schmelzen und zu kochen. Little Marilyn - Marilyn Sanburne junior, die seit kurzem geschieden war und ihren Mädchennamen wieder angenommen hatte - war heute die verantwortliche Fremdenführerin in Ash Lawn. Ob­wohl erst Anfang Dreißig, hatte die jüngere Marilyn finanziell eine Menge für Ash Lawn sowie das William and Mary College getan. Das College unterhielt Haus und Grundstück von James Monroe und stellte die meisten Fremdenführerinnen. Little Ma­rilyn war stolze Absolventin des William and Mary College, wo sie so oft die Fächer gewechselt hatte, bis ihre Studienberater die Hoffnung aufgaben, daß sie je Examen machen würde. Schließlich hatte sie sich auf Soziologie verlegt, was ihrer Mut­ter ungemein mißfiel und folglich Little Marilyn um so besser gefiel.

Da Harry Absolventin des Smith College in Massachusetts war, gehörte sie nicht zum engeren Kreis von Ash Lawn, aber das Personal pflegte gute Beziehungen zur Gemeinde, so daß Harry und ihre Tiere sich dort willkommen fühlten. Natürlich kannten alle in Ash Lawn Mrs. Murphy und Tucker.

Die anderen Fremdenführerinnen waren an diesem 30. Juli Kerry McCray, eine kesse Rotblonde, die auf dem College Litt­le Marilyns Zimmergenossin gewesen war, Laura Freely, eine hochgewachsene, strenge Dame um die sechzig, und Aysha Gill Cramer, ebenfalls eine Collegefreundin von Little Marilyn. Da Aysha erst im April geheiratet hatte - ein schauerlich übertrie­benes gesellschaftliches Ereignis -, brauchten alle noch etwas Zeit, sich an den Namen Cramer zu gewöhnen. Danny Tucker, Susans sechzehnjähriger Sohn, arbeitete als Gärtner, und es machte ihm Spaß. Susan half im Andenkenladen aus, weil die Kassiererin sich krank gemeldet hatte.

Durch ein Kuddelmuddel bei der Einteilung waren Aysha und Kerry zur selben Zeit hier. Die zwei konnten sich nicht riechen. Zusammen mit Little Marilyn waren die drei von Kind an die besten Freundinnen gewesen, und auch noch die ganze Zeit auf dem College, wo sie derselben Studentinnen-Verbindung ange­hört hatten.

Nach dem Examen waren sie zusammen nach Europa gefah­ren und schließlich nach einem Jahr getrennte Wege gegangen. Sie schrieben sich Unmengen von Briefen. Kerry war als erste nach Crozet zurückgekehrt und hatte eine Anstellung bei der Crozet National Bank gefunden, die um die Jahrhundertwende als Lokalbank gegründet worden war, aber jetzt ganz Mittelvir­ginia bediente. Little Marilyn war wenig später gefolgt, hatte geheiratet, was schiefging, und sich scheiden lassen. Aysha war erst vor sechs Monaten nach Albemarle County zurückgekehrt. Ihr tadelloses Französisch und Italienisch waren hier nicht ge­fragt. Die Aussichten auf eine Karriere waren in diesem kleinen Winkel der Welt so minimal, daß Heiraten immer noch eine echte Karriere für junge Frauen darstellte, vorausgesetzt, sie fanden ein geeignetes Opfer.

Die Freundinnen knüpften wieder da an, wo sie aufgehört hat­ten. Aysha, in jüngeren Jahren ein bißchen pummelig, war zu einer hübschen Frau herangereift, die vor Ideen übersprudelte.

Little Marilyn, die sich gerade von ihrer Scheidung erholte, war noch deprimiert. Sie brauchte ihre Freundinnen.

Kerry, damals noch mit Norman Cramer verlobt, hatte Aysha und Little Marilyn oft eingeladen, abends mit ihnen essen, ins Kino oder zu einer nächtlichen Veranstaltung in die Blue- Ridge-Brauerei zu gehen.

Norman, schmächtig und schüchtern, hatte ein hübsches Ge­sicht, das große blaue Augen umrahmte. Er arbeitete ebenfalls in der Crozet National Bank, als Chefbuchhalter. Als aufregend hätte ihn wohl niemand spontan bezeichnet, daher kippten alle aus den Latschen, als Aysha ihn Kerry ausspannte. Keiner konnte begreifen, weshalb sie ihn wollte, außer daß sie die Dreißig überschritten hatte, ungern arbeitete und die Ehe als bequemen Ausweg sah.