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Ihre Mutter, Ottoline Gill, die sich viel zu sehr in das Leben ihrer Tochter einmischte, schien von ihrem frischgebackenen Schwiegersohn begeistert. Das mag teils an dem freudigen Schreck gelegen haben, daß sie überhaupt einen Schwiegersohn bekam. Sie hatte Ayshas Zukunft schon verloren gegeben und immer wieder erklärt, ein Mädchen, das so schön und klug sei wie ihr Liebling, würde nie einen Mann finden. »Männer mö­gen dumme Frauen«, pflegte sie zu sagen, »und meine Aysha wird nicht das Dummchen spielen.«

Was immer sie spielte oder nicht spielte, sie hatte Norman be­tört, mit dem Ergebnis, daß Aysha und Kerry jetzt erbitterte Feindinnen waren, die kaum in zivilisiertem Ton miteinander reden konnten. Fern von Ayshas forschenden Blicken war Norman liebenswürdig zu Kerry, aber seine Liebenswürdigkeit wurde nicht immer erwidert.

Marilyn schickte Aysha zum Arbeiten nach unten und Kerry nach draußen zu den Sklavenquartieren. Das milderte die Span­nung ein wenig. Sie wußte, daß beide am nächsten Tag zu ihr kommen und sich über das Durcheinander beschweren würden. Kerry würde leichter zu beschwichtigen sein als Aysha, die nichts lieber sah, als wenn jemand emotional im Unrecht war. Aber weil Aysha gerne Fremdenführerin in Ash Lawn war, wollte Marilyn sie besänftigen, um ihrer selbst willen wie zum Wohl der Stätte. Es war schlimm genug, daß Aysha ihr Ärger machte, aber sich mit dieser Zicke von einer Mutter herumzu­schlagen, das war die Hölle. Und wenn Ottoline auf die Barri­kaden ging, dann würde Mim, Marilyns Mutter, sich ebenfalls einmischen, und sei es nur, um die überhebliche Ottoline in die Schranken zu weisen.

Mrs. Murphy, den Schwanz senkrecht aufgerichtet, fühlte das kühle Gras unter ihren Pfoten. Grashüpfer schossen vor ihr da­von wie grüne Insektenraketen. Sie hüpften, ließen sich nieder, hüpften weiter. Gewöhnlich jagte sie ihnen nach, aber heute wollte sie in das historische Wohnhaus, nur um zu beweisen, daß sie nicht die Absicht hatte, etwas kaputtzumachen.

Als der Tag sich neigte, waren die meisten Touristen gegan­gen. Einige hielten sich noch im Andenkenladen auf. Das Per­sonal von Ash Lawn begann mit dem Abschließen. Harry und Blair waren ins Haus gegangen, um zu sehen, ob Marilyn Hilfe brauchte.

Ein entferntes Dröhnen kam näher. Dann verkündeten ein Quietschen, ein Spotzen und ein Stottern, daß ein Motorrad auf dem Parkplatz zum Stehen gekommen war, nicht irgendein Motorrad, sondern eine schimmernde, vollkommen schwarze Harley-Davidson. Der Motorradfahrer war so abgerissen, wie seine Maschine glänzte. Er trug einen schwarzen deutschen Helm aus dem Zweiten Weltkrieg, eine schwarze, mit Chrom­sternen besetzte Lederweste, zerrissene Jeans, schwere schwar­ze Motorradstiefel, und um die Brust hatte er eine imposante Kette baumeln, die an einen altertümlichen Patronengürtel erin­nerte. Eine Motorradbrille mit dunklen Gläsern vervollständigte die Montur. Er war unrasiert, sah aber auf seine schmuddelige Art nicht übel aus.

Er schlenderte den gepflasterten Weg entlang, der zum Vor­dereingang führte. Tucker, die sich jetzt seitlich vom Haus bei den Sklavenquartieren befand, blieb stehen und bellte ihn an. Beide Tiere hatten sich vom Nebeneingang entfernt, um zu sehen, was vorging.

»Halt's Maul, Tucker, du verdirbst mir sonst meine Strate­gie«, warnte die Katze. Sie lag flach vor dem Besuchereingang und wartete nur darauf, daß mit dem Eintritt des Motorradfah­rers die Tür aufschwang, so daß sie hineinflitzen konnte. Wer immer die Tür öffnete, würde einen Schrei ausstoßen, wenn sie zwischen seinen Beinen durchsauste. Dann würde man ihr nachjagen oder sie locken müssen. Harry würde einen Tob­suchtsanfall bekommen. Jemand würde auf die Idee verfallen, Mrs. Murphy mit Futter oder vielleicht frischer Katzenminze aus dem Kräutergarten zu bestechen. Sie hatte alles geplant. Dann blickte sie hoch und sah den Hell's Angel zur Tür mar­schieren. Sie beschloß zu bleiben, wo sie war.

Er öffnete die Tür und wurde von Little Marilyn begrüßt.

»Willkommen im Heim von James und Elizabeth Monroe. Leider haben wir im Sommer nur von zehn bis siebzehn Uhr geöffnet, und jetzt ist es siebzehn Uhr dreißig. Ich bedaure sehr, aber Sie müssen morgen wiederkommen.«

»Ich geh hier nicht weg.« Er drückte sich an ihr vorbei.

Laura hörte den Wortwechsel vom Salon aus und trat zu Mari­lyn. Harry und Blair blieben im Wohnzimmer. Aysha war unten in der Sommerküche, und Kerry schloß die Sklavenquartiere ab.

»Sie müssen gehen.« Marilyn schürzte die Lippen.

»Wo ist Malibu?« Seine kehlige Stimme unterstrich die be­drohliche Erscheinung.

Blair kam in die Halle. »In Kalifornien.«

Der Motorradfahrer maß ihn von Kopf bis Fuß. Blair war ein großer, breitschultriger Mann in bester Kondition. Kein leichter Gegner.

»Sind Sie hier der zuständige Komiker?« Der Motorradfahrer zog ein kleines Klappmesser aus seiner Weste. Er ließ es ge­schickt mit einer Hand aufschnappen und stocherte damit in seinen Zähnen.

»Ja, für heute.« Blair verschränkte die Arme. Harry trat eben­falls in die Halle und stellte sich hinter Blair. »Die Damen ha­ben Sie informiert, daß Ash Lawn morgen geöffnet ist. Kom­men Sie dann wieder.«

»Mir ist dieser Laden scheißegal. Ich will Malibu. Ich weiß, daß sie hier ist.«

»Wer ist Malibu?« Harry schob sich nach vorn. Sie hatte den Verdacht, daß die Pupillen des Motorradfahrers geweitet waren, oder das Gegenteil, und daß er die Sonnenbrille trug, um diesen Zustand zu verbergen. Er hatte was genommen, und zwar kein Aspirin.

»Eine diebische Schlampe!« schimpfte der Motorradfahrer. »Ich bin hinter ihr her und weiß, daß sie hier ist.«

»Sie kann unmöglich hier sein«, entgegnete Marilyn. »Alle, die hier arbeiten, kennen sich untereinander, und von einer Ma­libu haben wir nie gehört.«

»Sie haben bloß den Namen nie gehört. Die ist gerissen. Sie hypnotisiert einen, nimmt sich, was sie will, dann packt sie zu wie eine Schlange!« Er hielt seine zwei Zeigefinger wie Fang­zähne, die zupacken wollen.

Aus dem Augenwinkel sah Harry Aysha durch die Hintertür kommen. Sie konnte weiter hinten auch Kerry sehen, die auf dem Weg zum Herrenhaus war. Der Motorradfahrer sah die beiden nicht. Harry drehte sich vorsichtig um und machte hinter dem Rücken mit den Händen ein Stoppzeichen. Blair hatte un­terdessen die Hand auf die Schulter des Motorradfahrers gelegt und drehte ihn sachte in Richtung Haupteingang.

»Kommen Sie. Sie werden sie heute nicht finden. Die Hälfte des Personals ist schon nach Hause gegangen.« Blairs Stimme triefte von Verständnis. »Ich weiß, was Sie meinen, manche Frauen sind wie Giftschlangen.«

Die beiden Männer gingen nach draußen. Mrs. Murphy starrte zu ihnen hinauf. Der Motorradfahrer roch nach Kokain, Schweiß und Schmieröl. Sie maß Gerüchen eine große Bedeu­tung bei.

Die Stimme des mürrischen Mannes zitterte ein kleines biß­chen. »Ach die, Sie haben ja keine Ahnung, wie die mit einem umspringen kann. Sie spielt mit deinem Körper und verwirrt deinen Geist. Das einzige, was sie je geliebt hat, waren Dol­lars.«

Blair erkannte, daß er den Kerl mit der Kiffervisage eigenhän­dig zu seinem Motorrad bugsieren mußte, da er keine Anstalten machte, sich von der vorderen Veranda zu entfernen. »Zeigen Sie mir Ihre Maschine.«

Mrs. Murphy sauste von einem Strauch zum anderen, behielt dabei die Männer im Auge und hörte jedes Wort. Tucker schoß vor ihr her.

»Tucker, bleib hinter ihnen.«

»Immer sagst du mir, was ich tun soll!«

»Weil du erst handelst und dann denkst. Halt dich hinter ih­nen. So merkt der Kerl nicht, daß du da bist, falls Blair Hilfe braucht. Überraschungsmoment.«