Chen schüttelte den Kopf. „Das wäre schlecht für Pandaria.“
„Ja. Die Leute hier haben ihn vielleicht vergessen, seit er in sein Grab gelegt wurde, aber ich bezweifle, dass die Zeit in der Gruft sein Gedächtnis getrübt hat.“ Tyrathan seufzte. „Und zweitens: Wir müssen die Invasionstruppen der Zandalari aufhalten, bevor sie die Begräbnisstätte erreichen.“
Vol’jin schüttelte den Kopf. „Nein. Wir müss’n nur verhindern, dass sie die Kriegsfürsten wiederbeleben. Vermutlich gibt es nur ein paar unter ihnen, die stark genug für diese Beschwörung sind.“
Der Mensch nickte abgehackt. „Ich verstehe. Wir töten sie …“
„Einen Teil von ihnen auszuschalt’n sollte genügen, denke ich.“ Der Schattenjäger blickte Taran Zhu an. „Und Eure oberste Priorität wird es sein, Pandaria gegen die Mogu zu verteidig’n. Wie viele Mönche habt Ihr für diese Aufgabe?“
„Einhundert, und knapp die Hälfte von ihnen habe ich bereits in die Provinzen geschickt, um Vorbereitungen zu treffen, Versorgungslinien aufzubauen, die Leute zu trainieren. Doch das ist nicht die Art von Mönchen, die Ihr meint.“ Der Mönch reckte das Kinn hoch. „Von dieser Sorte, der tödlichen Sorte, habe ich – Euch drei und mich selbst eingeschlossen – fünfzig.“
„Ein halbes Hundert, um eine Zandalari-Invasion zu stopp’n und einen jahrtausendealten Mogu-Tyrannen zurück ins Grab zu schick’n.“ Vol’jin nickte langsam. „Ich brauche sieben, um die Begräbnisstätte zu sichern. Und jetzt lasst uns darüber reden, wir Ihr die anderen einsetzt, während wir fort sind.“
„Ich bin nicht erfreut, Hauptmann Nir’zan.“ Die Tatsache, dass der Troll auf dem Bauch vor ihr lag, hatte nicht die besänftigende Wirkung, die sie normalerweise bei diesem Anblick verspürte. „Ich glaube, du erwartest ein Lob, weil du herausgefund’n hast, dass der Mensch, der einen unserer Spähtrupps ausgeschaltet hat, derselbe war, der hier in Zouchin gekämpft hat. Aber wie du vielleicht versteh’n kannst, hätte ich lieber gehört, dass er tot ist, nicht, dass er seinen Kampf fortführt.“
„Ja, Mylady.“
„Und dass wir das Buch des Schamanen verloren haben, vergrößert mein Missfallen noch. Der Mensch und der Pandaren hätten gefangen genommen werden sollen. Ich sollte das Protokollbuch jetzt in meinen Händen halten.“ Hätte der Troll versucht, gegen die Unmöglichkeit dieser Worte zu protestieren, hätte sie ihn auf der Stelle selbst getötet, als Exempel für die anderen Offiziere, die sie beobachteten. Dennoch wusste Khal’ak natürlich, wie unsinnig es gewesen wäre, anzunehmen, dass Nir’zan die beiden Mörder einholen könnte; er war schließlich erst losgeschickt worden, nachdem die letzte Meldung des Spähtrupps ausgeblieben war.
Sie stupste ihn mit dem Zeh an der Schulter an, und er erhob sich in eine kniende Haltung. „Aber es spricht für dich, dass du selbst gekommen bist, um Meldung zu mach’n. Und ebenso, dass du deine Einheit im Osten auf Position zurückgelassen hast. Außerdem hast du im Fischerdorf eine Skizze von den Fußabdrücken des Mensch’n angefertigt, weswegen du seine Spur wiedererkennen konntest. Du bist intelligenter, als ich sonst unter diesen Umständen glauben würde.“
Hauptmann Nir’zan hielt den Blick auf den Boden gerichtet. „Ihr seid zu gütig, Mylady. Ich hatte Glück, dass die Fußspur’n nicht von dem Sturm fortgespült wurd’n, der das Feuer in dem Bauernhaus löschte.“
Einen Moment lang presste sie die Hände vor den Lippen zusammen, dann senkte sie sie wieder und nickte. „Ihr werdet alle mit euren Kompanien entlang unserer geplant’n Route Stellung beziehen. Geht davon aus, dass der Feind von unserem Kommen weiß. Stellt Posten an allen Kreuzungen auf und auch an allen Punkten, wo man eine größere Feindmacht zurückhalt’n kann. Falls ihr oder irgendeiner eurer Soldaten auf die Idee kommt, sich zurückzuziehen … Nun, das wäre ein großer Fehler. Glaubt mir, ihr wollt lieber einen schnell’n Tod durch die Hand des Gegners sterben, als langsam an meinen liebevollen Streicheleinheiten zu verenden.
Wann immer möglich, werdet ihr Gefangene nehmen, und ihr werdet alles, was sie wiss’n, aus ihnen herausquetschen. Falls sie politischen Einfluss haben oder ein hohes Amt bekleiden, lasst sie zu mir bring’n. Ihre Familien werden geköpft, ihre Leichen verbrannt und ihre Schädel an den Kreuzung’n aufgestellt. Dass unsere Späher tot sind, ist teilweise Schuld der Pandaren, also sollen für jeden unserer Toten zehn dieser viehischen Kreaturen sterb’n. Aber einen Gefangenen – jemand, der zu jung oder zu alt ist, um kämpfen zu können – werdet ihr freilassen, damit die Geschichte sich verbreitet.“
Sie beugte sich vor und hob das Kinn ihres Hauptmanns mit dem gekrümmten Finger an. „Und dir, Nir’zan, wird eine besondere Ehre zuteil. Du hast herausgefund’n, welche Rolle der Mensch bei alldem spielte. Du und deine Kompanie, ihr werdet also die Spitze übernehmen und am weitesten vorstoßen. Ihr werdet herausfinden, wo die Allianz ihre Trupp’n hat. Dann werdet ihr ein paar Gefangene nehmen, aber lasst euch nicht entdecken! Schnappt euch vorzugsweise Mensch’n, von mir aus auch Worgen. Elfen, wenn ihr nichts anderes findet, oder ein paar Zwerge und Gnome. Ich will das Zwölffache vom Gewicht unserer Toten in Allianzfleisch. Von ihnen werdet ihr niemanden freilass’n. Die Allianz wird früh genug herausfinden, warum ihre Leute verschwunden sind.“
„Ja, Mylady.“
„Bringt die Gefangenen zur Gruft der Kriegsfürsten. Mir wird schon eine Verwendung für sie einfall’n.“ Khal’ak richtete sich auf. „Geht jetzt, ihr alle. Meldet euch wieder, wenn ihr Erfolge vorzuweisen habt.“
Sand wirbelte auf, als ein Dutzend Trollhauptmänner zu ihren Einheiten rannten. Sie würden nicht versagen, denn bei den Aufgaben, die sie ihnen gegeben hatte, konnte man nicht versagen. Sie würden erfolgreich sein, und das würde ihnen Zuversicht schenken, und die wiederum würden sie später brauchen, wenn Khal’ak das Unmögliche von ihnen verlangte.
Sie wandte sich um, denn sie hatte den Schatten des Mogu bereits gespürt, bevor er den Sand um sie verdunkelte. „Es ist ein guter Morgen, verehrter Chae-nan.“
„Du würdigst deine Toten nicht genug. Ich würde für jeden eurer Gefallenen hundert Pandaren abschlachten lassen.“
„Ich hatte darüber nachgedacht, aber wir haben zu wenige Kreuzungen für so viele Schädel gefunden. Und wir haben auch nicht genügend Stang’n.“ Sie zuckte unbeschwert mit den Schultern. „Davon abgesehen können wir später noch mehr umbringen. Falls das deinen Meister erfreut, will ich es gerne tun.“
„Ich bezweifle, dass er Gefallen an Pandaren findet, aber vielleicht an Menschen.“ Der Mogu lächelte auf eine Weise, die klarmachte, warum Henker so oft Kapuzen tragen. „Der Mann, den du suchst, und sein Pandaren und dann noch dieser Troll aus dem Dorf – sie würden meinen Meister gewiss zufriedenstellen.“
„Dann werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um sie ihm zu bring’n.“ Sie verbeugte sich vor ihm. „Ich werde sie ihm persönlich vorführen, damit der Donnerkönig ihnen die Seelen aussaug’n und sich an ihren Qualen laben kann.“
20
Vol’jin fand sich in einem Traum oder einer Vision gefangen; er war nicht sicher, was von beidem es war. Wäre es ein Traum, könnte er ihn damit abtun, dass sein Geist nur das Gesehene und Gehörte verarbeitete. Doch falls es eine Vision war – und in diesem Fall wäre es eine, die die Seidentänzerin ihm geschickt hatte –, dann hätte sie mehr Gewicht. Das bedeutete, dass er es ergründen musste.
Sein Gesicht war hinter einer Rush’kah-Maske verborgen, und er war froh darum. So würde er zumindest nicht sehen, ob er wirklich in einem Zandalari-Körper steckte, wenn er zufällig irgendwo seine Reflexion sah. Es war in jedem Fall anders, als Tyrathans Haut zu tragen. Er fühlte sich wie ein Troll, sogar mehr noch als in seinem eigenen Körper, und als er sich umblickte, wurde ihm klar, dass er sich in einer Zeit befand, als es keine anderen Trolle außer den Zandalari gegeben hatte.