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„Erst am Ende.“ Vol’jin streckte seinen Rücken. „Hattest du einen unruhig’n Schlaf?“

„Ich habe überraschend gut geschlafen.“ Tyrathan erhob sich von seinem Felsen und ging weiter den schmalen Pfad hinauf. „Überraschend vor allem deshalb, weil ich deinem Plan zugestimmt habe. Und der ist im Grunde eine Selbstmordmission.“

„Von denen solltest du doch schon einige hinter dir haben.“

„Dass du das sagen kannst und recht damit hast, wirft ernsthafte Zweifel an meiner geistigen Gesundheit auf.“

Der Troll ging neben ihm her, zufrieden, dass von Tyrathans Humpeln nichts mehr zu sehen war und er selbst auch nur noch das schwache Zwicken in der Seite spürte. „Es zeigt, dass du nicht so leicht totzukrieg’n bist.“

„Wohl kaum.“ Der Mensch blickte aus zusammengekniffenen Augen über die Schulter. „Du hast gesehen, wie ich am Schlangenherz überlebte. Ich bin davongerannt.“

„Wohl eher gekrochen.“ Vol’jin hob die geöffneten Hände. „Du hast getan, was du tun musstest, um zu überleb’n.“

„Ich war ein Feigling.“

„Wäre es Feigheit, nicht mit seinen Männern zu sterb’n, dann wäre jeder General ein Feigling.“ Der Troll schüttelte den Kopf. „Davon abgeseh’n bist du nicht dieser Mann. Dieser Mann hatte keinen Bart, und er hat sein Haar gefärbt. Außerdem wäre er nie davongerannt, solange jene, die sich auf ihn verließen, noch am Leben war’n.“

„Aber genau das habe ich getan, Vol’jin.“ Tyrathan lachte, sagte aber nicht, was er so komisch fand. „Was den Bart angeht oder den Umstand, dass ich mein Haar in seiner ursprünglichen Farbe nachwachsen lasse – nach meiner Begegnung mit dem Tod will ich mich nicht länger verstellen. Ich verstehe mich jetzt viel besser. Wer ich bin und was ich bin. Und keine Angst, ich werde nicht noch einmal davonrennen.“

„Wäre das meine Sorge, hätte ich dir nicht erlaubt, mitzukomm’n.“

„Warum nimmst du auch Chen mit?“

Wut brodelte in Vol’jins Blut. „Weil er auch nicht wegrennen wird.“

„Das weiß ich, und das wollte ich damit auch gar nicht andeuten.“ Der Mensch seufzte. „Gerade weil ich weiß, dass er nicht wegrennen wird, finde ich, dass er nicht mitkommen sollte. Von den Mönchen haben die wenigsten eine Familie außerhalb des Klosters. Ich bin allein. Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht …“

Vol’jin schüttelte den Kopf. „Sie wird es verstehen.“

„Chen hat eine Nichte, und er hat Yalia. Und, um ehrlich zu sein, er hat ein zu großes Herz. Er sollte nicht mit ansehen müssen, was wir dort tun werden.“

„Was ist auf eurer Reise passiert?“

Während sie den Rest des Berges erklommen, beschrieb der Mann ihm in allen Einzelheiten, was genau sich zugetragen hatte. Vol’jin verstand Tyrathans Vorgehensweise genau. Er hatte den schweigsamen Troll zuerst getötet, weil er seine Rüstung nicht abgelegt hatte und somit in einem Kampf am schwersten zu töten gewesen wäre. Die beiden anderen Soldaten waren genau das: Soldaten, nichts weiter. Und die Unterhaltung hatte darauf schließen lassen, dass der Anführer kein Krieger war.

Vol’jin hätte an der Stelle des Menschen dieselbe Entscheidung getroffen und auch aus genau demselben Grund. Die Trolle bewegungsunfähig zu machen, war das Wichtigste gewesen, so konnten sie nicht mehr kämpfen, und die Schmerzen und der Schrecken hatten sie noch weiter gelähmt.

Doch ebenso wie er Tyrathans Handeln und Motive verstand, verstand er auch Chens untypische Verschlossenheit. Viele Leute, die in den Krieg zogen, wollten nicht darüber nachdenken, was sie dort taten. In allen Kulturen war der Krieg durch heroische Geschichten über Mut im Angesicht gewaltiger Herausforderungen definiert. Tausend Lieder wurden über den Krieger gesungen, der tausend verhasste Feinde abgewehrt hatte, doch von den Gefallenen war keiner auch nur eine einzige Note wert.

Chen war einer von denen, die Schlachten auf diese Weise mythologisieren konnten, gerade weil er sie meist nur aus der Entfernung erlebte. Es war nicht so, als hätte der Pandaren nie gekämpft. Nein, er hatte sich oft ins Getümmel gestürzt, und er hatte sich hervorragend geschlagen. Doch jeder Kämpfer, der zu lange über die Gefahr nachdachte, in die er sich begab, musste zwangsläufig wahnsinnig werden, oder er warf sich seinem Feind ins Schwert, um diesen Wahnsinn zu beenden.

Bislang hatte Chen immer für seine Freunde gekämpft und sie in Schlachten unterstützt. Doch jetzt kämpfte er für den Ort, den er Zuhause nannte. Dort draußen war er der einzige Pandaren, niemand sonst sah aus wie er. Oder wie seine Nichte. Oder seine Freundin.

Als sie den Gipfel erreichten, kniete Vol’jin sich hin. „Ich verstehe deine Frage weg’n Chen. Keiner von uns stellt seinen Mut infrage. Keiner von uns will ihn verletzen. Aber genau darum muss er mitkomm’n. Denn ob wir nun verlieren oder gewinn’n, es wird ihm mehr wehtun, nichts getan zu hab’n, als mit ansehen zu müssen, wie wir Tausende abschlacht’n und sie um ihr Leben winselnd lieg’n lassen. Er ist ein Pandaren. Pandaria ist seine Zukunft. Dies ist sein Kampf. Wir können ihm das nicht erspar’n, also nehmen wir ihn besser mit, damit er uns rett’n kann.“

Der Mensch dachte einen Moment darüber nach, dann nickte er. „Chen hat mir Geschichten über dich erzählt, von deiner Vergangenheit. Er sagte, du warst weise. Hast du dir während eurer Abenteuer je überlegt, dass das Blatt sich wenden könnte und du für seine Heimat kämpfen würdest, so wie er für deine gekämpft hat?“

„Nein.“ Der Troll ließ seinen Blick über Pandaria schweifen, über die Berge, die sich durch die Wolken bohrten, und die Wälder, die aus Tälern unter ihm hervorlugten. „Dieser Ort ist es wert, dass man ihn verteidigt. Dass man für ihn stirbt.“

„Also kämpfen wir, um zu verhindern, dass andere hier tun, was sie bereits unserer Heimat angetan haben?“

„Ja.“

Tyrathan kratzte seinen Bart. „Wie konnte es nur dazu kommen, dass ein Anführer der Horde und ein Soldat der Allianz gemeinsam für ein Volk kämpfen, dem keiner von uns Rechenschaft schuldig ist?“

„Du sprichst über die Personen, die wir früher waren.“ Vol’jin zog die Schultern hoch. „Mein Körper hat das Attentat überlebt, aber der Troll, der ich war, ist in der Höhle gestorb’n. Der Vol’jin, den sie umbringen wollten, ist wirklich tot.“

„Aber du weißt ebenso wenig wie ich, wer du jetzt bist.“

„Ich bin jedenfalls keine Totenschädelkrabbe.“ Vol’jin sah die Verständnislosigkeit in Tyrathans Augen. „Ein Gleichnis, das Taran Zhu mir erzählt hat.“

„Mir hat er vom Raum der tausend Türen erzählt. Durch manche könnte ich mich hindurchquetschen, aber nur durch eine würde ich bequem hindurchpassen, und die Tür, durch die ich den Raum betreten hatte, war verschwunden.“

„Hast du eine Tür gewählt?“

„Nein, aber ich glaube, ich stehe kurz vor einer Entscheidung. Die Auswahl wird immer kleiner.“ Der Mann lächelte. „Sobald ich hindurchgegangen bin, werde ich mich natürlich im nächsten Raum der tausend Türen wiederfinden.“

„Und ich werde aus jeder Schale herauswachs’n, die ich wähle.“ Vol’jin machte eine ausholende Handbewegung, die die ganze Weite Pandarias und seiner grünen Felder mit einschloss. „Du hast dir geschwor’n, noch einmal die Täler deiner Heimat zu sehen, bevor du stirbst. Ist das hier ein würdiger Ersatz?“

„Ich werde lügen und Nein sagen.“ Der Mensch lächelte. „Denn würde ich Ja sagen, würde mein Eid mir erlauben zu sterben.“

„Ich stehe zu meinem Wort: Ich werde den Kerl erledig’n, der dich erwischt.“

„Dann lass uns hoffen, dass dieser Moment weit in der Zukunft liegt, wenn ich schon zu alt bin, um mich an dein Versprechen zu erinnern, aber noch jung genug, um dankbar dafür zu sein.“

Der Troll sah ihn einen Moment an, dann wandte er den Blick ab. „Warum hassen unsere Völker sich so sehr, wenn wir beide doch vernünftig miteinander umgehen können?“