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„Aber Zeit ist genau das, was wir brauchen.“ Taran Zhu lächelte. „Kaum jemand erinnert sich noch an die Zeit, als wir Sklaven waren, aber niemand will versklavt werden. Die Mogu haben sich wieder erhoben, und die Gründe, aus denen wir sie einst niederrangen, werden durch ihre Rückkehr wiederbelebt. Wir brauchen Zeit, um uns zu organisieren, Zeit, um die Leute an ihre Vergangenheit zu erinnern. Zeit, um ihnen den Wert ihrer Zukunft aufzuzeigen.“

Als sie sich am nächsten Morgen zum Tal der Ewigen Blüten aufmachten, blickte Vol’jin noch einmal zum Gipfel der Ruhe zurück. Dort hatten die ersten Mönche trainiert – im Geheimen; unentdeckt, weil die Mogu zu faul waren, den Berg ganz zu erklimmen. Seine Erinnerung daran, weiter unten mit einem Mogu-Verbündeten gespeist zu haben, ging über in die Erinnerung daran, wie er mit einem Menschen zum Gipfel hinaufgestiegen war. Auch er ein Verbündeter, ein Kamerad, aber die Umstände fühlten sich völlig anders an.

Und waren doch zugleich völlig passend, ganz egal, wie merkwürdig sie erscheinen mochten.

Er betrachtete die Gruppe und lächelte. Auf jeden von ihnen kamen zwei Grummel, die Waffen, Rationen und andere Ausrüstung trugen. Fünf Pandaren, ein Mensch und ein Troll. Wäre Garrosh hier gewesen, um das zu sehen, um zu sehen, wie bereitwillig Vol’jin mit ihnen ging, hätte er noch mehr Anklagepunkte, um ihn des Verrats zu beschuldigen.

Doch es war nicht so, als würde diese Gruppe in seinem Geist oder in seinem Herzen die Horde ersetzen. Sie waren durch Notwendigkeit zusammengeschweißt, in dieser Hinsicht war sie der Horde also gar nicht so unähnlich. Eine bunt gemischte Truppe, vereint zum Schutz der Freiheit. Hinter einem gemeinsamen Ziel vereint zu sein, das hatte die Horde ausgemacht, die er kannte und liebte, die Horde, die unter Thrall gekämpft hatte.

Garroshs Horde folgte nur seinen Zielen, seinem Durst nach Eroberung und Macht, und irgendwann würde seine Gier den Bund zerbrechen, vielleicht sogar so stark, dass er nie wieder repariert werden könnte. Für Vol’jin wäre das eine ebenso große Katastrophe wie die erneute Machtergreifung der Zandalari-Mogu-Allianz in Pandaria.

Sie zogen nach Süden, und nach einigen Tagen erreichten sie schließlich die Anhöhen über dem Tal der Ewigen Blüten. Die Wolken wogten und wanden sich wie die Meereswellen vor einem Sturm, doch falls die Grummel eine ungute Vorahnung hatten, sprachen sie sie zumindest nicht aus. Wie zuvor schlugen sie das Lager auf und zogen sich dann zurück.

Obwohl er es eigentlich besser hätte wissen müssen, hatte Vol’jin den Namen jedes Pandaren gelernt, ebenso wie Chen. Tyrathan hatte einen weiseren Kurs eingeschlagen, indem er jeden als Bruder oder Schwester oder Mein Freund ansprach und somit zumindest eine gewisse Distanz zu ihnen wahrte. Nicht zu wissen, wie sie hießen, welche Hoffnungen und Träume sie hatten, würde es leichter machen, wenn … Falls ihre Statue aus den Knoch’n des Berges fällt.

Er wollte nicht, dass es leicht wäre. Das hatte er nie gewollt, aber in der Vergangenheit hatte er mit und für seinen Stamm gekämpft. Hier hingegen wäre es einfach, sich von den Pandaren zu distanzieren, schließlich waren sie nicht seine Leute, sie waren nicht sein Stamm, und dies war nicht seine Heimat. Aber wenn diese Schlacht es wert sein soll, gekämpft zu werd’n, dann soll’n sie meine Leute und mein Stamm sein, dann soll dies meine Heimat sein.

Ihm kam der Gedanke, dass die Mogu vielleicht genauso dachten, wenn auch in Bezug auf ihre Vergangenheit. Dies war ihr Land gewesen, und dies ihre Leute. Selbst nach Jahrhunderten und Jahrtausenden – sogar noch nachdem sie selbst in Vergessenheit geraten waren – brannte der Hunger in ihnen, sich zu rächen. Es war eine Sache, wenn Trolle ihre Vergangenheit wiederaufleben lassen wollten, denn zumindest hatten sie versucht, eine neue Zukunft zu ergründen. Die Mogu hingegen hatten kaum etwas getan, um ihr Reich wiederaufzubauen oder eine Ordnung zu finden. Sie hatten sich verzweifelt an ihre verlorene Vergangenheit geklammert und sich der Zukunft dadurch völlig verschlossen.

Obwohl sie ihr Lager in einer nach Südwesten ausgerichteten Höhle aufgeschlagen hatten, machten sie kein Feuer. Sie aßen Reisbällchen, getrocknete Beeren und geräucherten Fisch, und Chen schaffte es, in einem Trinkschlauch Tee zu machen, was ihr Mahl gleich viel schmackhafter werden ließ.

Tyrathan leerte seine kleine Schale und hielt sie hoch, damit der Pandaren sie wieder auffüllte. „Ich habe mich immer gefragt, was wohl meine letzte Mahlzeit sein würde.“

Chen lächelte mit ehrlicher Freude. „Und du wirst noch lange über diese Frage nachdenken können, Tyrathan.“

„Vielleicht, aber ich könnte mir kein besseres Mahl wünschen als das hier.“

Der Troll hob seine Tasse. „Das liegt nicht am Essen, sondern an den Leut’n, mit denen du isst.“

Vol’jin, der nach dem Abendessen die erste Wache übernommen hatte, schlief ungestört bis kurz vor Morgengrauen. Er hatte weder Visionen noch Träume – zumindest keine, an die er sich noch erinnern konnte –, und einen Moment lang überlegte er, ob die Loa sich womöglich wieder von ihm abgewandt hatten. Doch dann entschied er, dass vielmehr Bwonsamdi die anderen von ihm ferngehalten hatte, damit Vol’jin ausgeruht wäre und mehr Trolle zu ihm in die Ewigkeit schicken könnte.

Die sieben verabschiedeten sich von den Grummel-Trägern, und Tyrathan gab jedem von ihnen als Andenken einen seiner Pfeile. Als Vol’jin ihn fragend anblickte, zog der Mensch die Schultern hoch. „Ich werde sie durch Zandalari-Pfeile ersetzen. Sieh es ein, mein Vorrat an Pfeilen wäre mir so oder so ausgegangen, bevor dem Feind die Soldaten ausgehen.“

Der Troll wollte natürlich nicht hintanstehen, zumal er dieselbe Dankbarkeit verspürte, also schabte er die Seiten seines Schädels kahl und gab jedem Grummel eine Strähne seines roten Haares. Die kleinen Kreaturen blickten dieses Geschenk an, als wäre es eine Handvoll Juwelen, dann verschwanden sie wieder zwischen den Hügeln und Bergen.

Die sieben Kämpfer stiegen ohne größere Probleme zwischen den Felsen hinab. Bruder Shan übernahm die Führung, denn er fand selbst an senkrechten Steinwänden sicheren Halt, und er war kräftig genug, um die Seile zu sichern, während die anderen ihm folgten. Er erzählte ihnen eine Geschichte, wonach einige Mönche sich zur Zeit der Rebellion von genau diesem Berg abgeseilt hatten, um die Mogu zu überraschen. Diese Legende schenkte Vol’jin tatsächlich etwas mehr Zuversicht, und er hoffte, dass sie ebenso erfolgreich sein würden.

Gegen Mittag hatten sie die Wolken hinter sich gelassen. Die Sonne hatte den Nebel zwar nicht weggebrannt, aber zumindest schimmerte er in einem schwachen goldenen Schein, der ebenso den Sonnenstrahlen entstammte wie den Reflexionen vom Boden. Vol’jin kauerte sich am Rande einer kleinen Lichtung am Südhang des Berges zusammen und spähte in das Tal unter ihnen hinab.

Hätte er eine Farbe wählen müssen, um Pandaria zu beschreiben, hätte er Grün gewählt. Es gab so viele Nuancen von Grün hier, von den hellen Knospen frischer Gräser bis hin zum tiefen Smaragdgrün der Wälder; der ganze Kontinent war grün. Doch hier, im Tal der Ewigen Blüten, wurde dieses Grün von Gold und Rot verdrängt. Es waren nicht die Farben des Herbstes – obwohl es an manchen Stellen durchaus so aussah –, sondern eine Farbexplosion strahlend blühender Pflanzen. Die Flora stand in voller Blüte, erstarrt in einem ewigen Frühling, in einer Welt, die nicht alterte. Das diffuse Licht warf keine scharfen Schatten, und das wenige, was sich dort unten bewegte, glitt mit einer träumerischen Trägheit dahin.

Das Tal sah so aus, wie es sich anfühlte, wenn man nach dem Aufwachen genüsslich die Glieder streckte.

Von ihrer erhöhten Position aus konnten sie einige Gebäude erkennen, doch es ließ sich nicht sagen, wer dort lebte oder sie pflegte. Obwohl an ihrem Alter kein Zweifel bestand, hatte die Pflanzenwelt sich nicht herangeschoben, um sie zu verschlingen, fast so, als würde die Zeitlosigkeit des Tales diese Bauwerke beschützen. Vol’jin fragte sich, ob er und seine Begleiter wohl auch auf einen solchen Schutz bauen konnten.