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Vol’jin schenkte seinem Freund ein Lächeln. „Mir reicht es, dass du es fühlst, Chen. Ich habe eine Heimat, und du hast mitgeholf’n, sie zu befreien. Du hast mir mein Zuhause gegeben. Wie könnte ich also nicht glücklich sein, wenn du es bist?“

Ohne sie zu drängen, bat Vol’jin Chen und die Mönche, ihm die Gefühle genauer zu schildern, welche dieser Ort in ihnen wachrief. Sie kamen seiner Bitte bereitwillig nach, und er erfreute sich an ihren Ausführungen. Doch nachdem die Sonne untergegangen war, wehte eine dunkle, kalte Woge aus dem Osten herbei, und die Mönche verstummten. Tyrathan, der auf dem Hügelkamm über ihrem Lager Wache gehalten hatte, hob den Arm.

„Sie sind hier.“

Vol’jin und die anderen kletterten zu ihm hinauf. Dort, im Osten, erstrahlte der Mogu’shan-Palast in hellem Licht. Silberne und blaue Blitze tanzten über seine Fassade und zeichneten ein Bauwerk mit efeuartigen Windungen nach, bevor sie von den Ecken fortstoben. Diese magische Demonstration beeindruckte Vol’jin, aber nicht, weil sie ihm ein Gefühl von Macht vermittelte, sondern vielmehr, weil sie so beiläufig und gleichgültig wirkte.

Chen schauderte. „Jetzt lässt das Gefühl, hier willkommen zu sein, nach.“

„Es lässt nicht nur nach, es wird erstickt.“ Vol’jin schüttelte den Kopf. „Mehr noch, es wird begrab’n, tief unter der Erde. Hier ist jetzt niemand mehr willkomm’n.“

Tyrathan blickte den Dunkelspeer an. „Es ist mehr als eine Bogenschussweite entfernt, aber wir könnten es bis zum Morgengrauen schaffen. Lange bevor die ersten von ihnen aufwachen, um zu beten.“

„Nein. Das ist nur der Eindruck, den sie vermitteln woll’n, um uns zu ködern. Sie möchten, dass wir gerade dann angreifen.“

Der Mensch zog die Braue nach oben. „Wissen sie etwa, dass wir kommen?“

„Sie müssen davon ausgeh’n, dass jemand kommt. Sie werden sich denk’n können, dass wir ihr Protokollbuch gefunden hab’n, also rechnen sie auch damit, dass wir entsprechend handeln.“ Vol’jin deutete zu den Bergen im Süden. „Die Horde und die Allianz haben vermutlich Späher auf den Graten postiert. Sie werden das hier auch seh’n, und sie werden darauf reagieren. Es wird nur ein wenig dauern, bis sie sich auf einen Plan geeinigt haben und sich in Bewegung setz’n.“

„Es sei denn, jemand kommt aus eigenem Antrieb her.“ Tyrathan lachte. „Bis vor ein paar Monaten hätte ich diesen Part übernommen. Ich frage mich, wer jetzt den Helden spielen wird?“

„Das hat keinen Einfluss auf unsere Mission – solange die Helden uns nicht in die Quere komm’n.“

„Ja.“ Der Mensch strich sich mit der Hand über den Bart. „Wir gehen also weiter geradeaus und machen dann einen Bogen nach Osten?“

„Solange nichts diesen Plan vereitelt, ja.“

Auch diese Nacht war frei von Träumen, dennoch war sie nicht wirklich erholsam für Vol’jin. Er überlegte, ob er mit den Loa in Kontakt treten sollte, aber wie alle Götter konnten auch sie launisch sein. Wenn sie gelangweilt oder wütend waren, könnten sie seine Feinde auf seine Gegenwart aufmerksam machen. Zwar stimmte es, was er Tyrathan gesagt hatte: Die Zandalari wussten aller Wahrscheinlichkeit nach, dass sie kommen würden, aber sie wussten nicht, wo genau die sieben Krieger lauerten. Das war ein Vorteil, und angesichts der Natur ihrer Mission war jeder Vorteil Gold wert.

Falls die Sonne am nächsten Morgen aufging, konnte Vol’jin jedenfalls nichts davon sehen. Die Wolken waren noch dichter geworden. Das einzige Licht, das, abgesehen von einem schwachen gelblichen Schimmern, durch sie hindurchdrang, war das Resultat der umhergeisternden Blitze in ihren tiefsten Tiefen. Diese Blitze berührten nie den Boden, als hätten sie Angst vor einer Vergeltung aus dem Mogu’shan-Palast.

Die sieben drosselten gezwungenermaßen ihr Tempo, denn im fahlen Licht häuften sich die Fehltritte. Zudem klang jedes Knirschen von Steinen unter ihren Füßen so laut wie Donner. Wann immer es ertönte, erstarrten sie und lauschten angestrengt nach einer Reaktion. Die Späher hielten sich nun auch näher an der Hauptgruppe, schon allein deswegen, weil die Düsternis die Sicht einschränkte. Aus demselben Grund machten sie auch viel häufiger halt.

Nacht für Nacht wiederholte sich das Blitzspektakel am Mogu’shan-Palast, und jedes Mal verstärkte es die Gefühle, die das Tal in ihnen wachrief. Dieser Ort gehörte rechtmäßig Vol’jin, und die, die jetzt in dem Palast hausten, wollten ihn herausfordern. Das alte Bauwerk war wie eine Flamme, und sie waren die Motten, aber keiner der sieben gab diesen Gefühlen nach.

Sie entdeckten keinerlei Zandalari-Späher, und das beunruhigte Vol’jin. Hätte er das Kommando über ihre Truppen gehabt, hätte er leichte Einheiten weit vorgeschickt, vielleicht sogar bis zur westlichen Mauer, die das Tal von der Heimat der Mantid genannten Kreaturen trennte. Die Geschichten, die man sich über diese Wesen erzählte, waren von der Art, mit der man widerspenstigen Kindern einen Schrecken einjagte – und Vol’jin meinte damit Trollkinder und nicht die schreckhaften jungen Pandaren. Diese Grenze nicht zu sichern, wäre ein grobes Versäumnis, vor allem, da die Zandalari ja wussten, dass sie mit einem Angriff rechnen mussten.

Nach zwei Tagen ohne Sonne stießen sie schließlich auf die ersten Anzeichen der Zandalari. Bruder Shan, der die Spitze übernommen hatte, verharrte am frühen Abend in der Senke zwischen zwei größeren Hügeln. Sie hatten den Rand der südlichen Bergkette erreicht und zogen nun nach Osten durch die Gebirgsausläufer. Der Mönch gab ein Zeichen, woraufhin Vol’jin und Tyrathan nach vorne traten, dann zog Shan sich zu der Stelle zurück, wo die anderen warteten.

Das Bild, das sich unter ihnen erstreckte, ließ Vol’jins Blut zu Eis werden. Eine Kompanie von rund zwanzig Zandalari-Kriegern in leichter Rüstung hatte dort einen Außenposten errichtet. Dazu hatten sie eine Gruppe von Bäumen gefällt und die Zweige mit dem goldenen Laub abgehackt, anschließend die Enden der Stämme und größeren Äste zugespitzt und sie in einem Kreis rings um ihr Lager in den Boden gerammt. In allen Richtungen zeigten Spitzen der Pfähle nach außen, nur an der westlichen Seite gab es eine kleine Lücke. Aber da sich die Enden des Ringes dort überlappten, musste ein Angreifer sich erst zwischen den beiden Reihen hindurchschlängeln, um ins Lager zu gelangen.

Die Nasenlöcher des Trolls blähten sich, aber er hielt sein wütendes Schnauben zurück. Einen Hain so wunderschöner Bäume für einen unbarmherzigen Außenposten zu roden, kam ihm geradezu wie Blasphemie vor. Ein kleines Verbrechen, aber auch dafür werden sie bezahl’n.

In der Mitte des Lagers, direkt neben einem großen Feuerplatz, hatte man zwei weitere Baumstämme in den Boden gerammt, beide zwanzig Fuß hoch und durch knapp die Hälfte ihrer Länge voneinander getrennt. An der Spitze jedes Pfahls waren Seile befestigt worden, und sie führten hinab zu den Handgelenken eines Kriegers. Sein blauer Wappenrock hing in Fetzen von seiner Mitte und wurde nur noch durch einen unsichtbaren Gürtel zusammengehalten. An zahlreichen Stellen übersäten Schnitte sein nacktes Fleisch, nie wirklich tief, aber tief genug, um Schmerzen zu bereiten und Blut zum Vorschein zu bringen.

Vol’jin war sich sicher, dass er den Menschen noch nie gesehen hatte, dennoch kam er ihm bekannt vor. Da waren noch vier weitere Männer, alle in zerrissene Wappenröcke gekleidet, die vermutlich dem des Folteropfers glichen; sie waren mit einem Seil aneinandergefesselt und kauerten sich unter den Augen ihrer Zandalari-Wachen zusammen.

Zwei Trolle hatten an der Lücke im Pfahlkreis Position bezogen, zwei weitere standen bei den Gefangenen, alle anderen, einschließlich eines niederrangigen Offiziers, hatten sich um den Mann versammelt, der zwischen den Baumstämmen hing. Der Offizier, der ein Menschenschwert in der Hand hielt, sagte etwas, und die Zandalari lachten, dann fügte er dem Menschen einen weiteren Schnitt zu.