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»Bischof Forbassach ist ein guter Mann«, protestierte Deog.

Fidelma schaute sie neugierig an. »Eins wundert mich immer wieder, Deog«, meinte sie. »Für eine Frau vom Lande, die nicht in Fearna wohnt, weißt du sehr viel über das, was dort vor sich geht, und du verkehrst anscheinend mit einflußreichen Leuten.«

Deog rümpfte abweisend die Nase. »War nicht Daig mein Mann, und hat er mich nicht auf dem laufenden gehalten? Wir haben oft über das gesprochen, was er dort unten in Fearna tat. Hast du nicht dadurch Antworten auf die Fragen erhalten, die du gestellt hast?«

»Allerdings. Aber dir ist mehr bekannt als das, was dir dein Mann erzählt hat. Soviel ich weiß, besuchen dich Bischof Forbassach und Äbtissin Fainder.«

Deog wurde plötzlich nervös. »So, das weißt du also?«

Fidelma lächelte dünn. »Genau. Äbtissin Fainder reitet regelmäßig aus und besucht dich, nicht wahr?«

»Das bestreite ich nicht.«

»Mit Verlaub, warum reitet Äbtissin Fainder so regelmäßig hierher? Was veranlaßt sie dazu, dir, der Witwe eines Wachmanns der Flußwache, eines Mannes, den sie kaum kannte, wie sie mir sagte, Einzelheiten über Bruder Ibars Prozeß zu erzählen?«

»Warum sollte sie denn nicht?« verteidigte sich De-og. »Fainder ist schließlich meine jüngere Schwester.«

Kapitel 12

Fidelma brauchte einige Augenblicke, um diese unerwartete Antwort zu verarbeiten.

»Äbtissin Fainder, die Äbtissin von Fearna, ist deine jüngere Schwester?«

Deog bejahte es mit einer knappen Geste.

»Überrascht es dich, daß eine mächtige und reiche Äbtissin solch eine arme Verwandte hat?« fragte sie streitbar.

»Überhaupt nicht«, versicherte ihr Fidelma. »Begabung und Tüchtigkeit verdienen einen entsprechenden Lohn, allerdings fällt mir dabei eine Frage ein: Ist Abt Noe mit deiner Familie verwandt?«

Deog sah sie verblüfft an. »Warum sollte er?«

»Bist du sicher, daß du nicht mit ihm verwandt bist? Oder mit einem anderen Mitglied seiner Familie?« hakte sie nach.

»Wir sind nicht verwandt. Ich verstehe nicht, weshalb du solche Fragen stellst.«

»Einfach nur Neugier, weiter nichts«, beruhigte sie Fidelma. »Aber du hast gesagt, die Äbtissin sei reich?«

Deog war anscheinend versöhnt. »Meine Schwester hat aus ihrem Leben etwas gemacht.«

»Als Dienerin des Glaubens erwirbt man gewöhnlich keine Reichtümer.«

»Wahrscheinlich nicht. Doch als Äbtissin in der Hauptstadt des Königs verkehrt sie mit reichen und mächtigen Leuten, und da wäre es nicht schicklich, wenn sie in schäbiger Kleidung daherkommt. Ich nehme an, die Abtei sorgt dafür, daß sie hat, was sie braucht.«

Fidelma beschloß, dem nicht weiter nachzugehen.

»Warum tat Äbtissin Fainder so, als kenne sie deinen Mann kaum? Welchen Grund hatte sie dafür? Mochte sie ihren Schwager nicht?«

»Wir hatten vereinbart, unseren Verwandtschaftsgrad den Leuten nicht auf die Nase zu binden, bis Fainder ihr Amt sicher hatte. Sie war ja erst vor drei oder vier Monaten aus Rom zurückgekehrt, um Äbtissin zu werden. Deshalb reitet sie jeden Tag heimlich aus, um sich mit mir zu treffen. Hier sind wir beide aufgewachsen. Zum Glück war sie so lange fort, daß viele Leute sie vergessen haben. Wir dachten, es wäre besser so, bis sie ihre Stellung gefestigt hätte.«

»Meinst du damit, daß Fainder fürchtet, ihre Autorität als Äbtissin einzubüßen, wenn es bekannt würde, daß du ihre Schwester bist?«

Deog zögerte verlegen, dann hob sie trotzig den Kopf.

»Das ist doch nicht so ungewöhnlich, nicht wahr? Wenn du im Staatsrat beim König sitzt, dann kann es schon deine Autorität untergraben, wenn der Mann deiner Schwester bloß Wachmann ist. Vielleicht war Fainder auch zu lange in Rom. Sie richtet sich nach deren Gebräuchen und nicht nach unseren«, gestand Deog. »Ich habe gehört, daß dort die großen Herren nicht mit Bauern verkehren und die hohen Kirchenfürsten nicht von Bauern abstammen. In jenen Ländern entscheidet wohl der Rang der Familie darüber, was aus einem Kind wird. Leider hat sich Fainder diese Hochnäsigkeit auch angeeignet.«

»Aber nicht so sehr, daß sie dir den Rücken gekehrt hätte.«

Deog lächelte spöttisch. »Ein altes Sprichwort sagt: Was du in den Knochen hast, kannst du dem Fleisch schlecht austreiben.«

»Erzähl mir von deiner Schwester.«

»Darum solltest du lieber sie bitten.«

»Du bist die ältere Schwester. Du kennst sie am besten.«

Deogs Miene wurde weicher.

»Das stimmt. Ich bin fünf Jahre älter als Fainder. Als ich fünfzehn war, fiel unser Vater in einem der Kriege gegen die Ui Neill, und bald danach starb unsere Mutter aus Gram. Ich war damals schon im Alter der Wahl und übernahm diese Hütte und das bißchen Land. Fainder blieb bei mir, bis sie das Alter der Wahl erreichte, dann trat sie in die Abtei Taghmon ein und wurde Nonne. Ich sah sie erst wieder, als sie achtzehn war. Da kam sie zu mir und sagte, sie gehe fort. Sie schloß sich einer Gruppe von Nonnen an, die nach Bobbio wollte, wo Columbanus sein Kloster gebaut hatte.«

»Aus jeder Brut fliegt ein Vogel fort«, zitierte Fidelma.

»Ein schöner Spruch, aber es gibt noch einen anderen: Ein Vogel, der seine eigene Brut verläßt, besitzt wenig Liebe.«

»Erzähl weiter. Du fandest, daß Fainder wenig Liebe für ihr Heim und ihre Familie hegte?«

»Nachdem sie gegangen war, hörte ich nichts mehr von ihr, bis vor ein paar Monaten. Da kam sie zu Pferde an meine Tür und erklärte, sie sei zurückgekehrt und jetzt Äbtissin von Fearna.«

»Du hattest sie nicht gesehen, seit sie achtzehn Jahre alt war?«

Deog lächelte traurig. »Sie war zehn Jahre in Bobbio und zog dann weiter nach Süden, nach Rom. In Rom erweckte sie die Aufmerksamkeit von Abt Noe, der sich zufällig auf einer Pilgerreise dort aufhielt. Er lud sie ein, nach Fearna zurückzukehren, und überredete sie, Äbtissin zu werden.«

Fidelma war verblüfft. »Abt Noe hat Fainder tatsächlich zur Rückkehr nach Laigin überredet, damit sie an seiner Stelle als Äbtissin die Leitung der Abtei übernahm?«

»So hat sie es mir gesagt, und so sage ich es dir.«

»Ich dachte, Noe hinge dem Glauben Colmcilles an, Fainder hingegen hat anscheinend viele Gebräuche Roms angenommen.«

»Sie tritt eifrig für Rom ein«, stimmte ihr Deog zu. »Sie folgt den strengen, hochmütigen Gebräuchen des römischen Klerus. Aber ich glaube, das ist bei ihr nur äußerlich. Sie strebt fanatisch danach, unsere Kirche in Übereinstimmung mit den Regeln der römischen zu bringen.«

»Sind die Hinrichtungen ein Zeichen für diese Entschlossenheit?«

Deog machte ein unglückliches Gesicht und gab keine Antwort.

»Sie scheint ihren Willen bei Bischof Forbassach und dann auch beim König durchgesetzt zu haben«, bemerkte Fidelma nach einer Weile. »Sie hat ihnen eingeredet, daß dieses Königreich die Bußgesetze einführen solle.«

»Sie hat eine sehr mächtige Stellung erlangt«, gab Deog zu. »Ich wünschte aber ...«

»Ja?« lockte Fidelma.

»Diese Härte, die kann zu schlimm werden. Viele Leute - und davor habe ich sie schon gewarnt -, viele Leute haben Furcht vor der Abtei Fearna. Daß dort ein Bruder im Glauben hingerichtet wurde, und diese Bestrafungen, von denen wir gehört haben .«

»Bestrafungen?«

»Vor ein paar Wochen wurde ein Bruder ausgepeitscht.«

» Ausgepeitscht? «

»Es wurde behauptet, er habe gelogen, also ließ ihn Fainder bis zum Gürtel entkleiden und mit Birkenruten auspeitschen. Ich kann das auch kaum glauben.«

»Weißt du, wie der Bruder hieß, der ausgepeitscht wurde?«

Deog antwortete mit einem Kopfschütteln.

»Du sagst, die Leute haben Furcht vor der Abtei Fearna. Wie reden sie denn über die Abtei?«