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»Sie meinen, die Abtei sei böse geworden. Hast du die Statue des Engels vor dem Haupttor der Abtei gesehen? Das ist die, die der heilige Maedoc mit eigenen Händen angefertigt haben soll.«

Fidelma erwiderte, sie kenne sie.

»Sie wurde früher Unsere Liebe Frau vom Licht genannt, und die Leute brachten ihr Opfer dar. Jetzt nennt man sie anders.«

»Und wie?« fragte Fidelma.

»Unsere Liebe Frau von der Finsternis.«

»Hast du mit deiner Schwester darüber gesprochen, wie die Leute reden?«

»O ja«, sagte Deog verbittert. »Sie hat mir geantwortet, ich solle mich um meinen Garten kümmern und mich nicht in religiöse Dinge mischen, von denen ich nichts verstehe.«

»Begreift sie denn nicht, daß sie die Leute beunruhigt? Erkennt sie nicht, welchen Schaden sie dem Glauben zufügt?« forschte Fidelma.

»Ich denke nicht. Sie ist so an die Bräuche gewöhnt, die sie im Ausland gelernt hat, besonders an diese mitleidslosen Arten der Bestrafung und an die erbarmungslose Härte des Lebens dort, daß sie meint, wir hier wären im Irrtum, wir lebten zu locker und unmoralisch. Sie ist entschlossen, uns allen die Regeln der Bußgesetze aufzuzwingen.«

»Und die Unschuldigen müssen ebenso leiden wie die Schuldigen?«

»Glaubst du, daß Bruder Ibar unschuldig war?«

»Hat dein Ehemann Daig das nicht auch gedacht?«

»Daig hatte seine Zweifel. Er meinte, es gebe Fragen, die man stellen müßte.«

»Und Daig starb, bevor er sie bei der Verhandlung stellen konnte.«

Einen Moment schaute Deog Fidelma mit großen, entsetzten Augen an.

»Was meinst du damit?« flüsterte sie. »Daß Daig ... daß Bischof Forbassach, der Brehon ...?« Sie hob die Hand vor den Mund.

Fidelma entgegnete rasch: »Ich ziehe keine Schlußfolgerungen, ich bemerke nur etwas zu den Tatsachen. Mir scheint, Gabran müßte ein paar Fragen beantworten. Warum hat Forbassach sie nicht gestellt?«

»Bischof Forbassach tut, was Fainder ihm sagt«, erwiderte die Frau leise.

Fidelma musterte sie vorsichtig.

»Gibt es einen besonderen Grund, weshalb sich Bischof Forbassach und Fainder in deiner Hütte treffen?«

Deog lachte bitter auf. »Glaubst du wirklich, meine hochmütige und einflußreiche Schwester käme fast jeden Tag her, nur um meine kleine, bescheidene Person zu besuchen?«

Fidelma schwieg. Sie hatte so etwas vermutet, aber sie wollte, daß Deog es in Worte faßte.

»Meine Hütte ist für sie nicht mehr als ein günstiger Treffpunkt zum Stelldichein.«

»Wußte dein Mann zu seinen Lebzeiten davon?«

Deog schüttelte den Kopf. »Fainder ließ mich bei Gefahr für meine unsterbliche Seele schwören, daß ich nichts verraten würde. Nachdem ich nun weiß, welchen Weg sie geht, ist mir klar, daß es nicht meine unsterbliche Seele ist, die sich in Gefahr befindet.«

»Es sollte keinen Grund geben, etwas geheimzuhalten. Es ist keine Sünde, wenn Mönche und Nonnen zusammen leben und heiraten, jedenfalls bis jetzt noch nicht. In Rom gibt es allerdings eine Partei, die für das Zölibat eintritt. Hatte Fainder vor solchen Leuten Angst?«

»Es war Bischof Forbassach, der Geheimhaltung verlangte, nicht Fainder. Er ist bereits verheiratet«, gestand Deog. Plötzlich merkte sie, wie weit das Gespräch sie geführt hatte. »Ich dachte, du wärst hergekommen, um den Angelsachsen freizukriegen? Fain-der erzählte mir, du versuchst, seine Unschuld zu beweisen, aber durch seine Flucht letzte Nacht habe er seine Schuld eingestanden. Warum stellst du mir alle diese Fragen nach Daig, Fainder und Bischof Forbas-sach?«

»Ich würde nicht sagen, daß eine Flucht aus der Abtei ein Schuldgeständnis ist«, erwiderte Fidelma bitter. »Besonders nach dem, was du mir alles berichtet hast. Es beweist nur, daß er nicht hingerichtet werden wollte wie Ibar.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Daig, dein Mann, war auch an der Festnahme Bruder Eadulfs in der Abtei beteiligt.«

»Ja, aber in der Nacht war Mel Hauptmann der Wache, und Daig führte nur seine Befehle aus. Das war damals, als das junge Mädchen vergewaltigt und umgebracht wurde.«

»Ein junges Mädchen wurde getötet, ein Schiffer wurde getötet, und dann ist Daig ertrunken ...«, überlegte Fidelma. »In jedem der Fälle hat man anscheinend Forbassach überredet, die richtigen Fragen nicht zu stellen und damit Beweise außer acht zu lassen. Ist das nicht ein Grund zur Besorgnis, frage ich mich?«

Deog begriff nicht, worauf sie hinauswollte.

Enda hatte die ganze Zeit still dagesessen, doch jetzt schaltete er sich plötzlich ein.

»Hast du nicht gesagt, daß Gabrans Schiff in der Nacht, als das Mädchen ermordet wurde, auch am Kai vertäut lag? Gibt es da einen Zusammenhang?«

Fidelma wandte sich ärgerlich zu ihm um, aber der junge Krieger war so eifrig bei der Sache, daß sie es sich versagte, ihn zu tadeln, weil er auf etwas hinwies, was sie völlig übersehen hatte.

»Darüber sprechen wir später, Enda«, sagte sie. Dann bemerkte sie, daß der Raum dunkel geworden war, abgesehen von dem warmen Licht, das von der Glut des Herdfeuers kam.

Deog stand auf und zündete eine Talgkerze an, dann legte sie mehr Holz auf das Feuer. Es knisterte, bald leckten die Flammen an dem trockenen Holz, und helleres Licht vertrieb die Finsternis.

»Wir kehren besser nach Fearna zurück«, meinte Fidelma und erhob sich mit Bedauern. Zu Deog sagte sie: »Ich bin dir sehr dankbar für alles, was du uns be-richtet hast, Deog. Es tut mir leid, wenn ich dein Herz mit Sorge erfüllt habe. Manchmal ist es am besten, wenn man sich über die Dinge ausspricht und den Kummer offenlegt, statt ihn in sich zu verschließen.«

Deog verzog das Gesicht. »Es macht mir nichts aus, über meinen Ehemann zu sprechen. Er war ein guter Mensch und bemühte sich, sein Bestes für die Gemeinschaft zu leisten. Es betrübte mich sehr, daß er mit meiner Schwester nicht auskam. Sie mochte ihn auch nicht. Leider haben ihre Jahre als Nonne ihre Einstellung zum Leben verbittert und sie zu einer harten Beurteilung ihrer Mitmenschen gebracht. Aber ihre eigenen Fehler sieht sie nicht. Dieses Verhältnis mit Bischof Forbassach wird ein schlimmes Ende nehmen.«

Fidelma legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.

»Die Fehlerlosen sind wirklich gut, Deog. Doch wer von uns ist schon ohne Fehler?«

Deog schaute Fidelma bittend an. »Du sagst doch keinem was von Fainder?«

Fidelmas Miene blieb undurchdringlich. »Das kann ich nicht versprechen, Deog. Du weißt, daß ich meinerseits einen Eid geleistet habe, der Wahrheit zu dienen.«

»Fainder wird mir das nie verzeihen.«

Die Frau war sichtlich geängstigt von der Vorstellung, was ihre Schwester tun würde, wenn die Wahrheit herauskäme. Fidelma streichelte ihr wieder die Schulter.

»Fainder muß mit den Folgen ihrer eigenen Handlungen und Vorurteile leben. Du brauchst ihr vom Thema unserer Unterredung nichts zu sagen. Ich kann dir so viel versprechen, daß ich Fainders Verhältnis mit Forbassach oder ihre Verwandtschaft mit dir nur offenbare, wenn es notwendig wird.«

»Notwendig wird? Wie soll ich das verstehen?«

»Wenn das im Zuge meiner Nachforschungen ans Licht gebracht werden muß, dann werde ich es ans Licht bringen. Wenn es aber dafür ohne Bedeutung ist, dann bleibt es ein Geheimnis zwischen uns. Ist das nicht fair?«

Deog schluckte und nickte dann zustimmend. »Das muß wohl genügen.«

»Gut. Nun ist es dunkel geworden, und wir müssen zurück nach Fearna.«

Sie verließen die Hütte und machten ihre angebundenen Pferde los.

Die Nacht war finster und kühl, Wolken jagten über den Himmel und verdeckten meistens die Sterne und den Mond, so daß man nicht weit sehen konnte.

»Am besten geben wir den Pferden die Zügel frei«, riet Enda. »Auf diese Weise nehmen sie den Rückweg vorsichtiger.«