Выбрать главу

»Das hast du auch gesagt, als du behauptet hast, er wäre aus der Abtei entflohen. Das war nicht an dem. Jetzt könnte es ebenfalls anders sein.«

»Warum sollte er aus der Sicherheit der Freistätte in Cam Eolaing entfliehen, wenn er nicht schuldig wäre? Er hätte unbegrenzte Zeit dort bleiben können.«

»Er hätte dort bleiben können, solange man ihm Schutz gewährte, nicht unbegrenzt«, verbesserte sie ihn pedantisch.

»Es bleibt die Tatsache, daß er geflohen ist. Nun kann er ohne weiteres gejagt und getötet werden. Je-der kann ihn töten, und das mit Zustimmung des Gesetzes.«

In diesem Moment betrat Mel den Raum. Er wollte sich entschuldigen und zurückziehen, doch Bischof Forbassach winkte ihm ärgerlich, zu bleiben.

»Vielleicht brauche ich dich, Mel. Es handelt sich um eine Angelegenheit des Königs.«

Unterdessen hatte sich Fidelma müde auf einen Stuhl sinken lassen, als sie merkte, daß Forbassach recht hatte. Ein verurteilter Mörder, der die Regeln des maighin digona brach und aus der Freistätte floh, konnte als bereits Toter behandelt werden. Sie biß die Zähne zusammen, um ihre momentane Furcht zu überwinden.

Bischof Forbassach ging zur Tür. »Ich muß die Krieger des Königs alarmieren. Komm mit, Mel.«

»Warte!«

Der Brehon drehte sich bei Fidelmas Zuruf um.

»Da du gerade hier bist, möchte ich eine Klage gegen Gabran einreichen. Er und seine Leute haben mich gestern abend überfallen.«

»Der Flußschiffer?« Bischof Forbassach schien verwirrt. »Was hat das mit der Angelegenheit zu tun, die wir besprochen haben?«

»Vielleicht nichts, vielleicht auch sehr viel.«

»Gabran stammt aus meinem Fürstentum Cam Eo-laing«, schaltete sich Coba ein. »Was hat er getan?«

»Gestern abend kehrte ich mit einem meiner Begleiter nach Fearna zurück. Gabran und einige seiner Leute griffen uns mit Schwertern an.«

Schweigen trat ein.

»Gabran?« Cobas Stimme klang hohl. »Woher weißt du, daß es Gabran war? Die Nacht war dunkel.«

Fidelma warf ihm einen scharfen Blick zu.

»Du vergißt, daß auch in einer dunklen Nacht der Mond am Himmel steht, und manchmal haben selbst dichte Wolken ein Einsehen.«

»Aber warum sollte er dich überfallen?«

»Das ist meine Frage. Weißt du mehr über sein Privatleben, seine Verbindungen und seine Auffassungen?«

Coba machte eine gleichgültige Geste.

»Er wohnt außerhalb der Siedlung, im Osten, auf der anderen Seite des Flusses. Ich glaube nicht, daß er noch andere Verbindungen hat als die durch seinen Handel. Soviel ich weiß, lebt er allein. Er hat keine Frau.«

Bischof Forbassach hatte das Gespräch mit mißtrauischer Miene verfolgt.

»Bist du dir da sicher, Schwester?« schaltete sich nun Abt Noe ein. »Gabran treibt schon seit langer Zeit Handel mit der Abtei und gilt als äußerst vertrauenswürdig.«

»Ich bin sicher, daß es Gabran war, der uns überfallen hat«, erklärte Fidelma.

»Wo fand dieser Überfall statt, sagst du?« fragte Bischof Forbassach.

Fidelma sah ihm fest in die Augen.

»Wir waren auf dem Rückweg von einem Ort, den du wohl gut kennst. Wir kehrten von einer Hütte in einer Siedlung namens Raheen zurück. Der Überfall erfolgte auf der Straße etwas oberhalb Cam Eolaing. Mein Begleiter Enda und ich hatten Glück, daß wir lebend davonkamen.«

Forbassachs Reaktion auf die Nennung des Namens Raheen entsprach Fidelmas Erwartungen. Das Gesicht des Brehons wurde blaß, und es dauerte einige Zeit, bis er die Sprache wiederfand.

»Oft machen Räuber die Straßen um Fearna herum unsicher und greifen sorglose Reisende an«, erklärte er nervös.

»Es war Gabran«, wiederholte Fidelma.

Coba rieb sich nachdenklich das Kinn.

»Ich hätte gedacht, Gabran verdient genug mit seinem Schiff. Er befördert oft Waren den Fluß hinauf und hinunter bis Loch Garman im Süden und bringt Ladung zu den seegehenden Schiffen, die nach Britannien und Gallien segeln.«

»Was für Fracht lädt er gewöhnlich?« erkundigte sich Fidelma.

»Was tut das zur Sache?« erwiderte Bischof Forbas-sach ungeduldig. »Reden wir jetzt von Gabran und seinem Handel oder von der Flucht des Angelsachsen?«

»Im Augenblick würde ich gern wissen, warum Gabran mich überfallen hat.«

Trotz seines Auftretens wirkte der Brehon besorgt. Er wußte, daß ein Angriff auf eine dalaigh, noch dazu die Schwester eines Königs, ernste Folgen nach sich ziehen konnte. Das war genau der Grund, weshalb er gekommen war, um sich bei Fidelma für sein früheres Verhalten zu entschuldigen.

»Führst du Klage gegen diesen Gabran wegen Angriffs auf deine Person, Schwester Fidelma?« wollte er wissen.

»Ja.«

»Dann ordne ich an, daß er wegen dieser Beschuldigung festzunehmen ist. Hast du das gehört, Mel?«

Der Befehlshaber der Wache nickte nachdenklich.

»Wir beide werden uns gleich von hier aus auf die Suche nach Gabran machen«, verkündete Forbassach. »Zugleich werden wir nach dem Angelsachsen forschen. Die Suche nach diesem Übeltäter muß an erster Stelle stehen. Diesbezüglich muß ich dich warnen, Fidelma von Cashel, daß auch du dich in Gefahr befindest, wenn du ihm geholfen hast, sich der Gerechtigkeit dieses Landes zu entziehen.«

In Fidelmas Augen blitzte es auf.

»Ich kenne das Gesetz, Forbassach! Ich habe Bruder Eadulf nicht zur Flucht verholfen und ihm keine Freistätte geboten. In der Zwischenzeit werde ich weiter die Geheimnisse untersuchen, die diesen Fall umgeben . Geheimnisse, die mich unter anderem auf die Straße nach Raheen geführt haben.«

Coba entgingen sowohl die Schärfe ihres Tons als auch die Blässe in Bischof Forbassachs Gesicht.

»Ich bedaure, daß der Angelsachse mich getäuscht hat und entflohen ist«, sagte er, »aber ich bedaure es nicht, daß ich mich bemüht habe, seine Hinrichtung nach den Bußgesetzen zu verhindern. Er sollte nach den einheimischen Gesetzen unseres Landes bestraft werden.«

Bischof Forbassach hatte etwas von seiner früheren Haltung wiedergewonnen und sah den bo-aire finster an.

»Du bist im Rat des Königs von Laigin in der Minderheit, Coba. Du hast deine Meinung kundgetan, als der König und ich entschieden haben, daß die von Äbtissin Fainder geforderten Strafen anzuwenden sind. Damit hätte es sein Bewenden haben sollen.«

»Damit konnte es nicht sein Bewenden haben«, entgegnete Coba erregt. »Die Entscheidung hätte aufgeschoben werden müssen bis zum nächsten großen Fest in Tara, wo sie der Versammlung zur Prüfung der Gesetze der fünf Königreiche vorzulegen war. Die Entscheidung hätte den Königen, Rechtsgelehrten und Laien aller fünf Königreiche überlassen werden müssen, so wie jedes wichtige Gesetz ihnen vorgelegt und besprochen wird, bevor es in Kraft tritt.«

Abt Noe griff schlichtend ein. »Liebe Brüder in Christo, beruhigt euch. Es nützt niemandem, Zeit mit Debatten zu verschwenden. Habt ihr nicht beide viel zu tun? Wenn ihr nicht, so habe ich es jedenfalls.«

Bischof Forbassach setzte eine grollende Miene auf und stieß ein kurzes Abschiedswort hervor, dann eilte er hinaus, gefolgt von dem Krieger Mel, der Fidelma gerade noch einen entschuldigenden Blick zuwerfen konnte.

Coba schaute Fidelma traurig an.

»Ich dachte, ich tue das Rechte, Schwester Fidelma.« Es klang verlegen.

»Bist du sicher, daß Bruder Eadulf die Einschränkungen des maighin digona kannte?« fragte sie. »Er hat zwar geraume Zeit in unserem Land verbracht, aber er ist doch Ausländer, und manchmal verwirren ihn unsere Bräuche.«

Coba schüttelte mitfühlend den Kopf.

»Damit kann ich mir sein Handeln nicht erklären, Schwester«, erwiderte er. »Als wir gestern in meiner Burg ankamen, habe ich ihm ausführlich dargelegt, welche Folgen es hätte, wenn er sie verließe. Ich beachtete die Regeln sorgfältig und schickte gestern abend noch einen Boten zur Abtei, der die Äbtissin darüber informierte, was ich getan hatte.«