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Fidelma warf den Kopf zurück und lachte. »De gu-stibus non est disputandum.«

Eadulf verzog das Gesicht. »Das ist wohl so. Was ich für abstoßend halte, gilt anderen als attraktiv.«

Nachdenklich spitzte er den Mund. »Also, wie du sagst, das wäre das. Ich nehme an, Laigin wird nun zur Rechtsprechung der Gesetze der Fenechus zurückkehren?«

Fidelma lächelte zuversichtlich. »Es wird schon eine Weile dauern, ehe es wieder jemand wagt, die grausamen Strafen der Bußgesetze zu verhängen. Ich hoffe, der Fall tritt nie ein.«

Nach einem verlegenen Schweigen zwischen ihnen hob Fidelma den Blick.

»Hältst du an deinem Plan fest?« fragte sie plötzlich.

Eadulf schien traurig, aber entschlossen.

»Ja. Ich stehe in der Pflicht sowohl Erzbischof Theodor von Canterbury gegenüber als auch deinem Bruder, dem ich versprochen habe, die Briefe zu überbringen.«

In den letzten Tagen hatte Fidelma unter Eadulfs stiller Entschiedenheit gelitten, seine Rückreise ins Land der Angelsachsen fortzusetzen. Sie hatte ihm so deutlich wie möglich zu verstehen gegeben, daß sie sich freuen würde, wenn er sie nach Cashel zurückbegleitete. So störrisch hatte sie Eadulf noch nie erlebt. Ihr Stolz hatte ihr verboten, sich ihm noch weiter zu erklären. Er mußte doch wohl wissen, was sie empfand, und doch . und doch wollte er nicht mit ihr zurück. Er hatte darauf bestanden, zu dem Seehafen zu reisen, und sie hatte sich ihm angeschlossen in der Hoffnung, ihn zur Rückkehr mit ihr zu überreden. Brehon Morann hatte ihr einmal gesagt, Stolz sei nur eine Maske für die eigenen Fehler. Hatte sie einen Fehler gemacht? Was sollte sie denn noch sagen oder tun? Fidelma zögerte, als falle es ihr schwer, sich richtig auszudrücken.

»Bist du sicher, daß ich dich nicht dazu bewegen kann, mit uns nach Cashel zurückzukommen? Du weißt, daß du am Hof meines Bruders höchst willkommen bist.«

»Ich habe meine Pflicht zu erfüllen«, erwiderte Eadulf ernst.

»Wenn die Pflicht zur Glaubenssache wird, dann können wir uns vom Glücklichsein gleich verabschieden«, wagte sie sich vor und dachte dabei daran, wie oft sie früher die Pflicht vorgeschoben hatte, um ihre Gefühle für ihn zu leugnen.

Eadulf nahm ihre beiden Hände.

»Du zitierst doch so gern die Weisen der Vorzeit, Fidelma. War es nicht Plautus, der schrieb, daß es für einen ehrlichen Mann eine Ehre ist, wenn er seine Pflicht nicht vergessen hat?«

»Das Gesetz der Fenechus sagt, daß Gott nicht mehr von einem Menschen verlangt, als er leisten kann«, konterte sie scharf, denn sie glaubte, er wolle sie nek-ken, indem er ihr ihre früheren Meinungen vorhielt.

Ein Ruf kam über das Wasser, und ein kleines Ruderboot legte von einem der großen, hochseegehenden Schiffe ab, die in der Bucht ankerten. Es kam schnell auf den Kai zu, wo sich mehrere Leute mit ihrem Gepäck eingefunden hatten und es erwarteten.

»Die Gezeiten wechseln.« Eadulf hob den Kopf und spürte die Richtungsänderung des Windes auch auf den Wangen. »Der Schiffskapitän wird auslaufen wollen. Ich muß jetzt an Bord gehen. Wie es scheint, nehmen wir ständig voneinander Abschied. Ich erinnere mich an das letzte Mal, als wir uns in Cashel trennten. Da hattest du entschieden, daß deine Pflicht darin liege, auf eine Pilgerfahrt zum Grabe des heiligen Jakobus in Iberia zu gehen.«

»Aber ich bin zurückgekommen«, erwiderte Fidelma vorwurfsvoll.

»Das stimmt«, antwortete er mit einem raschen Lächeln. »Gott sei Dank, denn sonst wäre ich jetzt nicht hier. Doch damals hast du mir auch gesagt, ich hätte eine Pflicht gegenüber Theodor von Canterbury zu erfüllen. Ich weiß noch genau deine Worte: >Es gibt immer eine Zeit, einen Ort zu verlassen, selbst wenn man nicht genau weiß, wohin man geht.<«

Reuig neigte sie den Kopf. »Ich kann mich ebenfalls an die Worte erinnern. Vielleicht hatte ich unrecht.«

»Und weißt du auch noch, daß ich antwortete, ich fühlte mich in Cashel wie zu Hause und würde Wege finden, dort zu bleiben, trotz der Forderungen aus Canterbury?«

Sie erinnerte sich sehr genau an seine Worte, und sie hatte nicht vergessen, was sie darauf erwidert hatte.

»Heraklit sagt, man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen, weil ständig andere Wasser hineinfließen. Das habe ich dir geantwortet. Das weiß ich noch.«

»Um der Ehre willen kann ich jetzt nicht nach Cas-hel zurückkehren. Ich muß mein Versprechen in Canterbury halten.«

Er wollte sich abwenden, doch er drehte sich wieder um und packte ihre Hände. Seine Augen schimmerten feucht. Er stand kurz davor, ihr zu sagen, er käme mit nach Cashel, aber er wußte, er mußte stark sein, wenn es eine gemeinsame Zukunft geben sollte.

»Ich möchte mich nicht so schnell wieder von dir trennen, Fidelma. Einer eurer alten Dreiersprüche fragt doch nach den drei Krankheiten, an denen man leiden kann, ohne sich zu schämen?«

Sie errötete etwas und antwortete leise: »Am Juk-ken, am Durst und an der Liebe.«

»Kommst du mit mir mit?« fragte Eadulf ungestüm. »Mit nach Canterbury? Dessen brauchtest du dich nicht zu schämen.«

»Wäre das ein kluger Entschluß von mir?« fragte Fidelma mit einem ganz leisen Lächeln. Ihre Gefühle sagten ja, doch die Logik sprach dagegen.

»Ich weiß nicht, ob Klugheit etwas damit zu tun hat«, meinte Eadulf. »Ich weiß nur, daß kein Wind die Segel deines Lebensschiffs füllt, wenn du nicht einen bestimmten Hafen ansteuerst.«

Fidelma schaute zurück.

Am Kai standen Dego, Enda und Aidan und warteten geduldig darauf, daß Fidelma und Eadulf einander Lebewohl sagten. Sie hielten die Pferde für den Ritt zurück nach Cashel. Sie überlegte einen Augenblick, kam aber nicht sofort zu einem Entschluß. Lag die Entscheidung vielleicht gerade in dieser Unentschlossenheit? Sie wußte keine Antwort. Ihre Gedanken waren zu verwirrt. Eadulf schien ihre Zweifel zu spüren.

»Wenn du bleiben mußt, dann bleibe; ich würde das verstehen«, sagte er leise und resigniert.

Fidelmas feurige grüne Augen schauten sekundenlang in seine warmen braunen Augen, dann drückte sie seine Hand, lächelte rasch, ließ die Hand fallen, drehte sich um und ging schweigend weg.

Eadulf machte keinen Versuch, noch etwas zu sagen. Er sah ihr nach, wie sie mit festen Schritten zu ihrer Stute lief. Aidan und Enda saßen auf, und Dego führte ihr das Pferd entgegen. Eadulf wartete, zwischen Ungewißheit und Hoffnung hin- und hergerissen. Er hörte, wie sie ein paar Worte zu Dego sprach. Dann nahm sie ihrem Pferd die Satteltasche ab. Als sie zu Eadulf zurückkehrte, war ihr Gesicht gerötet, doch sie lächelte zuversichtlich.

»Brehon Morann sagte, wenn der Verstand sich nicht entscheiden kann, dann folge dem Impuls. Gehen wir an Bord, ehe der Kapitän ohne uns ausläuft.«