ab ca. 470 v. Chr.
SOKRATISCHES DENKEN Sokrates (ca. 470–400 v. Chr.) betrieb Philosophie, indem er den ganzen Tag über auf der Agora umherging und die Leute mit hartnäckigen Fragen nervte. Der gelernte Steinmetz hielt sich tagsüber auf dem Marktplatz auf, stellte sich unwissend (»Ich weiß, dass ich nichts weiß«) und forderte die Passanten dazu auf, ihm zu erklären, was Tugend, Tapferkeit oder Gerechtigkeit seien. Das waren seine Hauptthemen. Sokrates gab sich nicht mit vorgefertigten Antworten aus der Mythologie zufrieden. Ihm war wichtig, dass der Mensch mit seinem eigenen Verstand Kriterien entwickelt, anhand derer er das Gute erkennt, um sich in jeder Lebenssituation dafür entscheiden zu können.
Kennzeichnend für Sokrates’ Denkmethode ist daher der Dialog, die Erörterung des Für und Wider, die Dialektik. Dies steht deutlich im Gegensatz zu den Monologen, den flammenden Reden der damals beliebten Rhetoriklehrer und Sophisten.
Die vielen bohrenden Fragen, die er auf der Agora stellte, wurden Sokrates letztlich zum Verhängnis. Er ging damit so vielen eitlen Besserwissern auf die Nerven, dass er nach einer Verleumdungskampagne zum Tod durch den Schierlingsbecher verurteilt wurde. Sokrates gilt als das Musterbeispiel eines Philosophen im abendländischen Sinn, eines kritischen Denkers und wortwörtlichen Hinterfragers.
ab ca. 430 v. Chr.
IDEALISTISCHES DENKEN Sokrates’ bedeutendster Schüler war Platon (ca. 430–350 v. Chr.). Er verallgemeinerte dessen Fragestellungen und erörterte das Problem: Wie erlangt man gesichertes Wissen, und wie kann man es von bloßen Meinungen unterscheiden? Nach Platon ist das Denken immer auch von Sinneseindrücken beeinflusst und nur die reinen Ideen sind absolut real und wahr. Diese hält er für Urbilder, die zeitlos und ewig existieren. Er meint, der Mensch würde »sich strebend stets bemühen«, deren Kenntnis zu erlangen. Diese Liebe zur Weisheit heißt auf Griechisch philosophia.
Beim Tod seines »vielgeliebten« Lehrers Sokrates war Platon Ende zwanzig. Nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges herrschten in Athen bürgerkriegsähnliche Zustände mit ständig wechselnden Regimen. Auch Platon wurde angefeindet. Er hielt es in Athen nicht mehr aus und reiste jahrelang umher. Als er als Mittvierziger nach Athen zurückkam, erwarb er um 387 v. Chr. am nordwestlichen Rand der Stadt ein Grundstück in einem Olivenhain, wo man die angebliche Grabstätte des athenischen Sagenhelden Akademos verehrte. Dort versammelte Platon seine Schüler, und damit war die erste Akademie eröffnet.
ab ca. 384 v. Chr.
DAS STREBEN NACH GLÜCK Der makedonische König Philipp II. gewann den nordgriechischen Arztsohn Aristoteles (384–322) als Prinzenerzieher für seinen dreizehnjährigen Sohn Alexander, alsbald Alexander »der Große«. Aristoteles hatte als junger Mann Platons Akademie besucht und verehrte seinen Lehrer, stimmte aber bei Weitem nicht in allem mit ihm überein. Der Universalgelehrte war viel praktischer orientiert, sah sich auch als Naturforscher und betrieb systematische Tier- und Pflanzenkunde, auch wenn nicht alle seine »Erkenntnisse« korrekt waren. So hielt er einem uralten Vorurteil folgend das Herz für das zentrale Geistesorgan des Menschen und nahm an, das Gehirn sei nur zur Kühlung des Blutes da.
Waren Aristoteles’ naturkundliche Theorien also alles andere als korrekt, so waren die philosophischen Folgerungen, die er aus seiner Forschung zog, durchaus interessant. So erkennt er in den Organismen von Pflanzen und Tieren deren Zweckmäßigkeit: etwa die Form eines Gebisses, eines Auges, der Fortbewegung, die dem jeweiligen Zweck perfekt angepasst ist. Diese in der Natur zu beobachtende Sinnhaftigkeit sieht er als allgemeingültiges »teleologisches« (auf ein Ziel ausgerichtetes) Prinzip, das er auch auf andere Bereiche (Seele, Kunst, Ethik) überträgt. Als Sinn und Zweck des menschlichen Strebens erklärt Aristoteles das Erreichen der Glückseligkeit durch Selbstverwirklichung – die Entfaltung dessen, was im Menschen angelegt ist.
In der Neuzeit wurde dieser aristotelische Gedanke in der Formulierung pursuit of happiness (»Das Streben nach Glück«) in die Präambel der amerikanischen Verfassung als Staatsziel aufgenommen: die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Aristoteles ging selbstverständlich davon aus, dass das Gute in jedem Menschen angelegt ist und dass er sich bei der Selbstverwirklichung davon leiten lässt. Der Gedanke, der Mensch sei grundsätzlich schlecht und verworfen (Erbsünde) und müsse von außen erlöst werden, wäre ihm fremd gewesen.
Seit dem Eintritt von Aristoteles in die Akademie festigte Philipp II. von Makedonien seine königliche Position gegenüber dem Adel und dehnte seine Herrschaft in Nordgriechenland aus. In der Schlacht von Chaironeia am 2. August 338 v. Chr. besiegte er die griechischen Städte im Süden. An dieser Schlacht nahm bereits der junge Aristoteles-Schüler Alexander als Reiterführer teil. Zwei Jahre danach wurde sein Vater Philipp ermordet.
Etruskische Könige, zuletzt aus der Dynastie der Tarquinier, hatten Rom mehrere Generationen lang regiert und der Stadt ihren Stempel aufgedrückt. Forum, Senatsgebäude (Curia Hostilia), Circus Maximus (damals noch mit Holztribünen), Jupitertempel, Janustempel (Tür offen: Krieg, Tür zu: Frieden) Cloaca Maxima, Tiberbrücke nach Trastevere (auch aus Holz), keusche Vestalinnen zum Hüten der ewigen Flamme, Augurenwesen (Orakelpriester), Gladiatorenkämpfe – all das stammt noch aus der Zeit der etruskischen Herrscher. Der letzte Tarquinier Lucius mit dem Beinamen Superbus (»übermütig«, wegen seiner Willkürherrschaft) wurde vertrieben. Anlass soll der Legende nach die Vergewaltigung der tugendhaften Lukrezia durch Tarquinius’ Sohn gewesen sein, die sich lieber selbst tötete, als mit der Schande zu leben.
REPUBLIK Wann genau die Römer die Tarquinier vertrieben, ist nicht historisch gesichert. Römischen Geschichtsschreibern folgend wird dafür die Zeit um 500 v. Chr. angenommen. Es könnte aber auch rund 100 Jahre später gewesen sein.
Fortan jedenfalls kümmerten sich die Römer selbst um ihre »öffentlichen Angelegenheiten«, die res publica. Dieser Begriff steht gerade in der Moderne ganz oben auf der politischen Tages- und Grundordnung moderner Staaten. Die offizielle Staatsbezeichnung Roms lautete: SPQR – Senatus populusque Romanorum (»Senat und Volk der Römer«).
ca. 500–300 v. Chr.
PATRIZIER/PLEBEJER Ähnlich wie in Sparta gab es im alten Rom im Wesentlichen zwei Klassen von Bürgern: den landbesitzenden, aus alten latinischen Einwandererfamilien gebildeten Adel, sowie die Unterschicht von Kleinbauern und Ureinwohnern. Das war die große Masse des Volkes und so nannte man sie auch: plebs (»die Menge«). Anders als die praktisch wie Sklaven gehaltenen spartanischen Heloten waren die Plebejer jedoch nicht vollkommen rechtlos. Sie durften Steuern zahlen, Soldaten stellen und in der Volksversammlung abstimmen – etwa bei der Wahl der Konsuln, der letztgültigen Abstimmung über Gesetze und bei der Entscheidung über Krieg und Frieden.
Aber die Plebejer waren nicht zu Staatsämtern zugelassen – genauso wenig wie die attischen Bauern, der demos vor der Kleisthenes-Reform. Rom hatte nie eine derartige »demokratische« Reform. Hier regierte man nach alter Väter Sitte (mores maiorum) und war stolz darauf. Um die res publica kümmerten sich die Patrizier, die patres (lateinisch pater, »Vater und Haushaltsvorstand«). Bis zum Auftreten der Tribunen machten diese die Staatsangelegenheiten im alten Rom unter sich aus. Die frühe römische Geschichte von 500 bis 300 v. Chr. ist hauptsächlich eine Geschichte von Klassenkämpfen – der immer wieder auflodernden Aufstände der Plebejer gegen die Herrschaft der Patrizier.