Alexander gelangte so jung auf den makedonischen Thron, weil sein Vater Philipp mit Mitte fünfzig Opfer eines Attentats wurde. Vielleicht war daran Alexanders Mutter Olympias beteiligt, um ihrem Sohn die Thronfolge zu sichern. Denn Philipp hatte sich anderen Frauen zugewandt.
Alexander verwirklichte umgehend den schon vom Vater geplanten Rachefeldzug gegen die Perser. Rache für deren Invasion in Griechenland. Alexander wusste immer, was er wollte, handelte schnell und kurzentschlossen. Sein Bild mit dem wilden Haarwirbel auf der Stirn, wie es auf Münzen und Büsten überliefert ist, betont sein jugendliches Ungestüm. Auf derart offiziellen Bildmedien wurde nichts dem Zufall überlassen, sie waren Teil einer wohldurchdachten Propaganda.
356–323 v. Chr.
ALEXANDER DER GROßE Mit 30000 Makedonen überquerte Alexander 334 v. Chr. die Dardanellen und schleuderte seinen Speer an den kleinasiatischen Strand zum Zeichen der Besitzergreifung Asiens. Die griechischen Städte in Ionien und die phönizischen Städte in der Levante begrüßten ihn als Befreier vom persischen Joch. Zwei Schlachten gegen das riesige persische Reichsheer unter Führung des Kaisers Dareios II. gewann Alexander als taktisch überlegener Feldherr. Die Schlacht bei Issos 333 v. Chr. öffnete den Weg in die Levante, Gaugamela 334 besiegelte den Untergang der über zweihundertjährigen persischen Achämeniden-Dynastie.
Der Rest, die Besetzung der persischen Königsstädte bis ins Hochland von Iran, war ein Spaziergang. Als Erstes erfolgte in Weihrauchwolken der Einzug in Babylon durch das Ischtar-Tor. Der Palast in Persepolis wurde zu der Ruine niedergebrannt, die sie heute noch ist. Der immense Thronschatz, Tausende von Tonnen Gold und Silber, wurde eingeschmolzen und zu Münzen – natürlich mit Alexanders Profil – geprägt. Eine gewaltige Konjunkturspritze, der Beginn einer Weltwirtschaft.
Wirklich strapaziös und allein Alexanders Weltherrschaftsidee geschuldet war die Unterwerfung Ostpersiens, der widerspenstigen Berg- und Steppenvölker am Hindukusch. Erst 326 v. Chr. wurde über Kabul und den Khaiber-Pass das Indus-Tal erreicht. Erst hier bekamen Alexander und seine Makedonen eine Ahnung von Himalaja und Ganges – darauf hatte sie kein griechisches Weltbild vorbereitet. Nach 18000 Kilometern weigerten sich die Soldaten, weiterzuziehen. Alexander kehrte um und starb nach seiner Rückkehr in seinem 32. Lebensjahr am 13. Juni 323 an einer akuten fiebrigen Erkrankung in Babylon.
nach 323 v. Chr.
DIADOCHENKÄMPFE Nach dem Tod Alexanders kämpften mehrere seiner Generäle in mehreren Kriegen um die Nachfolge und die Alleinherrschaft. »Diadochen« heißt: »Nachfolger«. Im Ergebnis konnten sich die Ptolemäer in Ägypten, die Seleukiden im Nahen Osten sowie in Persien und die Antigoniden in Makedonien behaupten. Vor allem die Ptolemäer und die Seleukiden verschleuderten die gewaltige politische und ökonomische Macht des Alexanderreiches in immer neuen Rivalitätskämpfen um die Vorherrschaft in Syrien und Palästina – nach dem Muster der ägyptisch-assyrischen Auseinandersetzungen während des Neuen Reiches, damals, in der Bronzezeit.
Was danach geschah: Ungefähr im Jahr 200 v. Chr. gewannen die Seleukiden von den Ptolemäern die Oberherrschaft über Judäa, ein von Hohepriestern gelenkter Kleinstaat. Sie versuchten hier, den kulturellen griechischen Einfluss zu verstärken, wogegen sich die Juden mit einem Aufstand zur Wehr setzten. Das Ptolemäer-Reich am Nil wurde unter der letzten Pharaonenkönigin Kleopatra (VII.) durch Cäsar und Augustus in einem dramatischen (Shakespeare), opernhaften (Händel) und filmreifen (Elizabeth Taylor) Finale dem römischen Weltreich eingegliedert.
nach 320 v. Chr.
DIE BIBLIOTHEK VON ALEXANDRIA Durch den Alexanderzug verbreiteten sich griechisches Denken und griechische Sprache im gesamten Nahen Osten. Berichte und Erkenntnisse strömten nun zurück nach Griechenland und nach Alexandria, wo Kultur und Wissenschaft blühten.
Die Ptolemäer herrschten ganz nach Art der Pharaonen, um in dem Land am Nil als Herrscher akzeptiert zu werden. Sie ließen ägyptische Tempel bauen, wie etwa den bekannten Isis-Tempel auf der Nil-Insel Philae, und vollzogen die Zeremonien der ägyptischen Kulte. Das reiche Nilland verwalteten sie vorbildlich. Ihre Residenz Alexandria, Weltkultur- und Welthandelshauptstadt wie heute New York, wurde zu einem hochbedeutenden Wissenschaftsstandort ausgebaut. Wegen seiner legendären Bibliothek war Alexandria das geistige Zentrum des Hellenismus auch noch Jahrhunderte nach der Zeitenwende.
Das wichtigste welthistorisch-zivilisatorische Ergebnis des Alexanderzuges war die Verbreitung der griechischen Sprache als Handels- und Gelehrtensprache im gesamten Osten, im ägyptischen Alexandria, im syrischen Antiochia, in Jerusalem (und später auch in Rom). Das Christentum entstand inmitten dieser hellenistischen, kosmopolitischen Kultur, das Neue Testament wurde auf Griechisch geschrieben. Das griechische Schrifttum pflegten insbesondere die Araber bis weit ins Mittelalter hinein. Auf diesem Umweg gelangte die griechische Gelehrsamkeit im Spätmittelalter und in der Renaissance wieder nach Europa zurück.
ab 280 v. Chr.
PERGAMON in der heutigen Westtürkei war ein kleines, aber kulturell bedeutendes Reich während des Hellenismus. Hier entstanden herausragende Kunstwerke wie der Pergamon-Altar (heute in Berlin), die Laokoon-Gruppe (heute im Vatikan), der Sterbende Gallier (heute in Rom) und der Barberinische Faun (heute in München). In Pergamon befand sich nach der alexandrinischen die zweitgrößte Bibliothek jener Zeit.
Pergamon wurde von 281 bis 133 v. Chr. von der Attaliden-Dynastie regiert. Der erste Herrscher Philetairos wurde von dem makedonischen Diadochen Antigonos zum Burghauptmann von Pergamon ernannt, unter seinen Nachfolgern wurde Pergamon immer unabhängiger und größer und ein verlässlicher Verbündeter Roms, das im 2. Jahrhundert im benachbarten Griechenland Fuß zu fassen begann. Der letzte Herrscher, Attalos III., vererbte sein Reich 133 v. Chr. testamentarisch an Rom.
um 120 v. Chr.
SEIDENSTRAßE I Etwa 140 v. Chr. nahmen die Parther, ein Teilstamm der Skythen, den Seleukiden das Kerngebiet zwischen Euphrat und Tigris ab. Mithridates I. war der König, dem dies gelang. Er nannte sich sowohl »Freund der Griechen« und ließ sich auf Münzen in typisch griechischer Haar- und Barttracht abbilden als auch »Schah-in-Schah«, anknüpfend an die Tradition der persischen Großkönige. Unter dem Partherherrscher Mithridates II. (124–88 v. Chr.) wurde die schon länger bestehende Ost-West-Karawanenroute durch Mittelasien intensiver genutzt als je zuvor. Eine Delegation des chinesischen Han-Kaisers Wu-ti (140–87 v. Chr.) erschien 120 sogar bei Mithridates. Wu-ti hatte die Hunnen besiegt und deren Blockade der Karawanenstraße beseitigt. So erweiterte er den chinesischen Einflussbereich nach Westen und machte den Weg frei für einen Austausch der Kulturen.
Seide war schon im Rom jener Zeit bekannt, allerdings hatte man dort keine Vorstellung von ihrer Herkunft. Den Begriff »Seidenstraße« prägte erst der deutsche Geograf und Forscher Ferdinand von Richthofen (1833–1905) nach einer ausgedehnten China-Reise. Die so benannte Route aber verlief schon zu Partherzeiten ungefähr von der alten chinesischen Hauptstadt Sian auf vielen verschiedenen Wegen nördlich um den Himalaja herum, mit Samarkand als wichtiger Etappe. Von dort aus ging es durch das heutige Afghanistan, Persien, den heutigen Irak und Syrien bis ans Mittelmeer.
Was danach geschah: Auch 300 Jahre später kamen chinesische Kaiserdelegationen in den Westen, dann sogar bis nach Rom zu Kaiser Marc Aurel. Die Parther blieben bis weit in die römische Kaiserzeit die gefürchtete Großmacht im Osten. In den fortwährenden Auseinandersetzungen mit ihnen verloren die Römer nach der Zeitenwende wertvolle Ressourcen, die ihnen im Kampf gegen die germanische Völkerwanderung fehlten.