660
OMAIJADEN Muawiya hatte als junger Mann dem Propheten als Sekretär gedient. Im Zuge der arabischen Expansion war er Statthalter in Syrien mit Sitz in Damaskus geworden und der Anführer des omaijadischen Familienzweigs der Koreischiten. Ali erkannte er nicht an, weil er ihn für mitbeteiligt an der Ermordung Osmans hielt. Durch Muawiyas Wahl zum fünften Kalifen wurde Damaskus nun das Zentrum der islamischen Welt, und das Kalifenamt wurde fortan bis 750 innerhalb der Omaijaden-Familie weitergegeben. Sie bildeten also eine Dynastie.
Der sechste Omaijaden-Kalif al-Walid regierte von 705 bis 715. Er errichtete den größten und bedeutendsten frühislamischen Sakralbau, die Moschee in Damaskus – nach dem Vorbild der Hagia Sophia. Al-Walid trieb auch die zweite große Expansionswelle voran, diesmal nach Westen bis nach al-Andalus.
Was danach geschah: Die Omaijaden werden 750 von den Abbasiden abgelöst, die umgehend Bagdad gründen. Ein Omaijaden-Spross errichtet das Emirat von Córdoba. Beide Städte werden die blühenden Zentren der arabischen Gelehrsamkeit im Mittelalter.
618–907
TANG DYNASTIE Trotz bürgerkriegsähnlicher Wirren und des regelmäßig wiederkehrenden Zerfalls in einzelne Staaten wurden die Dynastiewechsel in China erstaunlich oft sozusagen ordnungsgemäß durchgeführt. Dies war auch so beim Übergang von der Sui- zur Tang-Dynastie, obwohl es sich um einen Umsturz handelte und der vorletzte Sui-Kaiser Yangdi von seinen eigenen Beamten erdrosselt worden war. Dessen Enkel bot dem Begründer der Tang-Dynastie nach altem Ritual dreimal die Herrscherinsignien an, die dieser stets ablehnte, bevor er annahm. Dann wartete man noch sechs Tage einen neuen Mondzyklus ab, bevor der erste Tang-Kaiser den Thron bestieg. Unter den Tang erreichte das alte China seine größte Ausdehnung.
Gegen die sich rasch ausbreitende Macht der Araber fiel China die Stellung einer Schutz- und Großmacht in Zentralasien zu. Sowohl eine Gesandtschaft aus Byzanz (643) wie eine des Kalifen Osman (651) sind in den Hofannalen vermerkt. Es gab regen Handelsaustausch zwischen Südchina und dem Persischen Golf sowohl auf chinesischen Dschunken wie auf arabischen Dhaus. Auf dem Landweg gelangten Missionare persischer Christen (Nestorianer) und iranische Manichäer ins Reich der Mitte. Den größten dauerhaften Einfluss gewann der Islam. Heute gibt es 20 bis 30 Millionen chinesische Muslime.
Trotz der zwischenzeitlichen »Schreckensherrschaft« der Kaiserin Wu (660–705) und trotz blutiger Palastintrigen und Aufstände erlebte China eine kulturelle Hochblüte und eine Phase äußerer Expansion: bis zu einer entscheidenden Konfrontation mit den Arabern am Talas (751).
600–900
MAYA II Selbst in ihrer Hochkulturphase von etwa 600 bis 900 bildeten die Maya nie ein »Reich« unter einer Dynastie. Die Maya-Kultur glich immer einem Commonwealth unabhängiger Stadtstaaten mit jeweils eigenen Herrschern. Einige ihrer Städte, die teilweise durch Prozessionsstraßen miteinander verbunden waren, hatten bis zu 10000 Einwohner: Tikal, Copán, Palenque im Tiefland der Halbinsel Yucatán. Politisch waren sie und einige andere teils Rivalen, teils Verbündete. Nach 700 war Tikal führend, eine Stadt mit über Tausenden von Tempelanlagen und Palästen, Opferschreinen, Observatorien, Ballspielplätzen und Wohngebäuden.
MAYA-KALENDER Die Maya haben ihren berühmten, sehr genauen Sonnenkalender nicht selbst erfunden, sondern von der Olmeken-Kultur übernommen. Dieser Kalender ist deswegen berühmt, weil die meisten alten Gesellschaften, außer den Ägyptern, mit dem Mondkalender hantierten. Die Maya teilten die 365 Tage des Sonnenjahrs in 18 Abschnitte zu je 20 Tagen ein. Die überzähligen fünf wurden angehängt. So astronomisch ausgefeilt der Maya-Kalender und einige damit im Zusammenhang stehende, kompliziert zu berechnende Zyklen waren, praktischen Zwecken diente er kaum, sondern lediglich kultischen Zwecken wie dem Bestimmen eines günstigen Tages für Kriegszüge. Daher lag das Kalenderwissen in den Händen der Maya-Priesterschaft.
Nach 900 ging die Maya-Kultur binnen kurzer Zeit in einem Teufelskreis von Raubbau, Überbevölkerung, Hunger, damit einhergehendem Kontrollverlust und Anarchie unter. Die genauen Gründe sind nicht bekannt. Denkbar sind äußere Einflüsse, eventuell durch die Tolteken.
STÄNDE UND REICHE
ca. 650 bis 1300
Um 500 gab es in Westeuropa zwei Großmächte: Das Gotenreich Theoderichs und das Frankenreich des Merowingers Chlodwig. Nach Theoderichs Tod verfiel das Ostgotenreich, und ab 560 rückten in Italien die Langobarden ein. Nun gab es nur noch eine Großmacht: die Merowinger.
Chlodwig hatte Paris zur Hauptstadt des Frankenreiches bestimmt. Die wichtigsten Reichsteile wurden damals »Neustrien« (Champagne, Paris, Westfrankreich), »Austrien« (Belgien, Lothringen, Rhein- und Maingebiet) und »Aquitanien« (Südwestfrankreich) genannt. Nach salfränkischem Erbrecht fiel jeglicher Besitz immer zu gleichen Teilen an die Söhne. Und zwar nur an die Söhne, nicht an die Töchter. (Das hatte sogar noch Auswirkungen bei der Thronfolge Maria Theresias!) Dieser germanische Rechtsgrundsatz galt natürlich auch bei der Thronfolge der Merowinger: Weil die Söhne nach salischem Gesetz zu gleichen Teilen erbten, kam es immer wieder zu Reichsteilungen und mannigfachem Zwist, wobei man vor Intrigen und Verwandtenmorden nicht zurückschreckte.
Das so entstehende Machtvakuum ermöglichte den Aufstieg der »Hausmeier« und führte im 7. Jahrhundert die direkten Vorfahren Karls des Großen an die Spitze des Frankenreiches. Karls Vorfahren, der ältere Pippin und Bischof Arnulf von Metz, waren die einflussreichsten Männer im Umkreis des letzten bedeutenden Merowingers Dagobert I., Pippin bereits als Hausmeier oder »Haushofmeister«, was einem Regierungschef gleichkam.
613
FEUDALISMUS Einen Höhepunkt innermerowingischer Auseinandersetzungen bildeten die Reichsteilungen nach dem Tod König Chlotars I. im Jahr 561. Um das Frankenreich nach jahrzehntelangem Bürger- und Bruderkrieg wiederzuvereinigen, machte Chlotar II. etliche Zugeständnisse. Im Edictum Chlotarii verzichtete der König auf das Recht, Grafen nach seinem Gutdünken mal da, mal dort einzusetzen. Sie mussten von nun an aus der Region stammen, in der sie amtierten. Das war eine wesentliche Grundlage für die Entstehung des mittelalterlichen Feudalismus. Jetzt konnten die Adligen eine Hausmacht aufbauen, Besitz anhäufen und ihre politische Stellung innerhalb der Familie weitergeben. Wesentliche Autoren dieses Edikts waren Pippin und Arnulf.
Im Mittelalter sprach man nicht von »Feudalismus«. Das ist ein neuzeitlicher Begriff, den Karl Marx zwar nicht erfunden, aber in Umlauf gebracht hat. Im Mittelalter sprach man von »Vasall«, dem Gefolgsmann, der ein Treuegelübde abgelegt hatte. Dieses persönliche Schutz- und Trutzversprechen zwischen Herr und Vasall bildete den Kern der mittelalterlichen Herrschaftssysteme.
Seit karolingischer Zeit erhielten die Vasallen ein Lehen (ursprünglich etwas »Geliehenes«). Diese Güter, meist Grundbesitz, wurden erblich und als Hoheitsgebiete auch mit Hoheitsrechten verbunden. So entstand das feudale Herrschaftssystem.