Выбрать главу

Fürst Wladimir (960–1015) regierte mit harter Hand und war ein ausgesprochener Götzendiener. Der gemeinsame Feind der Byzantiner und der »Rus« waren die auf dem Balkan mächtig gewordenen Bulgaren. Wladimir und Kaiser Basileus II. wurden nun sogar Verbündete: Wladimir sollte sich (und die Rus) taufen lassen und erhielt dafür im Gegenzug die Hand der Kaiserschwester Anna. Eine Porphyrogenneta, eine »purpurgeborene Prinzessin«, heiraten zu dürfen, war die höchste diplomatische Anerkennung, die Byzanz zu vergeben hatte. (Dem deutschen Kaiser Otto II. wurde in dieser Zeit die gleiche Ehre nicht zuteil. Er bekam nur eine Nichte – Theophanu.)

Wladimirs Taufe wurde in Kiew mit großem Pomp inszeniert, einschließlich Zerschlagen der Götzenbilder und Massentaufe im Dnjepr. Dann musste er die Zwangsbekehrung der Slawen mit Feuer und Schwert durchsetzen. Damit waren die Kiewer Rus endgültig konsolidiert.

Was danach geschah: Kiew blieb bis ins Hochmittelalter der bedeutendste Ort Russlands. Um 1125 stieg Susdal unter Fürst Jurij Dolgoruki zur neuen Vormacht auf. In einem Sumpfgebiet am Rande seines Herrschaftsgebietes ließ dieser 1156 eine Festung (russisch Kreml) errichten. Der Fluss, der durch dieses Sumpfgebiet fließt, heißt Moskwa.

ab ca. 880

DANELAG UND NORMANDIE    Seit etwa 880 waren die »Dänen« (Normannen) auch im Westen der britischen Hauptinsel dauerhaft präsent. Zeitweilig wurden sie von dem ersten bedeutenden angelsächsischen König Alfred dem Großen (ca. 848–899) beherrscht, der erstmals »ganz England« vereinigte. Mit Danelag wurde im Mittelalter das vom wikingischen Heer besetzte Nordwestengland bezeichnet. Die »Dänen« besetzten das Gebiet nicht nur militärisch, sondern besiedelten es auch. Orte mit Namen wie Derby und Selby, wovon es Hunderte gibt, oder mit Endungen wie -ton, -thorpe und -ey sind normannische Gründungen. Die letzte normannische vikingr-Gruppe, die 911 unter ihrem Anführer Rollo Frankreich heimsuchte, kehrte nicht mehr in die Heimat zurück, sondern blieb in dem Gebiet um die Seine-Mündung. Rollo konvertierte zum Christentum, unterstellte sich 911/912 formell dem karolingischen Westfrankenkönig Karl und erlangte so die Anerkennung der normannischen Eroberung; sie wurde unter seinen Nachfolgern das Herzogtum Normandie. Hauptstadt war Rouen. Sein direkter Nachfahre in der siebten Generation war Wilhelm, der Eroberer Englands. In den 150 Jahren dieser sieben Generationen übernahmen die Normannen völlig die überlegene fränkische Kultur und die französische Sprache.

ASIEN UND AMERIKA

nach 980

AMERIKA – DIE ERSTE ENTDECKUNG    Unter den klimatisch günstigen Bedingungen eines zeitweiligen Klimaoptimums erreichten normannische Auswanderer nach 980 unter Führung von Leif dem Roten Grönland, wo sie sich für einige Jahrhunderte ansiedelten. Von dort aus gelangten die Normannen noch vor der Jahrtausendwende sogar auf das gar nicht mehr so weit entfernt gelegene nordamerikanische Festland.

ab 960

CHINA – SONG-DYNASTIE    In etwa parallel zum Niedergang der Karolinger zerbrach die Macht der Tang-Dynastie in China. Um 880 bestand diese nur noch dem Namen nach. Es folgten die Epochen der sogenannten »Fünf Dynastien« und »Zehn Königreiche«. Dies sollte die letzte Phase der politischen Zersplitterung im Reich der Mitte sein.

960 vertrieb der General Zhao Kuangyin den gegenwärtigen siebenjährigen Kaiser vom Thron, rief den Beginn der Song-Dynastie aus und regierte selbst unter dem Kaisernamen Song Taizu bis 976. In Feldzügen fasste er das Land wieder zu einem einheitlichen Reich zusammen, das Militär wurde entmachtet, die Verkehrsinfrastruktur verbessert, der Binnenhandel nahm erheblich zu, ebenso Bildung, Wissen, Verstädterung und technische Innovationen wie Buchdruck, Papiergeld und Schießpulver. Das Wirtschaftsleben und das Denken waren geradezu aufklärerisch und rational.

Die Kaiser und hohen Beamten legten sich Kunstsammlungen zu (Bilder, Drucke, Bücher, alle Arten von Antiquitäten) und erfassten sie in Katalogen. Philosophie und Literatur standen in Blüte. Die chinesische Kunst fand zwischen 1000 und 1200 ihren Ausdruck und Stil und hat sich seitdem nicht mehr wesentlich verändert, weil sich auch Staat und Gesellschaft in China in den folgenden rund 1000 Jahren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr wesentlich verändert haben.

nach 800

MITTELAMERIKA – TOLTEKEN    Noch um 900 waren die Tolteken Jäger und Sammler in den nordmexikanischen Steppen. Vermutlich wegen der allgemeinen Erderwärmung zwischen 800 und 1200 – die dem mittelalterlichen Europa ein Klimaoptimum bescherte und das nordmexikanische Gebiet versteppen ließ – wanderten seit dieser Zeit immer wieder Volksstämme weiter nach Süden. Die erste Hauptstadt der Tolteken war Tollan, heute eine Ruinenstätte bei Tula im mexikanischen Hochland. Tolteken bedeutet in ihrer Nahuatl-Sprache »Volk von Tollan«. Die Stadtkultur von Teotihuacán war inzwischen untergegangen, aber die Tolteken stießen noch auf das Volk, das diese Kultur getragen hatte. Von diesen Bauern übernahmen sie landwirtschaftliche Technik und Kunst sowie deren religiöse Vorstellungen.

900

MITTELAMERIKA – QUETZALCOATL II    Quetzalcoatl wurde durch die Tolteken ein mesoamerikanischer Hauptgott. Kern der mit ihm als Schöpfergott verbundenen Vorstellung war, er und andere Götter hätten den Menschen aus Mais geformt und ihnen ihren Lebenssaft (Blut) geschenkt. Um die Götter für diese Tat zu versöhnen und ihrerseits »am Leben zu erhalten«, musste also viel Blut geopfert werden. Dafür nahm man in erster Linie Kriegsgefangene. Es wurden sogar Ritualkriege geführt, um an »Kriegsgefangene« zu kommen – und diese wussten, was ihnen bevorstand. Sie lebten mit denselben Glaubensvorstellungen. Die Blutopfer wurden als Ehre aufgefasst, ähnlich wie bei den Märtyrern, und nur diejenigen, die sich dem Opfer hingaben, hatten Aussicht, nach dem Tod nicht in der Unterwelt zu verlöschen, sondern »erlöst« zu werden. Dieser religiösen Grundstruktur lagen auch die Herzopfer der Azteken zugrunde. Bei großen Ritualen wurde Hunderten, wenn nicht Tausenden von Menschen bei lebendigem Leib die Brust geöffnet, die Herzen herausgerissen und die Körper die Stufenpyramiden hinabgeworfen.

1000

MITTELAMERIKA – CHICHÉN ITZÁ    Um 1000 blühte im Norden von Yucatán unter dem Einfluss der Tolteken noch einmal eine maya-toltekische Mischkultur auf, vor allem in Chichén Itzá. Der Name der Stadt bedeutet »Mund der Brunnen der Itza«. Gemeint sind damit Brunnenlöcher, die mit einem verzweigten Höhlensystem in Verbindung stehen, von denen eines zweifellos ein hochbedeutendes Heiligtum war angesichts der Masse von Wertgegenständen und Knochen von Menschenopfern, die darin gefunden wurden. Chichén Itzá war eine reine Residenzstadt, die etwa 500 Jahre bis kurz vor der Ankunft der Spanier bestand. Hier befindet sich neben einer Fülle eindrucksvoller Tempelruinen die bekannteste Stufenpyramide Mittelamerikas, das Observatorium und einer der besterhaltenen von den über 500 Ballspielplätzen der Maya. Das Ballspiel diente kultischen Zwecken. Vielleicht war es eine Art Ritualkrieg.

NEUE KAISER UND KÖNIGE IN EUROPA

In den letzten Jahren vor 900, als die Wikinger/Normannen die Seine hinauf ruderten und sich dann ziemlich dauerhaft an der Seine-Mündung in der Normandie festsetzten, fielen im Osten die Ungarn im Donautiefland ein.

919

OTTONEN    Weil die ersten drei deutschen Kaiser des Mittelalters alle Otto hießen, spricht man von dieser Reichsgründungsepoche als der ottonischen. Dabei lautete der Familienname ihres sächsischen Adelsgeschlechtes: Liudolfinger. Mit »sächsisch« sind in jener Zeit Gebiete gemeint, die man heute als »niedersächsisch« bezeichnet. Damals war die Elbe die Reichsgrenze; erst allmählich schob sie sich nach Osten in die Marken (Grenzländer) bis nach Meißen, Zeitz und in die Lausitz vor.