Der Sage nach befand sich Heinrich Liudolfing, Vater Ottos I. und erster deutscher König, mit seinen Kindern auf der Entenjagd, als man ihm 919 die Nachricht seiner Königswahl überbrachte. Bemerkenswert an seiner Wahl zum – damals noch: ostfränkischen (!) – König war, dass sie auf einen Sachsen fiel. Denn sie waren erst knapp 100 Jahre zuvor von Karl dem Großen gewaltsam christianisiert worden. Nun übernahmen sie die Führung in einem Reich, das sich unter ihrer Herrschaft zum »Deutschen Reich« entwickelte – ein Begriff, der in der Zeit, als es existierte, nie verwendet wurde.
936–955
SCHLACHT AUF DEM LECHFELD Der erste deutsche Kaiser, Otto I. (912–973), war den Fürsten des Reiches schon 930 in Aachen als Thronfolger vorgestellt worden. Otto war erst achtzehn Jahre alt. Die Liudolfinger wollten unter allen Umständen verhindern, dass das ostfränkische Reich wieder geteilt wurde, und änderten in diesem Punkt das salische Gesetz: Nur der älteste Sohn sollte erben. Eine Zersplitterung der Königsmacht sollte es nicht mehr geben.
Derweil suchten die Ungarn die Bayern heim, vor allem die Stadt Augsburg war wegen der häufigen Ungarneinfälle durch ihren Bischof, den heiligen Ulrich, stark befestigt. An Ulrich und an Augsburg bissen sich die Ungarn die Zähne aus, bis Otto I. in der Schlacht auf dem Lechfeld vom 8. bis 10. August 955 ein so nachhaltiger Sieg über die Ungarn gelang, dass sie nie mehr nach Deutschland vordrangen und sogar 50 Jahre später mit ottonischer Hilfe christianisiert wurden. Auf diese Ruhmestat gründet Otto seine Erneuerung des nunmehr mittelalterlichen römisch-deutschen Kaisertums.
962
KAISERKRÖNUNG II Aber selbst diese Schlacht machte für Otto den Weg nach Rom noch nicht frei, obwohl er seit 951 durch seine Heirat mit der langobardischen Königinwitwe Adelheid Träger der Eisernen Krone und damit »König von Italien« war. Erst als der Statthalter Ottos in Italien, Berengar, den Kirchenstaat eigenmächtig in die Zange nahm, rief Papst Johannes XII. den deutschen König zu Hilfe und stellte dafür die Kaiserkrönung in Aussicht.
Otto bereitete alles gut vor und ließ zunächst in Aachen seinen ältesten Sohn als Otto II. zum Mitregenten wählen, damit im Fall des Falles die Kontinuität des Herrscherhauses gesichert war. Dann zog Otto nach Italien und wurde – gemeinsam mit seiner Gattin Adelheid – am 2. Februar 962 zum Kaiser gesalbt und gekrönt.
um 930
WENZELSKRONE UND STEPHANSKRONE Zur Zeit der Ottonen stand die Christianisierung der westslawischen Völker der Polen und Böhmen sowie der Magyaren noch am Anfang. Der böhmische Nationalheilige Herzog Wenzel (tschechisch: Václav) war durch seine Großmutter Ludmilla mit dem Christentum vertraut; Ludmilla hatte die Taufe von den Slawenaposteln Kyrill und Method empfangen. Politisch lehnten sich die böhmischen Fürsten aber an das Reich an. Noch zur Zeit der Ungarneinfälle unterstellte sich Wenzel um 930 der Oberherrschaft des ersten Liudolfingers König Heinrich. Das Bistum Prag gehörte bis zum Spätmittelalter zum Erzbistum Mainz. Der von seinem Bruder erschlagene Wenzel ist der Nationalheilige Tschechiens, der größte Platz in Prag ist der Wenzelsplatz.
Zwei Generationen später wurde der heilige Adalbert von Prag die zentrale Figur der christlichen Mission in allen drei Ländern. Dieser Fürstensohn hatte schon bei den Ungarn missioniert, wurde 982 Bischof in Prag und sollte ab 996 auf Bitten des polnischen Herzogs Boleslaw bei den Pruzzen im Norden des Landes das Evangelium verbreiten. Boleslaw und sein Vater Miesko hatten in der Zeit der ersten Ottonen das erste polnische Herrschaftsgebilde geschaffen, Polen war durch Miesko seit 966 katholisch; die Herzöge strebten nach Anerkennung durch das Reich. Seit gemeinsamen Tagen in Rom waren der heilige Adalbert und der junge deutsche Kaiser Otto III. enge Freunde. Nachdem Adalbert bei seiner Pruzzen-Mission erschlagen worden war, pilgerte Otto im Jahr 1000 ins polnische Gnesen und betete barfuß und in Tränen aufgelöst am Grab seines erschlagenen Freundes. Er erhob Boleslaw zum König, Gnesen wurde das erste Erzbistum Polens. Der Erzbischof ist bis heute Primas von Polen.
Im gleichen Jahr 1000 wurde auch Ungarn ein christliches Königreich. Keine 50 Jahre nach der Schlacht auf dem Lechfeld ließ sich der bereits christlich erzogene Arpadenfürst Stephan (Istvan) von Adalbert von Prag katholisch taufen und erhielt dafür im Einverständnis mit Kaiser Otto III., dem Enkel des Lechfeld-Siegers, von Papst Silvester II. die Königskrone (Stephanskrone). Papst Silvester, einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, war, wie der heilige Adalbert, ein Ratgeber und enger Freund Kaiser Ottos.
Stephan hatte zuvor die Herzogstochter Gisela aus der Familie der Liudolfinger geheiratet, also eine Verwandte Ottos III. Gisela, eine vom heiligen Wolfgang, Bischof von Regensburg, ausgebildete Fürstin, setzte sich tatkräftig für die Christianisierung Ungarns ein – trotz einiger Rückschläge. Die Ottonen betrieben also eine sehr auf Ausgleich bedachte Politik, und die jungen Dynastien in Ungarn, Böhmen und Polen strebten ihrerseits nach Anerkennung durch das mächtige Reich. So traten diese Völker um 1000 in den Kreis der lateinischen Christenheit und orientierten sich nach Westen – eine Art hochmittelalterliche Osterweiterung Europas.
Übrigens sind die Kronen nicht die damaligen Originale. Das ursprünglich von Papst Silvester an Stephan übersandte Diadem ging 1074 verloren. Das heute berühmte Exemplar mit dem schrägen Kreuz war ursprünglich eine byzantinische Frauenkrone, die im Hochmittelalter in mehreren Etappen umgearbeitet wurde. Sie wurde von 1555 bis 1918 immer von einem Habsburger getragen.
Die Wenzelskrone wurde erst 1347 im Auftrag von Kaiser Karl IV. für dessen Krönung geschaffen. Karl residierte in Prag. Böhmen wurde in staufischer Zeit ein erbliches Königtum im Heiligen Römischen Reich. Das Land war wegen seines Reichtums und seiner kulturellen Ausstrahlung sozusagen das Juwel in der deutschen Kaiserkrone, der König von Böhmen ebenfalls spätestens seit der Zeit Karls IV. der vornehmste unter den weltlichen Kurfürsten. Seit 1526 trugen die Habsburger auch die Wenzelskrone, bis 1918.
987
DIE KAPETINGER IN FRANKREICH Ähnlich wie im Ostfrankenreich (nunmehr Deutschland) kam es 987 im Westfrankenreich (nunmehr Frankreich) zu einem Dynastiewechsel. Bis dahin hatten hier ebenfalls Nachfahren Karls des Großen regiert. Nun griff Hugo Capet nach der Macht, indem er den vorletzten Karolinger ermordete und dessen Sohn, den letzten Karolinger, beerbte, als dieser kurz darauf in jungen Jahren starb. Seinen Beinamen Capet verdankte er seinem Amt als Laienabt des Klosters des heiligen Martin in Tours, des wichtigsten französischen Nationalheiligtums. Dort wird der halbe Kapuzenmantel (capet) aufbewahrt, den der Heilige Martin mit dem Bettler teilte. Seit Hugo waren alle französischen Könige Kapetinger, bis zum letzten König Ludwig, dem der Kopf während der Französischen Revolution mit der Guillotine abgetrennt wurde.
1066
DIE SCHLACHT BEI HASTINGS Seit der Eroberung des Klosters Lindisfarne durch die Wikinger war die ohnehin nur aus kleinen Königreichen bestehende britische Insel ein Schlachtfeld. Erst mit dem angelsächsischen König von Wessex, Alfred dem Großen, kehrte eine gewisse Ruhe ein. Alfred eroberte 886 London und machte es zum Zentrum des englischen Königreiches. Der letzte Angelsachse auf dem englischen Thron war Eduard der Bekenner von 1042 bis 1066. Durch seine Mutter war er ein halber Normanne, und dieser Umstand bestimmte den weiteren Verlauf der Geschichte Britanniens.
Als Eduard im Januar 1066 kinderlos starb, gab es mehrere Anwärter auf den englischen Thron, darunter der Normannenherzog Wilhelm in der Normandie. Er sammelte Rittertruppen aus ganz Frankreich und setzte mit einer Flotte über. Bei Hastings kam es zur letzten entscheidenden Schlacht zwischen ihm und seinem einzig noch verbliebenen Gegner, dem angelsächsischen König Harald. Am Weihnachtstag wurde »Wilhelm der Eroberer« in Westminster Abbey gekrönt, wie nach ihm alle englischen Könige. William befahl den Bau des Tower of London – um seine Normannen vor den Londonern und diese wiederum vor den Normannen zu schützen. Verewigt ist die Schlacht bei Hastings auf dem fast 70 Meter langen bestickten Teppich von Bayeux.