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Als Großwesir und Kanzler des Seldschuken-Sultans Alp Arslan, des Siegers von Mantzikert gegen Byzanz, stand der wie Al-Ghazzali aus dem nordostiranischen Tus stammende Nisam ul-Mulk (1018–1092) im Zentrum der seldschukischen Macht in Bagdad. Nizam wurde 1063 Wesir. Er war ein ausgesprochen umsichtiger Staatsmann. Die von ihm gegründete Madrasa in Bagdad wurde binnen kurzer Zeit zu einer der bedeutendsten Hochschulen überhaupt. Nisams Buch über die Staatskunst (Siyasat-name) hat einen Stellenwert wie Der Fürst von Macchiavelli. Nisam wurde von Assassinen ermordet, einer islamischen Sekte, die er in seiner Politik und seinem Buch bekämpfte.

EUROPÄISCHER MACHTKAMPF IM HOCHMITTELALTER – STAUFER, WELFEN, PLANTAGENETS

Der Zeit der Salier in Deutschland entsprach in England in etwa die Zeit der normannischen Könige. Knapp 100 Jahre hatten die Söhne und Enkel Wilhelms des Eroberers geherrscht. Fast gleichzeitig mit dem Beginn der Staufer bekam auch England mit Heinrich II. 1154 nicht nur einen neuen König, sondern eine neue Dynastie. Die Tochter des letzten Normannenkönigs hatte 1128 in zweiter Ehe den Grafen von Anjou geheiratet; und Mathilde gelang es, die Thronfolge für ihren Sohn Heinrich aus dieser Ehe zu sichern. Der Graf von Anjou pflegte einen Ginsterzweig (lateinisch planta genista, englisch plantagenet) als Helmzier zu tragen. Die Plantagenets waren »die« englische Königsdynastie des Mittelalters.

In seiner Jugend war Heinrich nicht nur englischer Thronanwärter, sondern auch Herzog der Normandie in Frankreich. Kurz vor seiner englischen Thronbesteigung heiratete er im zarten Alter von 19 Jahren seine wesentlich ältere französische Nachbarin Eleonore von Aquitanien. Diese berühmteste Frau des Mittelalters war die Erbin des reichen und kulturell strahlenden Troubadour-Herzogtums Aquitanien. Damit war Heinrich auch Herr über das heutige Westfrankreich, denn die Territorien Normandie, Anjou und Aquitanien gehörten nun zusammen. Dieser englische Kronbesitz auf französischem Boden, das »Angevinische Reich«, war der Zankapfel zwischen Frankreich und England – jetzt und im Hundertjährigen Krieg ab 1340.

ab 1160

STAUFER UND WELFEN    Unter der Herrschaft der Staufer traten die deutschen Kaiser in Italien wieder stärker in Erscheinung: Friedrich Barbarossa regierte fast 40 Jahre von 1152 bis 1190 und versuchte in zähem Kampf gegen die selbstbewussten Städte der Lombardei, die alten Reichsrechte wieder durchzusetzen. Viele Städte, die sich nicht fügen wollten, schlossen sich zur Lombardischen Liga zusammen, allen voran Mailand, unterstützt von Papst Alexander III. Als Friedrich die Reichsrechte mit Waffengewalt durchsetzen wollte, versagte ihm sein mächtigster Vasall, der Welfenherzog Heinrich der Löwe, die Gefolgschaft. Staufer und Welfen war sich in alter Rivalität verbunden. Auf einem Reichstag in Würzburg 1180 wurde die Reichsacht über Heinrich verhängt und seine beiden Herzogtümer Sachsen und Bayern eingezogen. Damals wurden die Wittelsbacher Herzöge in Bayern. Heinrich ging ins Exil zu seinen englischen Verwandten, denn seine Gattin Mathilde war eine Schwester von Richard Löwenherz und Tochter des englischen Königs Heinrich II. Die bittere Auseinandersetzung zwischen Staufern und Welfen übertrug sich nach Italien. Siena, Pisa, Arezzo und Spoleto hielten stets zum Kaiser. Sie waren »Ghibellinen«, benannt nach der kleinen staufischen Stammburg Waiblingen. Bologna, Genua, Mantua gehörten zur Partei der Welfen, italienisch: Guelfen. Städte wie Mailand, Florenz und Verona wechselten ihre »Parteizugehörigkeit« mehrmals. Auch die Päpste waren meist »Guelfen«, sprich: Anti-Kaiser.

ab 1190

STAUFISCH-WELFISCHE THRONWIRREN    Barbarossa ertrank 1190 auf dem Zweiten Kreuzzug in Kleinasien im Alter von 65 Jahren in dem Fluss Saleph. Sein Sohn Heinrich VI. verstarb früh 1197, im Alter von 33 Jahren. Nun wählten im Reich zwei Fraktionen unter den Fürsten zwei deutsche Könige: Die einen entschieden sich für den Staufer Philipp, den Bruder Heinrichs VI. Der eigentliche staufische Thronfolger, Heinrichs Sohn, der spätere Kaiser Friedrich II., war erst vier Jahre alt. Die anderen wählten Otto, den Sohn des Welfen-Herzogs Heinrichs des Löwen. Das war der Höhepunkt der staufisch-welfischen Feindschaft und eine Art Teilung in Deutschland. Fast zehn Jahre lang konnte sich keiner von beiden gegen den anderen durchsetzen, dann wurde der Staufer Philipp 1208 in Bamberg ermordet und Otto im Jahr darauf zwar zum Kaiser gekrönt. Doch als er mit der Eroberung von Unteritalien und Sizilien begann, wählten deutsche Fürsten auf Betreiben des Papstes 1211 den fünfzehnjährigen, soeben volljährig gewordenen Friedrich zum Kaiser. Die Verwirrung war komplett.

Otto war während des Exils seines Vaters in der Normandie geboren worden und am englischen Hof aufgewachsen. Richard Löwenherz und Johann Ohneland waren Ottos Jugendfreunde und nur wenig ältere Onkel. In der nun unmittelbar bevorstehenden europäischen Auseinandersetzung standen die Welfen auf der Seite der Engländer.

1214

DER SONNTAG VON BOUVINES    Der französische König Philipp II. wollte das Angevinische Reich zerschlagen, aber das gelang ihm nicht, solange Richard Löwenherz König von England und Herr in seinen Ländern in Westfrankreich war. Nach Richards frühem Tod 1199 im Alter von 41 Jahren übernahm dessen schwächerer Bruder Johann den englischen Thron und das Angevinische Reich. Philipp hatte schon die Normandie besetzt, der aquitanische Adel wechselte auf die französische Seite.

Im Sommer 1214 hielt sich Johann in seinen französischen Kronländern auf, um Verbündete gegen Philipp II. zu sammeln. Er finanzierte nicht nur seine eigenen englischen Truppen, sondern auch flandrische Grafen, die sich Unabhängigkeit von Frankreich erhofften, und den deutschen Kaiser Otto, seinen Neffen und Freund aus Kindertagen. Ottos Herrschaft in Deutschland war angezählt, er selbst exkommuniziert, weil er in Italien Papst Innozenz III. in die Quere gekommen war. Der junge Stauferkaiser Friedrich II. zog erstmals triumphal durch Deutschland. Friedrich hielt in alter staufischer Tradition zum Kapetinger Philipp.

An der Ritterschlacht bei dem flandrischen Örtchen Bouvines am 27. Juli 1214, einem Sonntag, nahm Johann nicht selbst teil. Kaiser Otto IV. führte Johanns Koalitionstruppen. Er wurde von Philipps Reitern so hart bedrängt, dass ihm schließlich nichts anderes übrig blieb, als den Rückzug anzutreten oder zu fliehen – je nach Interpretationsstandpunkt. Nach Anzahl der Gefallenen, Geflüchteten und Gefangenen war die Niederlage Ottos und Johanns vollständig. Philipp sandte die auf dem Feld zurückgebliebene Standarte des Reiches an Friedrich.

Der Ausgang der Schlacht stellte die Weichen für Jahrhunderte europäischer Geschichte: Die Staufer behaupteten sich im Reich gegen die Welfen, da Otto nun seinen letzten Rückhalt verlor. Der Thronfolgestreit war damit entschieden. Die deutschen Fürsten bestätigten Friedrich, der ihnen allerdings erhebliche Zugeständnisse machen musste. Damit war im Reich der Grundstein zur Ausbildung relativ selbstständiger Fürstentümer gelegt. Deutschland wurde fortan nie mehr zentral regiert (bis 1871 natürlich).

Fast der ganze Westen Frankreichs fiel an die französische Krone, und Frankreich wurde zur Vormacht in Europa. Genau im Gegensatz zu Deutschland entwickelte sich hier ein starkes dynastisches Zentrum mit der einen Hauptstadt Paris. Philipp wurde zum bedeutendsten französischen Herrscher des Hochmittelalters; der Sieg von Bouvines brachte ihm den Beinamen Augustus ein.

Johann musste Philipps Bedingungen zur vollständigen Rückgabe seiner Länder akzeptieren und kehrte »ohne Land« nach England zurück. Auch das hatte erhebliche Folgen.